Chronistin, Lehrerin und vierfache Mutter
Barbara Federl beschäftigt sich mit der Geschichte von Eching. Mit 39 Jahren steht sie mitten im Leben und pflegt ein Hobby, das viel Zeit erfordert. Den Anstoß gab das Ortsjubiläum von 2015
„Nur wer weiß, woher er kommt, weiß, wohin er geht“, sagte der erste Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland, Theodor Heuss, einmal. Das Gedächtnis der Orte sind nicht zuletzt die Ortschronisten, die forschen und ihre Erkenntnisse teils veröffentlichen. Wir stellen in einer Serie die Ortschronisten im Landkreis vor.
Eching Was ein „Melfer“ist, dürften heutzutage die wenigsten wissen. „Melfer“lautet der Hausname der Feyrsingers in Eching. Die Urgroßeltern der Echinger Ortschronistin Barbara Christine Federl, geborene Feyrsinger, betrieben zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine sogenannte Brotniederlage, heute würde man sagen eine Bäckereifiliale, in der Brot vom „Mauserbäck“aus Inning verkauft wurde. „Melfer“bedeutet eigentlich Mehlhändler, erzählt Federl.
Eine dunkelgrüne Haustafel ist dort wie an weiteren 45 Häusern in Eching angebracht. Hier steht zum Beispiel, dass der Hausname „Melfer“erstmals im Jahre 1507 erwähnt wurde. Heute noch existiert das Schaufenster der früheren Bäckereifiliale. Die Haustafeln wurden 2015 erstellt, als Barbara Federl noch als Duo mit Vater Herbert Feyrsinger zusammen forschte.
Mit Brot und Mehl hat Federl beruflich nicht mehr zu tun. Die 39-Jährige ist als Sonderschullehrerin an der Schule am Luisenhof in Landsberg tätig und hat mit ihrem Ehemann zusammen vier Kinder im Alter von einem bis sieben Jahren. Ziemlich untypisch für jemand, der sich mit Heimatgeschichte beschäftigt, ist das doch ein sehr zeitaufwendiges Hobby, für das man eher im Ruhestand Zeit hat.
In die Ortschronistenarbeit ist sie 2013 hineingerutscht, denn da hatte sie gerade ihr erstes Kind geboren und „war zu Hause“. Ihr Vater, ein pensionierter Polizeibeamter, bat sie um Unterstützung beim Schreiben eines Heimatbuches. Bald wurde die Tochter von der Sekretärin zur Forscherin und legte etliche Nachtschichten für die Heimatforschung ein. Zum 950-jährigen Ortsjubiläum im Jahr 2015 war zunächst angedacht gewesen, eine klassische Chronik über Eching herauszubringen. Allerdings stellte sich schnell heraus, dass zwei Jahre Vorlauf auf Laienbasis nicht ausreichen würden. Deshalb entschied man sich für ein Heimatbuch mit verschiedenen
Aufsätzen zu Echinger Themen. Vater Feyrsinger wollte schon lange dem Hausnamen auf den Grund gehen, deshalb erhielt die Häuser- und Hofgeschichte einen größeren Umfang in dem 2015 erschienenen Buch „Eching am Ammersee – Die Geschichte eines Dorfes und die Geschichte seiner Häuser“.
Federl beschäftigte sich schon allein von Berufs wegen mit dem historischen Kontext der Echinger Schulgeschichte. Für das Heimatbuch erzählten gebürtige Echinger dem Vater-Tochter-Duo ihre Lebensgeschichte. Federl erinnert sich, dass diese Interviews ihre eigene Dynamik entwickelten und schon mal Zettel während des Gottesdienstes zugesteckt wurden oder sie bei den Dorfrunden mit dem Kinderwagen Feldforschung betrieb.
Schon kurz nach der Veröffentlichung des Buches kamen einige Leute auf die beiden Ortschronisten zu und boten Bilder, Unterlagen,
Karten und anderes Material an. Inzwischen hat Federl ein eigenes Archiv, digital und analog angelegt, das aus dem täglichen Leben immer wieder neues Material erhält.
So leitet Federl den Kirchenchor und dort versorgt sie eine Sängerin mit Geschichten, Anekdoten und Wissenswertem aus Eching. Auch erinnert sich die Chronistin gerne an frühere Blasmusikproben, als ältere Mitspieler Kuriosa aus der Echinger Geschichte zum Besten gaben.
Ahnenforschung war in der Familie Feyrsinger schon seit den 1980er-Jahren angesagt, auch Geschichte und Heimatkunde lernte sie als Kind bei der Erkundung von Sehenswürdigkeiten kennen.
Ein weiteres Hobby der vielseitig interessierten Lehrerin ist auch das Spinnen mit dem Spinnrad des Großvaters, der bis ins hohe Alter noch Wolle seiner eigenen Schafe versponnen hatte, und das Verstricken der Wolle. Zudem arbeitet sie seit 1996 ehrenamtlich in der Bücherei mit und übernahm 2017 den Vorsitz im Verein der Garten- und Blumenfreunde vom Vater.
Zwei Vorhaben, die noch mit ihrem Vater, der 2017 starb, angedacht wurden, liegen derzeit auf Eis. „Ich sammle weiter, schreibe vieles auf, bin weiterhin neugierig“, sagt Federl, aber es fehlt ihr ein Forschungspartner oder eine Forschungspartnerin. Vieles passiere nebenbei, Zeitungsartikel werden archiviert und mit Notizen „für später“versehen, berichtet Federl. Aufzeichnungen früherer Lehrer zur Schulgeschichte, die Publikationen von Altbürgermeister Hubert Mahler, das Gemeindearchiv, die Handschriften Echinger Pfarrer zur Dorfhistorie, die im bischöflichen Archiv in Augsburg konserviert werden, und die allgemein zugänglichen Archive bieten jede Menge Stoff.
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Federl eine Zeitreise ins Jahr 1898, als die Urgroßeltern das Anwesen, das später ihr Elternhaus wurde, kauften. Zudem begann Pfarrer Franz Xaver Wenger, Ehrenbürger von Eching, 1895 mit dem Schreiben von Tagebüchern, die detailliert das Leben und die Leute schildern. Ihm würde Federl gerne einen Besuch abstatten und ihm erzählen, wie sich das Dorf entwickelt hat und was aus seinen gepflanzten Apfelbäumen wurde.
Als Heimatforscherin denkt Federl in langen Zeiträumen, einen Erscheinungstermin für ein weiteres Buch hat sie noch nicht festgelegt, schließt ein solches aber nicht aus. So hält sie „ihre Ohren offen für aussterbende Begriffe, die nicht mehr im Gebrauch sind“.
Auch die drei Schulhäuser in Eching sind für sie bedeutende Orte, in denen viel Ortsgeschichte steckt. Und ganz aktuell gibt es in der Pandemie noch einen Bezug zur Kapelle am Anger St. Sebastian, die die Echinger 1650 als Votivgabe zur Abwendung der Pest errichteten.