Kein Fasching – warum dann fasten?
Heute beginnt die Fastenzeit. Experten aus Dießen erklären, dass es in der ohnehin entbehrungsreichen Corona-Zeit nicht um Verzicht gehen muss. Sondern darum, wie man etwas für Körper, Geist und Umwelt tun kann
Dießen Nach üppigen Weihnachtsessen und Faschingsfeiern mit Kesselfleisch, Krapfen und reichlich Alkohol bietet die Fastenzeit in der Regel Gelegenheit, den Konsum etwas herunterzuschrauben und sich auf eine ausgewogene Lebensweise zu besinnen. Doch ist das auch im Corona-Jahr so? Die vergangenen zwölf Monate waren alles andere als ein Genuss im Überschwang. Sie waren vielmehr geprägt von Entbehrungen, mit eingeschränkten sozialen Kontakten und weniger Konsum. Wie also die 40 Tage von Aschermittwoch bis Ostern sinnvoll nutzen? Das Landsberger Tagblatt hat nachgefragt.
Der Dießener Pfarrer Josef Kir chensteiner bringt es auf den Punkt: „Wir befinden uns doch irgendwie alle in einer Dauerfastenzeit.“Der Geistliche bezieht sich dabei in erster Linie auf die Einschränkungen im zwischenmenschlichen Bereich. Er selbst werde versuchen, in der Fastenzeit noch bewusster zu leben, als er es ohnehin tue. Fastenzeit bedeutet für viele Gläubige auch, an Exerzitien teilzunehmen. Auch in der Pfarreiengemeinschaft Dießen werden üblicherweise solche Exerzitien angeboten. „Ob wir in diesem Jahr ein Angebot machen können, kann ich noch gar nicht sagen“, so Kirchensteiner. Onlineveranstaltungen, wie sie in vielen anderen Bereichen angeboten werden, seien derzeit keine Alternative. Selbst der
Gottesdienst am Aschermittwoch (ab 18 Uhr im Marienmünster) wird anders aussehen als üblich.
„Aufgrund der Pandemie kann die Aschenauflegung nicht wie gewohnt stattfinden. Wie die letzten Jahre feiern wir einen Wortgottesdienst. Nach der Ansprache wird die Asche gesegnet“, ist im aktuellen Pfarrbrief zu lesen.
Fasten muss aber nicht immer einen religiösen Hintergrund haben, viele nutzen die 40 Tage bis Ostern auch, um dem Körper Gutes zu tun und überflüssige Pfunde loszuwerden. Das funktioniert auch in Corona-Zeiten, bestätigt Simone Cardina le vom Fitness- und Gesundheitsstudio Ammerfit/FT-Box in Dießen. Als Ausgleich zur häufig sitzenden Tätigkeit im Homeoffice treiben Frauen und Männer während der Pandemie online über Livekurse Sport, um den Körper in Form zu halten. Mitglieder und Nichtmitglieder haben dabei gleichermaßen Gelegenheit, sich auszupowern oder auch an Yoga- und Pilatesstunden teilzunehmen. Wer möchte, kann auch auf eine große Auswahl an Kursen aus der Videothek zurückgreifen.
Über dieses Angebot hinaus hält das Studio Kontakt zu den Mitgliedern, erstellt Trainingspläne, leitet bei der Durchführung der Übungen online an und bietet auch Einzeltrainings an. „Wir sind erfinderisch geworden“, sagt Simone Cardinale. Teile der Sportgeräte seien an die Mitglieder verliehen worden.
„Viele sind down durch den Lockdown“, sagt die Fitnesstrainerin. „Normalerweise ist die Motivation
viel höher, etwas für sich selber zu tun“, beobachtet sie. Derzeit hätten die Menschen andere Probleme. Durch die fehlende Gemeinschaft beim Training fehle den Sportlern häufig der Ansporn, sich körperlich zu betätigen. Deshalb rät sie, sich nicht unterkriegen zu lassen und sich gedanklich nicht auf das zu beschränken, was man gerade nicht machen kann, sondern die verbleibenden Möglichkeiten in den Vordergrund zu stellen und etwa beim Nordic Walking zu telefonieren oder in getrennten Haushalten gemeinsam Fitnessübungen zu machen und sich über Video „wenigstens akustisch“nah zu sein.
Und wie können Kinder fasten? Sollen sie in Zeiten von Homeschooling und Onlineunterricht in der Freizeit bewusst auf die Sozialen Medien verzichten und das Smartphone öfter mal aus der Hand legen? Für die Kinder- und Jugendärztin Dr. Kirsten Wenner aus Dießen ist das keine Option. „In einer Zeit, in der kaum Kontakte stattfinden können, Kindern und Jugendlichen auch noch den Verzicht aufs Handy abzuverlangen, ist kontraproduktiv“, sagt sie. Natürlich müsse dem Kind ein gesunder Umgang mit dem Smartphone aufgezeigt werden und es bei der Nutzung begleitet werden. Doch den Konsum gerade jetzt einzuschränken, passe gar nicht. Das Handy sei „immens wichtig“, damit Kinder mit ihren Freunden im Kontakt bleiben könnten.
Wenner rät Familien, die Fastenzeit dazu zu nutzen, sich bewusst zu machen, welche Entbehrungen jedem Einzelnen gerade abverlangt werden, und was sie am liebsten tun würden. Denn sie beobachtet, wie sehr Kinder und Jugendliche unter der Kontaktbeschränkung leiden. Einige entwickelten Ängste, die sich beispielsweise in einen Waschzwang zeigten. Oder sie vermeiden es, ihre Großeltern zu besuchen, um sie nicht in Gefahr zu bringen. Es gelte, Zuwendung und Verständnis zu zeigen und Ideen für eine abwechslungsreiche Freizeit zu entwickeln.
Fasten und gleichzeitig die Umwelt schützen – auch das kann ein Anreiz sein, ab Aschermittwoch etwas zu ändern. Plastikfasten heißt das Stichwort. Miriam Anton und Sonja Maria Kröner geben ein paar Tipps: „Am einfachsten gelingt der Einstieg ins Plastikfasten, indem man auf den Kauf von Getränken in Plastikflaschen verzichtet“, sagt Anton und hat weitere Tipps: Statt mit Frischhaltefolie Lebensmittel mit einem Tuch abdecken oder mit Bienenwachstüchern schützen, feste Seife statt Flüssigseife verwenden oder auch beim Kleidungskauf auf polyesterhaltige Stoffe verzichten. Anton und Kröner haben in Dießen die „Initiative Plastikfasten“ins Leben gerufen. Sie sagen: „Wenn jeder nur einen kleinen Beitrag leistet, sparen wir gemeinsam viele Tonnen an Plastikverpackungen ein.“
„Viele sind down durch den Lockdown.“
So geht das Plastikfasten