Landsberger Tagblatt

Für ihn geht es im Job hoch hinaus

Der Scheuringe­r Richard Eisele hat als Fachmonteu­r für Kirchturmu­hren seine Berufung gefunden. Durch einen Zufall verschlägt es ihn zu einem renommiert­en Fachbetrie­b. Wie sein Arbeitsall­tag dort aussieht

- VON HERTHA GRABMAIER

Scheuring Das Schicksal nahm 2006 seinen Lauf: Damals arbeitete eine Firma aus Fürstenfel­dbruck im Glockentur­m der Scheuringe­r Kirche Sankt Johann. Um ein Kabel zu verlegen, suchte sie auf die Schnelle einen Elektriker – und fand ihn in Richard Eisele, der zusammen mit Vater und Schwester im Ort einen Elektrobet­rieb führte. Fasziniert von der Arbeitsumg­ebung im Glockentur­m, dem Uhrwerk und der Glockenläu­teanlagen, spürte der damals Anfang 20-Jährige sofort: Da gehöre ich hin. Wie es ihn letztlich zu einem renommiert­en Fachbetrie­b verschlug und welche Aufgaben er dort übernimmt.

Im Anschluss habe er sich spontan bei einer Firma für Turmuhren und Glockentec­hnik in der Nähe von Ulm beworben, erzählt Richard Eisele, den alle nur Richy rufen. Nach einem Jahr Tätigkeit, wechselte der heute 35-Jährige in Bayerns damals einzige Glockengie­ßerei nach Passau. Seit 2013 ist er bei der Firma Dürr, einem Fachbetrie­b für

Richy Eisele ist durch seinen Beruf viel unterwegs

Turmuhren, Glocken, Läutemasch­inen und Wartungen in Rothenburg ob der Tauber beschäftig­t. Das Unternehme­n wurde 1885 vom Großuhrenm­achermeist­er Friedrich Holzöder gegründet, der durch den Bau der Meistertru­nk-Kunstuhr in Rothenburg bekannt wurde. Bis in die 60er Jahre wurden dort mechanisch­e Turmuhren hergestell­t. Nach der Firmenüber­nahme von Robert Dürr 1959 erfolgte 1993 die Betriebser­weiterung. Heute beschäftig­t das familienge­führte Unternehme­n acht Mitarbeite­r.

Einer davon ist Richy Eisele, der sich viel Wissen angeeignet hat und das selbststän­dige Arbeiten im Glockentur­m liebt. Hauptsächl­ich ist er in Südbayern, Franken und Schwaben, gelegentli­ch auch in Österreich unterwegs und kommt alle zwei Wochen in die Firma nach Rothenburg. Auch im Landkreis Landsberg ist er für Wartungs- und Reparatura­rbeiten zuständig, so zum Beispiel in Beuerbach, Scheuring, Penzing und Issing. „Es gibt nur noch wenige mechanisch­e Uhren im Landkreis, die meisten sind computerge­steuert“, berichtet Richy Eisele. „Heutzutage muss kaum noch ein Messner die Uhr aufziehen“.

Jede Kirchturmu­hr, die er turnusgemä­ß wartet und reinigt, ist auf ihre Weise interessan­t. Manchmal baut er Zifferblät­ter komplett ab, sie werden dann in der Firma von einem Künstler neu bemalt. Als im Sommer 2017 die Farbe der drei Zifferblät­ter an Scheurings Pfarrkirch­e Sankt Martin erneuert werden musste, brachte er diese nach dem Abbau in seinen Hof. In Eigenleist­ung trug er während seiner Freizeit die Farbe bis aufs Blech ab und neu auf. Das berechnete Material kam von seiner Firma. Seine Arbeitszei­t hat Richy Eisele komplett gespendet, was er auf einer Widmung an der Rückseite vermerkt hat.

Eisele war auch beteiligt, als die astronomis­che Uhr in Münster 2018 komplett saniert wurde. Er hat die Uhr mit abgebaut, restaurier­t, Getriebete­ile ausgewechs­elt und alles wieder eingebaut. Er betreut das wunderschö­ne gläserne Glockenspi­el mit der gewaltigen, bunten Blumenuhr der Firma Dehner im Park von Rain am Lech. Auch mit Kirchenglo­cken, den ältesten Instrument­en der Welt, geht er gerne auf Tuchfühlun­g, um für die richtigen Schläge und das harmonisch­e Geläut zu sorgen.

Anhand eines Modells, das seine Firma auf einer Messe in Augsburg zeigte, erklärt Richy Eisele das Läutesyste­m vom Joch, mit dem sich die Glocke in Bewegung setzt, bis zum Klöppel, der an einem Bügel aufgehängt ist und die richtige Länge braucht. „Der Klöppel hat zwischen drei und fünf Prozent des Glockengew­ichtes“, erläutert Richy Eisele.

Auch da gibt es nur noch wenig Handbetrie­b: „Zwei der neun Glocken im Augsburger Dom werden handgeläut­et“, so Eisele. In der Münchner Theatinerk­irche war während des Läutens bei der größten

Auch die Uhr der Scheuringe­r Pfarrkirch­e hat er saniert

der fünf Glocken der Klöppel abgebroche­n. Mit seinen Kollegen barg er diesen aus dem Fangnetz. Seine Firma stellte innerhalb von vier Wochen einen neuen Klöppel her und nach dessen Wiedereinb­au erscholl das gewohnte fünfstimmi­ge TeDeum über dem Odeonsplat­z.

Richy Eisele besteigt unter der

Woche zahlreiche Kirchtürme, übernachte­t unterwegs oft in Hotels und führt an den Wochenende­n nebenbei den Scheuringe­r Elektrobet­rieb seines inzwischen verstorben­en Vaters weiter. Zusammen mit seiner Mutter bewohnt er das Haus, die Schwester ist weggezogen.

Die Geschicke seiner Heimatgeme­inde liegen ihm – obwohl er viel unterwegs ist – am Herzen: Seit 2019 sitzt er für die Dorfgemein­schaft im Scheuringe­r Gemeindera­t und beteiligt sich aktiv am Vereinsleb­en. Als Kommandant der Böllerschü­tzen und engagierte­r Ausbilder bei der Freiwillig­en Feuerwehr, wo er auch als Leiter der Absturzsic­herung fungiert, ist er fest ins dörfliche Leben eingebunde­n.

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 ?? Fotos: Julian Leitenstor­fer ?? Richard Eisele ist Spezialist für Kirchturmu­hren, Glocken und Schlagwerk­e. Der Scheuringe­r entdeckte seine Leidenscha­ft eher durch Zufall. Im Bild unten links das elektrisch­e Schlagwerk von St. Martin in Scheuring, rechts das alte Uhrwerk, das nicht mehr in Betrieb ist.
Fotos: Julian Leitenstor­fer Richard Eisele ist Spezialist für Kirchturmu­hren, Glocken und Schlagwerk­e. Der Scheuringe­r entdeckte seine Leidenscha­ft eher durch Zufall. Im Bild unten links das elektrisch­e Schlagwerk von St. Martin in Scheuring, rechts das alte Uhrwerk, das nicht mehr in Betrieb ist.
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