Trotz Maskenbefreiung nicht in den Supermarkt?
Es gibt nur sehr wenige Patienten, für die das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes problematisch ist. Welche Krankheiten ein gewisses Risiko bergen und was der Bayerische Einzelhandelsverband Betroffenen rät
Augsburg Länger als eine Minute halte sie die Maske nicht aus. Sie bekomme sofort Atemnot, Panikattacken und Flashbacks, furchtbare Erinnerungen werden also geweckt. Erinnerungen an die Gewalttat, deren Opfer sie in ihrer Jugend wurde. Für die 60-Jährige, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen möchte, ist das Tragen einer Maske nicht möglich, sagt sie. Sie befinde sich in Therapie, habe einen Schwerbehindertenausweis und ein Attest, dass sie keine Maske tragen kann. Dennoch gebe es immer wieder Probleme, wenn sie in den Supermarkt zum Einkaufen gehen will. Ist unsere Leserin ein Einzelfall? Welche Krankheiten führen zu einer Befreiung von der Maskenpflicht? Und wie geht der Handel damit um?
Die 60-Jährige ist verärgert. Sie fühlt sich „ohnmächtig“den Regeln ausgesetzt. Denn es gehe nicht nur ihr so, berichtet sie. Gerade Menschen, denen man ihre schwere Erkrankung nicht ansieht, nehme man ihre Probleme nicht ab. „Wir werden einfach zu den Maskenverweigerern gezählt.“Sie selbst ertrage es einfach nicht, eine Maske zu tragen. Ihre Hausärztin habe ihr ein Attest ausgestellt, dennoch sei sie wiederholt aus Geschäften verwiesen worden. Auch die Tatsache, dass in einem Attest die exakte Diagnose stehen muss, hält sie für „ungeheuerlich – wo bleibt denn da der Datenschutz?“Außerdem stelle man damit ihrer Ansicht nach die Ärzte doch unter Generalverdacht.
Dr. Jakob Berger sieht die Ärzte nicht unter Generalverdacht gestellt. „Denn es gibt wirklich nur sehr wenige Erkrankungen, die eine Befreiung der Maskenpflicht überhaupt begründen“, sagt der schwäbische Bezirksvorsitzende der bayerischen Hausärzte. „Dazu gehören schwere psychische Erkrankungen, also etwa massivere Angsterkrankungen. Aber auch starkes Asthma, chronisch obstruktive Lungenerkrankungen und eine schwere Herzinsuffizienz können eventuell zu Problemen mit Masken führen.“Wobei auch bei den drei genannten körperlichen Erkrankungen für den erfahrenen Hausarzt, der in Herbertshofen im Landkreis Augsburg seine Praxis hat, feststeht: „Gerade Menschen mit diesen Erkrankungen sollten eigentlich eine Maske tragen, weil sie ja besonders gefährdet sind.“Berger hebt hervor, dass das Tragen der Maske keine lästige Pflicht, „sondern wirklich ein guter Schutz ist“. Auf ihn kommen nur extrem wenige Patienten mit der Bitte um ein Attest zu.
Dennoch hört man immer wieder von Ärzten, die offenbar sehr bereitwillig Atteste zur Maskenbefreiung ausstellen. Dem widerspricht Berger im Gespräch mit unserer Redaktion entschieden: „Wir Ärzte gehen mit Attesten für eine Maskenbefreiung sehr restriktiv um. Dazu sind wir angehalten und daran halten wir uns auch. Zumal ein falsch ausgestelltes Attest straf- und berufsrechtliche Konsequenzen haben kann.“Die Berufsverbände haben darauf klar hingewiesen.
empfiehlt Dr. Berger auch gehörlosen Menschen, die auf die Mimik und Gestik des Gegenüber im Gespräch angewiesen sind und die sich nun mit den Masken natürlich sehr schwer tun, sich aus Infektionsschutzgründen nicht generell von der Maske befreien zu lassen: „Hier ist es doch sinnvoller, die Maske ganz kurz beim Gespräch abzunehmen“, sagt Berger.
Menschen, die aufgrund einer schweren Erkrankung wirklich keine Maske tragen können, rät Berger doch zu erwägen, jemanden zu bitten für sie einzukaufen. Zu hoch sei die Ansteckungsgefahr, zu wichtig der Infektionsschutz. „Außerdem haben Ladenbesitzer das Hausrecht und können Kunden trotz des Attests des Marktes verweisen.“
Kunden, die ohne Maske den LaÜbrigens den betreten, sind nach Angaben von Bernd Ohlmann vom Bayerischen Handelsverband eine kleine Minderheit. Dennoch nimmt Ohlmann die Probleme dieser Menschen sehr ernst: Er wisse, dass es beispielsweise Menschen gibt, die aufgrund schwerer traumatischer Ereignisse keine Maske tragen können. Dafür habe er Verständnis. Ihnen rät er, nicht einfach ohne Maske das Geschäft zu betreten, sondern im Vorfeld das Gespräch mit dem Geschäftsführer oder einer Mitarbeiterin, einem Mitarbeiter zu suchen und den Hintergrund vertrauensvoll zu klären. Dann kann beispielsweise ein Mitarbeiter des Supermarktes die gewünschten Produkte holen und übergeben. Oder man verständige sich auf ein Zeitfenster, in dem im Laden sehr wenig Kundenfrequenz herrscht. Ohlmann bittet um Verständnis, dass viele Geschäftsführer es nicht zulassen, dass ihre Ladenräume selbst mit einem Attest ohne Maske betreten werden, da sich in diesem Fall sofort Kunden beklagen würden. „Aber ich bin überzeugt davon, dass es immer Lösungen gibt, wenn man miteinander spricht.“