Die Zukunft soll Gold bringen
Vor dem bedeutungslosen Spiel heute gegen Polen zieht Vize-Präsident Hanning bereits Bilanz. Vor allem aber richtet er den Blick auf Olympia, wo der DHB Großes vor hat
Kairo/Mannheim Eine Minute früher als geplant betritt Bob Hanning am Sonntagmorgen im WM-Hotel der deutschen Handball-Nationalmannschaft die Bühne, die ja genau genommen immer erst zu einer richtig großen wird, wenn er dort Platz nimmt. Das mag bisweilen an seinen Hang zur Selbstinszenierung, an seinen schrillen, provokanten Outfits liegen, die selbst innerhalb des Verbands eher kritisch beäugt werden. Seine exponierte Stellung hat sich der 52-jährige Vize-Präsident des Deutschen Handballbundes (DHB) aber doch auf andere Art und Weise erarbeitet – und somit auch verdient.
Hanning, so viel steht fest, hat den DHB in seinem achtjährigen Wirken entstaubt, professionalisiert und modernisiert, ja vielleicht sogar salonfähig gemacht. Denn keiner bringt den Sport so sehr in die Öffentlichkeit wie er, weil seine Analysen präzise, seine Appelle leidenschaftlich, seine Attacken scharf und seine Ziele groß sind. Eines davon lautet: Olympia-Gold 2020. Diese mutige Vision formulierte er für den damals arg schwächelnden deutschen Handball bereits bei seinem Amtsantritt 2013 - und an diesem Ziel hält der umtriebige DHB-Vize weiterhin unumstößlich fest. Nur eben mit einem Jahr Verspätung, weil die Spiele auf 2021 verschoben wurden.
„Wir haben die Zielsetzung, Olympisches Gold zu holen. Ich glaube daran, dass es funktionieren wird“, sagt Hanning, der stets die höchsten Ansprüche formuliert. An sich, an andere. Weshalb es auch nicht sonderlich verwundert, dass er das Wort „maximal“recht gerne benutzt und von seinem Wirken konsequent überzeugt ist. Ohne dabei allerdings den Anspruch zu erheben, immer richtig zu liegen.
Nun könnte man angesichts dera anvisierten Goldmedaille berechtigterweise einwenden, dass sich die deutsche Nationalmannschaft bei der WM in Ägypten nicht gerade wie ein kommender Olympiasieger präsentierte. Denn trotz des 31:24-Sieges über Brasilien am Samstag ist der Viertelfinaleinzug selbst bei einem weiteren Erfolg über Polen am Montag (20.30 Uhr/ ARD) nicht mehr möglich. Es wurde also „das gesteckte Ziel verpasst“, wie der vom Ehrgeiz getriebene Hanning ehrlich zugibt. Und doch hat seine Idee vom Triumph in Tokio eher weniger etwas mit Größenwahn zu tun, sondern vielmehr mit einer vielleicht gewagten, aber keinesfalls unrealistischen Herangehensweise.
Der gebürtige Essener verweist in seiner WM-Analyse zu Recht auf die besonders schwierigen Umstände in Ägypten. Ohne neun teils hochkarätige Ausfälle reichte es eben fast schon erwartungsgemäß nicht für die Weltspitze. Wenn man so will, war also das, was da am Nil passierte, vor allem ein Schaulaufen einiger noch nicht so etablierter Kräfte, um sich für den Jahreshöhepunkt in Tokio samt des vorherigen Qualifikationsturniers in Berlin in Stellung zu bringen.
Genutzt haben diese Chance nicht alle, einige wird man vermutlich nur noch sehr selten im DHB-Dress sehen. Vielleicht auch nie mehr. Johannes Golla und Philipp Weber aber überzeugten. Hanning bezeichnet sie als „Sieger des Turniers“und glaubt, dass sich Golla „nie so hätte entwickeln können, wenn Hendrik Pekeler und Patrick Wiencek dabei gewesen wären“. Der 23-jährige Kreisläufer trug im Mittelblock und im Angriff die Hauptlast auf seiner Position, auf der Pekeler und Wiencek ansonsten gesetzt sind. In der Hierarchie stehen normalerweise auch noch in der Offensive Jannik Kohlbacher (fehlte verletzt) und in der Deckung Finn Lemke (verzichtete freiwillig) vor ihm. Nun avancierte der Flensburger von der „Nummer vier zur Nummer eins“, wie Bundestrainer Alfred Gislason betont.
Mittelmann Philipp Weber lenkte wiederum in Abwesenheit des genialen - und weiterhin auch unersetzbaren - Geistes Fabian Wiede die Offensive, der Leipziger agiert seit einiger Zeit konstant auf hohem Niveau. Schon die EM 2020 war gut von ihm, seine Leistung auf der einstigen deutschen Problemposition ging in Ägypten fast ein wenig unter, weil die Deckung so sehr wackelte. „Dabei haben wir im Angriff besser gespielt als bei den vergangenen drei Turnieren“, lobt Hanning. Doch auch er weiß: Auf allerhöchstem Niveau machen Spieler wie Pekeler, Wiencek und Wiede den Unterschied aus. Wegen ihrer Klasse. Und ihrer mentalen Stärke, weil diese Spieler nicht nur wissen, dass sie gut spielen können, sondern auch, dass sie gut spielen werden.
Sofern gesund, werden deshalb alle beim stark besetzen OlympiaQualifikationsturnier im März in den DHB-Kader zurückkehren. Es geht gegen Slowenien, Schweden und Algerien, nur zwei von vier Teams werden nach Tokio fahren. Sprich: Die Aufgabe ist anspruchsvoll, sie lässt sich nicht ohne die sonstigen Stammkräfte lösen, die nun ausgeruhter in die nächsten Monate gehen. „Sie brauchten die Pause. Das hilft uns“, sagt Hanning, der in diesem Jahr beim DHB aufhören wird. Er sieht seinen Auftrag als erfüllt an - im Zweifel sogar ohne Olympiasieg.