„Singen ist seelenrelevant“
Die evangelische Kirchengemeinde in Kaufering hat für jeden Geschmack und jedes Alter einen passenden Chor. Während der Krise haben es Sänger und Chorleiter aber schwer, gemeinsam zu musizieren. Jeder löst das auf seine Weise
Sie heißen beispielsweise „Gemütlichkeit“, „Frohsinn“, „Fröhlichkeit“– doch von alldem war in den vergangenen Monaten nichts zu spüren. Die Rede ist von den Chören im Landkreis Landsberg. In einer Serie stellen wir sie vor.
Kaufering Die evangelische Gemeinde in Kaufering hat zwar nur eine kleine Kirche, aber dafür umso mehr Chöre. Die gehen unterschiedlich mit den Einschränkungen in der Corona-Krise um – das LT hat bei den Leitern von Kinder-, Gospel- und Kirchenchor nachgefragt, wie.
„Wir proben jede Woche, aber nur online, über Zoom“, berichtet Silvia Elvers, die den Kinder und Ju gendchor leitet. Dafür muss sie sich um sechs Gruppen mit insgesamt 130 Kindern kümmern. Die bekommen Übe-Dateien und Playbacks von Elvers, zu denen sie singen können. Im Gegenzug schicken sie ihre eigenen Aufnahmen zurück. Gemeinsam in einer Videokonferenz zu singen, gehe leider nicht, sagt Elvers,
die Übertragung sei etwas verzögert.
Die Kinder nehmen das Onlineangebot unterschiedlich an: „Die Fünfjährigen sind immer alle da, sie haben das Chorerlebnis noch gar nicht richtig kennengelernt. Wir haben ja nur im Herbst ein paar Proben zusammen gehabt, seitdem hat alles online stattgefunden.“Den Älteren, die schon bei Konzerten mitgesungen haben, fehlten die Chorproben gewaltig. „Ich versuche immer, kleinere Gruppen zusammenzubringen“, sagt Elvers. Das Krippenspiel an Weihnachten hat sie so retten können: „Am 22. Dezember wären Auftritte nur mit zwei Kindern möglich gewesen. Stattdessen haben wir das Krippenspiel Anfang Januar mit sehr kleinen Gruppen gefilmt und die Videos für Youtube zusammengeschnitten.“So sei dann wenigstens virtuell ein gemeinsamer Auftritt herausgekommen.
„Wir halten uns mit Videochorproben über Wasser“, erzählt auch Manfred Klein, der Leiter des Gos pelchors. Etwa einmal pro Monat drehe er zu Hause ein Video, zu dem die Sänger üben können. „Ich setze mich ans Klavier und stelle ein Lied vor, dann lade ich es auf Youtube hoch.“Damit habe er Ende März 2020 angefangen. Auch er würde lieber per Videoschalte mit seinem Chor üben, was aber am zeitlichen Versatz bei der Übertragung scheitere. Und noch etwas spricht gegen kompliziertes Einwählen in Onlinekonferenzen: „Ich möchte alle Sänger mitnehmen, auch diejenigen, die technikaffin sind. Und mit Youtube kommt jeder zurecht.“
Einzelne Sänger hätten zwar während der Pandemie Gottesdienste mitgestaltet, aber als Chor sei das derzeit nicht möglich – der habe 80 Mitglieder. Im September und Oktober habe er die Mitglieder in drei Gruppen eingeteilt und kurzzeitig Proben mit diesen kleineren Gruppen durchgeführt, aber bevor die dritte Gruppe zum Zug gekommen sei, habe es schon wieder stärkere Einschränkungen gegeben.
„Der Hauptgrund, aus dem die Leute in den Gospelchor kommen, ist das Zusammensein und der Austausch mit anderen. Das kann man online nicht ersetzen“, bedauert Klein. Trotzdem seien die Sänger dem Chor bisher treu geblieben, seit Beginn der Pandemie habe es keine einzige Abmeldung gegeben.
Der Chorleiter hofft, dass er mit seinen Sängern in einem größeren Raum als dem des Thomas-MorusHauses üben kann, wenn es mit den Proben wieder losgeht. Bei der letznicht ten Öffnung seien die Sporthallen allerdings alle ausgebucht gewesen. Dass man bald wieder gemeinsam singen kann, wünscht er sich sehr: „Die Chöre sind zwar in der öffentlichen Wahrnehmung nicht stark vertreten, aber sie sind für die Gesellschaft extrem wichtig. Singen ist nicht systemrelevant, aber seelenrelevant.“
Obwohl der Kirchenchor unter Leitung von Harald Spengler nur 14 Mitglieder hat, tut er sich nicht leichter beim Organisieren von Proben in der Krise: „Dieses Jahr haben wir noch gar nicht geprobt“, sagt Spengler. Man habe vor den Sommerferien den Betrieb wieder aufgenommen und mit zwei Metern Abstand im Gemeindesaal gesungen. „Für den Totensonntag hatte ich ein schönes Programm gemacht, dann kamen aber schon wieder strengere Vorschriften. Deswegen konnten wir nicht mit dem ganzen Chor auftreten, es waren nur noch fünf Personen erlaubt, und so haben wir dann gesungen.“
Als danach die Einschränkungen noch stärker geworden seien, hätten die Auftritte an Weihnachten und
Das Krippenspiel wurde gerettet
Es fehlt die Perspektive
Neujahr ganz ausfallen müssen – „da wären wir einfach zu schwach besetzt gewesen.“
Spengler vermisst eine Perspektive, es sei unklar, wann die nächste Probe stattfinden könne. „Ich bin auch Blasmusiker, da fällt ebenfalls alles aus. Und ohne Auftritt geht auch die Motivation zum Üben verloren. Das betrifft auch meine Arbeit für den Chor: Ich schaue gerade keine Literatur durch, plane keine neuen Abläufe. Es fehlt ein Ziel, um wieder anzugreifen.“
Sein Chor zeichne sich auch durch die Chorgemeinschaft aus, aber das soziale Miteinander falle gerade völlig weg. Über ein Jahr sei inzwischen verstrichen, und er hofft, dass er und die Sänger irgendwann da weitermachen können, wo sie aufgehört haben. Bis dahin gibt sich Leiter Harald Spengler zuversichtlich: „Sonst stehen immer wir vor der Gemeinde und singen den Leuten Mut zu. Jetzt müssen die Liedertexte uns eben selber durch die Krise tragen.“