Herrsching stockt Kühlplätze für Särge auf
Die Gemeinde rüstet sich mit einem Kühlcontainer gegen eine steigende Zahl von Sterbefällen. Wie Bürgermeister Christian Schiller die Beschaffung begründet und wie sich die Lage aktuell für Gemeinden und Bestatter darstellt
Dießen/Herrsching Was ist da in Herrsching los? Mit einem Kühlcontainer, in dem bis zu zehn Verstorbene Platz haben, wappnet sich die Gemeinde gegen einen Mangel an Kühlplätzen für Tote. Zuvor hatte das für die Gemeinde tätige Bestattungsunternehmen vor einem solchen möglicherweise entstehenden Mangel gewarnt. Ist die Situation vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie inzwischen so dramatisch? Nicht unbedingt: Im etwa gleich großen Dießen sieht man derzeit keinen Handlungsbedarf.
Auch der Herrschinger Bürgermeister Christian Schiller ist bemüht, zu betonen, die Anmietung eines solchen Containers sei rein vorsorglich erfolgt – übrigens nicht zum ersten Mal. Auch im Frühjahr, in der ersten Corona-Welle, habe die Gemeinde so gehandelt. Seit Dienstag steht der Kühlcontainer am Friedhof und in den ersten Tagen sei er auch noch nicht benötigt worden. Regulär hat die Gemeinde drei Kühlplätze. Dass man gleich einen Container mit mehr als dreifacher Kapazität gemietet habe, liege daran, dass eine kleinere Einheit nicht zu bekommen war. Die Miete beträgt im Monat rund 2000 Euro.
11000 Einwohner leben in Herrsching, im vergangenen Jahr starben dort nach Angaben der Gemeinde rund 300 Personen. Das ist deutlich mehr als im etwa gleich großen Dießen, als 2020 laut Auskunft der Verwaltung 77 Sterbefälle im Ort beurkundet wurden. Der Grund für diesen Unterschied seien die fünf Pflegeheime und das Krankenhaus in Herrsching, erklärt Bürgermeister Schiller. 300 Personen seien die normale jährliche Sterberate in der Ostufergemeinde. Allerdings: Im November und Dezember seien jeweils mehr als 30 Verstorbene registriert worden, also mehr als der Monatsdurchschnitt, der bei etwa 25 liegt. In den ersten zwei Januarwochen seien sieben Sterbefälle beurkundet worden.
Zwar werden von den in Herrsching verstorbenen Personen viele auswärts beerdigt und fallen somit eigentlich nicht in die Zuständigkeit der Gemeinde. Doch, so Schiller, die Zuständigkeit seiner Gemeinde erstrecke sich teilweise auch auf die auswärtigen Verstorbenen – und zwar für den Zeitraum, in dem sie etwa von der Klinik an den Bestatter übergeben werden, bis zur Beerdigung. Dieser Zeitraum könne durchaus einige Tage betragen – je nach den Wünschen von Angehörigen oder nach der Verfügbarkeit eines Geistlichen.
Im Dießener Rathaus sieht man aktuell keine Notwendigkeit, die zu erhöhen, die bislang für zwei Särge auf dem Friedhof St. Johann bestehen, wie Geschäftsstellenleiter Karl Heinz Springer erklärt. „Es ist bei uns bislang kein Thema, dass das nicht ausreichen wird“, sagt er, und verweist darauf, „dass größere Bestatter selber über Möglichkeiten der Kühlung verfügen.“Bislang habe sich auch die Zahl der Sterbefälle nicht ungewöhnlich entwickelt. 2020 verschieden 136 Dießener (inklusive der Personen, die etwa in auswärtigen Krankenhäusern starben), 2019 waren es 122. Beide Werte liegen innerhalb des langjährigen Korridors, der sich zwischen knapp 120 und etwas über 140 bewegt. Auch Dießen sei wie Herrsching ein Ort mit einem hohen Altersdurchschnitt, merkt Springer an.
Die Zahlen decken sich auch mit den Erfahrungen des Starnberger Bestatters Rudolf Zirngibl, dessen Unternehmen auch im Ammerseeraum tätig ist: „2020 war ein ganz normales Sterbejahr“, sagt er. Allerdings: „Seit Weihnachten hat sich die Sterberate wirklich um etwa 30 Prozent erhöht.“Eine solche Entwicklung sei aber nicht einzigartig. „Diese 30 Prozent hat es auch im Januar 2017 gegeben“, damals könnte der Grund die Grippe gewesen sein. Setze sich diese Tendenz in den nächsten Wochen fort, könnte der Januar 2021 ähnliche Zahlen wie Januar 2017 aufweisen.
Die Notwendigkeit, größere Kühlkapazitäten zu schaffen, sieht Zirngibl aber nicht. Mit Blick auf Herrsching und den Rat des dort für die Gemeinde tätigen Unternehmens sagt er: „Es gibt nur einen Bestatter, der damit nicht klarKühlkapazitäten kommt.“Für die anderen gelte: „Einen Kühlcontainer brauchen wir nicht, zumindest jetzt nicht“, zumal es im Winter ja auch in den Leichenhäusern kalt sei.
In Herrsching wollte Bürgermeister Schiller auf Nummer sicher gehen. „Es reicht nur ein einziger Sterbefall, den wir nicht ordnungsgemäß unterbringen können, um in die Schlagzeilen zu kommen. Und da komme ich lieber in die Schlagzeilen, weil wir einen solchen Kühlcontainer bereitstellen.“Im Frühjahr habe er schon erfahren, wie schwer es war, eine solche Kühlung zu beschaffen: „Probieren Sie mal in einer solchen Situation, einen Kühlcontainer zu bekommen. Ich bin schon froh, dass wir jetzt nicht einen größeren nehmen mussten. Im Frühjahr war nur noch der ganz große für 14 Tote zu bekommen.“
In Herrsching sterben im Jahr rund 300 Personen