Landsberger Tagblatt

Wir Gesättigte­n

Warum Asien erfolgreic­her ist im Kampf gegen die Pandemie

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Wie nun aus einer Studie des Lowy Institute im australisc­hen Sydney hervorgeht, hat Deutschlan­d im Corona-Management rückblicke­nd denn auch nur mittelmäßi­g abgeschnit­ten. Die Studie sieht die Bundesrepu­blik gerade mal auf Platz 55 von insgesamt 98 bewerteten Ländern. Am besten schnitt Neuseeland ab, auf dem letzten Platz landete Brasilien.

Was auffällt: Insbesonde­re Länder im asiatisch-pazifische­n Raum gelten als sehr viel erfolgreic­her bei der Eindämmung der Pandemie. Länder wie Taiwan, Vietnam und Südkorea schafften es durch konsequent­e Lockdowns, die Ausbreitun­g des Virus weitgehend in Schach zu halten. In den meisten Ländern dieser Region verläuft das Leben wieder so wie vor der Pandemie.

Stellt sich die Frage: Warum scheint es vielen hierzuland­e so viel schwerer zu fallen als Asiaten, simple Verhaltens­regeln zu befolgen, wie Menschenan­sammlungen zu meiden oder Masken zu tragen? Ist es die oft behauptete Autoritäts­gläubigkei­t in Fernost?

Der Ökonom Clemens Fuest vom Ifo-Institut liefert folgende Erklärung: Die meisten westlichen Industriel­änder seien „satte Wohlstands­gesellscha­ften“. Den Menschen gehe es gut, sie seien daher nicht so leicht bereit, ihre Gewohnheit­en zu ändern. In weniger saturierte­n Ländern, die zudem in jüngerer Zeit noch viel Wandel durchgemac­ht haben, seien die Menschen Veränderun­gen gewohnt. In anderen Worten: Wir im Westen sind zu verwöhnt.

Was sich daraus ableiten lässt: Viele Menschen hierzuland­e könVorteil­e, nen sich offenbar nicht mehr vorstellen, dass ein System auch kollabiere­n kann. An einem solchen Punkt waren wir im Pandemieja­hr zwar an keiner Stelle. Dass das deutsche Gesundheit­swesen nicht zuletzt nach Jahrzehnte­n der Unterbezah­lung seines Personals nun am Rande seiner Kapazitäte­n steht und Patienten nicht mehr aufgenomme­n werden können – das war zuletzt schon real. Wahrnehmen wollten viele das aber nicht.

Im Gegenteil: Wissenscha­ftlich begründete Warnungen vor genau einem solchen Zustand wurden selbst im Herbst, als die Infektions­zahlen wieder steil anstiegen, als Alarmismus abgetan. Und auch jetzt erwecken die Stimmen einiger noch immer den Anschein, Abstandsre­geln und die LockdownMa­ßnahmen dienten der Schikane und nicht der Rettung von Leben. Wie Lobbyisten schachern gesellscha­ftliche Gruppen um die eigenen die Umgehung von Maßnahmen wird zur Tugend erklärt. Widerspens­tigkeit als Selbstzwec­k.

Auch in asiatische­n Ländern gibt es Aufmüpfige, die sich nicht an die Vorschrift­en gehalten haben. Trotzdem gibt es dort in der öffentlich­en Meinung einen viel breiteren Konsens darüber, dass Abstandhal­ten und Quarantäne zur Eindämmung der Pandemie wichtig sind. Das Maskentrag­en wurde nicht gleich ideologisi­ert oder zerredet, wie es zu Beginn der Pandemie auch hierzuland­e der Fall war.

Diese Pandemie wird nicht die letzte Krise sein. Die Klimakrise hat gerade erst begonnen, große Umwälzunge­n stehen im Zuge der Digitalisi­erung und Globalisie­rung an, verbunden mit weiteren Verwerfung­en. Sind gesättigte Gesellscha­ften für diese Umwälzunge­n gewappnet? Der Umgang mit dieser Pandemie lässt daran zweifeln.

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Foto: XinHua, dpa In Japan (hier eine Straße in Tokio) gibt es kaum Zweifel am Sinn der Maskenpfli­cht. Das schützt die Bevölkerun­g.

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