Auf dem Gipfel
Tom Brady hat in seiner Karriere schon viele Kritiker zum Verstummen gebracht. Mit seinem siebten Triumph im Super Bowl hat er wohl auch die letzten Zweifler überzeugt
Tampa Wette nie gegen Tom Brady – diese Lektion müssen alle Football-Experten nach der 55. Ausgabe des Super Bowl, des großen Finales der US-Football-Profiliga NFL, endgültig verinnerlichen. Mit 31:9 führte Spielmacher Brady seine Tampa Bay Buccaneers im eigenen Stadion zum Sieg über Titelverteidiger Kansas City Chiefs um Quarterback Patrick Mahomes, den viele als legitimen Nachfolger Bradys sehen. Das direkte Duell aber dominierte der Altmeister und zementierte mit dem siebten Titelgewinn seiner Karriere endgültig seinen Status als bester Spieler in der Geschichte seines Sports.
Zweifel waren dabei ein ständiger Begleiter des 43-Jährigen. Beim NFL-Draft, bei dem die Mannschaften die besten Collegespieler des Jahres in ihre Kader holen, wurden im Jahr 2000 ganze 198 Spieler ausgewählt, ehe die New England Patriots bei Brady zugriffen. Nach einer guten Uni-Karriere bescheinigten ihm die Talentspäher Führungsqualitäten, Spielintelligenz und einen guten Wurfarm. Die restlichen physischen Attribute, vor allem die mangelnde Beweglichkeit und Geschwindigkeit, schreckten viele Interessenten aber ab.
Doch während die meisten Spieler, die so spät gezogen werden, nach kurzer Zeit einen Beruf abseits des Footballfeldes ergreifen müssen, erkämpfte sich Brady einen Platz im Kader der Patriots. Die Demütigung, dass sechs Spielmacher vor ihm ausgewählt wurden, hätten ihm eine Extra-Portion Motivation gegeben, verriet er später in einem Interview. In seinem zweiten Jahr sprang er für den verletzten Stammspielmacher ein und führte das Team aus Boston zum ersten SuperBowl-Sieg.
Weitere Titel und Auszeichnungen folgten, die Schar der Zweifler und Kritiker blieb aber. 2007 hatten Brady und die Patriots die Chance, erstmals eine 19-Spiele-Saison ungeschlagen zu bleiben. Doch sie scheiterten im Super Bowl am krassen Außenseiter New York Giants. Diese Pleite war ein Fleck auf Bradys weißer Weste, ebenso wie die Schummelvorwürfe gegen das Team. Die Patriots wurden bestraft, weil sie gegnerische Teams am Spielfeldrand gefilmt hatten, um Aufschlüsse über deren Taktik zu gewinnen. Zudem kam 2015 heraus, dass Brady bei Heimspielen mit Bällen versorgt wurde, die weniger hart aufgepumpt und damit besser zu greifen waren.
Der Leistung auf dem Platz konnten diese Skandälchen wenig anhaben. Die Patriots blieben eine Macht und schlossen mit ihrem sechsten Titel 2018 zu den erfolgreichsten Teams der Football-Geschichte auf. Die Zweifler beschäftigte da allerdings noch eine Frage: Wer ist die treibende Kraft hinter den Titeln – Brady oder TrainerLegende Bill Belichick?
Diese Frage hat Tom Brady nun beantwortet. Mit seinem Wechsel zu den notorischen Verlierern aus Tampa Bay sorgte er vor der Saison für eine Sensation. Doch Bradys Siegermentalität lockte zahlreiche Spieler an, die mit den vorhandenen Talenten eine schlagkräftige Mannschaft bildeten. Nach anfänglichen Abstimmungsproblemen kamen die „Freibeuter“immer besser in Tritt und sicherten sich mit sieben Siegen in Serie als erstes Team einen SuperBowl-Auftritt im eigenen Stadion.
Im Finale zeigte sich Brady von seiner besten Seite, führte das Team fehlerlos übers Feld. Mit Rob Gronkowski, Antonio Brown und Leonard Fournette erzielten drei Spieler die siegbringenden Touchdowns, die auf ausdrücklichen Wunsch Bradys verpflichtet wurden. Gegner Kansas City scheitert an der guten Verteidigung der Buccaneers und an den eigenen Nerven. „Dieses Team ist Weltmeister, das kann uns niemand nehmen“, sagte Brady nach dem Spiel und fügte an: „Wir kommen nächstes Jahr wieder.“Auch wenn er nun der alleinige RekordTitelhalter der Liga ist, sein Ehrgeiz ist nicht gestillt.
Bradys Triumph durften coronabedingt nur 22000 Zuschauer im Stadion mitverfolgen, unter ihnen 7500 bereits geimpfte Krankenhaus-Bedienstete. Außerhalb des Raymond-James-Stadium zeigte sich ein anderes Bild: Trotz zahlreicher Appelle, hoher Infektionszahlen in Florida und angedrohter Geldstrafen für Verstöße gegen die Maskenpflicht strömten Tausende in die Straßen und feierten im dichten Gedränge den Sieg.
Brady haucht Tampa Bay seine Siegermentalität ein