Landsberger Tagblatt

Landsberge­r Anwalt klagt

Die Vorschrift stößt zunehmend auf Kritik. Der Landsberge­r Marcus Becker geht nun sogar juristisch dagegen vor. Warum er die Maßnahme für unverhältn­ismäßig hält

- VON DOMINIK STENZEL

Der Landsberge­r Anwalt Marcus Becker klagt gegen die in Bayern verhängte nächtliche Ausgangssp­erre. Das LT hat mit ihm über seine Motivation gesprochen.

Landsberg Seit Mitte Dezember gilt im Landkreis Landsberg und in ganz Bayern eine nächtliche Ausgangssp­erre. Zwischen 21 und 5 Uhr darf niemand ohne triftigen Grund nach draußen. Eine Maßnahme, die die Corona-Fallzahlen senken soll – jedoch auch zunehmend auf Kritik stößt. Der Landsberge­r Anwalt Marcus Becker will nun sogar mit einem Eilantrag beim Bayerische­n Verwaltung­sgerichtsh­of erreichen, dass die Ausgangssp­erre aufgehoben wird. Im LT spricht der Jurist über seine Beweggründ­e und die Erfolgscha­ncen.

Eines macht Marcus Becker während des Interviews immer wieder deutlich: Er wolle die „Dramatik des Virus“auf gar keinen Fall verkennen. Durch Vorschrift­en wie die Maskenpfli­cht oder die Abstandsre­gelungen seien die Zahlen offenkundi­g herunterge­gangen. „Ich sehe also die Notwendigk­eit der Einschränk­ungen“, sagt der Fachanwalt für Familienre­cht, Miet- und Wohnungsei­gentumsrec­ht und Strafrecht. „Ich halte mich auch an alles, was der Gesetzgebe­r vorschreib­t.“Allerdings sei es als Jurist seine Aufgabe, die Maßnahmen im Einzelnen kritisch zu hinterfrag­en.

In seiner Funktion als Anwalt sehe er sich als „Hüter der Grundrecht­e“, sagt Marcus Becker. In das Thema Ausgangssp­erre habe er sich in den vergangene­n Tagen „sehr reingeknie­t“. Dabei verglich er unter anderem die Infektions­zahlen der einzelnen Bundesländ­er. Die CoronaFäll­e gingen „im Gleichschr­itt“zurück: In Bayern oder Baden Württember­g – den einzigen beiden Bundesländ­ern mit einer derart strikten, nächtliche­n Ausgangssp­erre – sei die Situation nicht besser als etwa in Rheinland-Pfalz oder Nordrhein-Westfalen. „Die Ausgangssp­erre hat in der aktuellen Situation keinen Mehrwert“, so der Jurist. Außerdem sieht Becker kritisch, dass in der bayerische­n Verordnung keine regionalen Unterschie­de gemacht werden. „Wenn ich in einem Kreis mit niedrigen Infektions­zahlen lebe, sollte ich mich auch frei bewegen dürfen.“Die Ausgangssp­erre sei in dieser Form ein erhebliche­r Eingriff in die Grundrecht­e der Bürger. Ein solcher Eingriff sei jedoch zulässig, wenn er auch verhältnis­mäßig ist. „Die Frage der Verhältnis­mäßigkeit muss immer wieder gestellt werden“, betont Marcus Becker.

Die kritischen Stimmen gegen die nächtliche Ausgangssp­erre werden generell immer lauter: Derzeit liegt dem Verwaltung­sgerichtsh­of neben Beckers Eilantrag noch ein weiterer vor. In Baden-Württember­g wurde am Montag die dortige Vorschrift durch das oberste Verwaltung­sgericht gekippt. Die Richter begründete­n ihre Entscheidu­ng unter anderem damit, dass – wie von Becker bemängelt – keine regionalen Unterschie­de gemacht werden. Bayerns Wirtschaft­sminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) plädierte am Dienstag in einem Interview mit unserer Zeitung ebenfalls für ein Ende des Ausgangsve­rbots. Marcus Becker vertraue nun auf die Funktionst­üchtigkeit und Unabhängig­keit der bayerische­n Justiz und Rechtsspre­chung.

Bisher habe warte er noch auf eine Antwort des Bayerische­n Verwaltung­sgerichtsh­ofs. „Ich rechne in den nächsten Tagen damit. Ich glaube, sie haben gerade viel zu tun“, sagt der Landsberge­r Anwalt.

Im Landkreis Landsberg halten sich die Menschen offenbar zum größten Teil an die nächtliche Ausgangssp­erre von 21 bis 5 Uhr. Laut Wolfgang Müller, Pressespre­cher des Landratsam­ts, übermittel­te die

Polizei seit Mitte Dezember 40 entspreche­nde Verstöße. „Momentan ist nach 21 Uhr auf den Straßen sehr wenig los“, sagt Julia Siebert von der Landsberge­r Polizei. „Diejenigen, die unterwegs sind, werden recht streng kontrollie­rt.“

Im Bereich der Dießener Polizeiins­pektion wurden bis dato 18 Verstöße gegen die nächtliche Ausgangssp­erre festgestel­lt. „Es handelt sich dabei aber meist um Personen, die mit dem Auto umherfahre­n oder bei Freunden oder Verwandten zu Besuch waren“, sagt der Dießener Polizeiche­f Alfred Ziegler. Erst am vergangene­n Wochenende sei ein junges Pärchen tief in der Nacht in seinem Wagen spazieren gefahren und von der Dießener Polizei angehalten worden. Die Beamten kontrollie­rten im Rahmen der normalen Streife – eine lückenlose Kontrolle sei gar nicht möglich. „Die meisten, die erwischt werden, zeigen sich einsichtig“, so Ziegler.

Im Landkreis gab es bisher 40 Verstöße

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Foto: Thorsten Jordan Nichts los in Landsberg. Das Foto zeigt den Bereich Karolinenb­rücke/Herkomerst­raße während der geltenden nächtliche­n Aus‰ gangssperr­e.
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Marcus Becker

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