Politik statt Seifenoper
Caitlyn Jenner wird als William Bruce geboren. Jahrzehnte später lässt sie ihr Geschlecht umwandeln. Jetzt will der TV-Star Gouverneurin von Kalifornien werden
Promis, die wie aus dem Nichts nach einem politischen Amt streben, sind – vor allem in den USA – nichts Ungewöhnliches. Da gab es beispielsweise Schauspieler Arnold Schwarzenegger, der 2003 in Kalifornien zum Gouverneur gewählt wurde. Oder man erinnert sich an den US-Rapper und mittlerweile Ex-Ehemann von Reality-TVStar Kim Kardashian, Kanye West, der vergangenes Jahr Präsident der Vereinigten Staaten werden wollte. Er verpasste damals einige Anmeldefristen – was ihn jedoch nicht davon abhielt, sich selbst zu wählen.
Aus dem Kardashian-Clan strebt jetzt ein weiteres Familienmitglied nach einer politischen Karriere. Caitlyn Jenner, sozusagen die ExStief-Schwiegermutter Wests. (Wer hier schon nicht mehr durchblickt – keine Sorge, die Töchter spielen dieses Mal keine Rolle.) Die 71-jährige Caitlyn Jenner hat vor wenigen Tagen ihre Kandidatur als Gouverneurin für Kalifornien publik gemacht. Sie fordert den bisherigen Amtsinhaber Gavin Newsom heraus, dem unter anderem wegen eines Geburtstagsdinners mit Lobbyisten inmitten der Pandemie die Abwahl droht.
Jenner ist nicht nur als Mitglied der reichen Familie bekannt, die ihr Privatleben im Fernsehen ausbreitet, sondern holte in den 70er Jahren olympisches Gold im Zehnkampf – als William Bruce Jenner. In den 80ern begann die in New York als Mann geborene Jenner dann den
Prozess der Geschlechtsangleichung. Während ihrer Wandlungsphase lernte sie – noch als Mann – Kris Kardashian kennen. Die beiden heirateten. Im Juni 2015 gab Jenner als Trans-Frau ihren neuen Namen bekannt. Zur vollzogenen Geschlechtsumwandlung gratulierte sogar das Weiße Haus unter Barack Obama. Viel scheinen die beiden jedoch nicht gemein zu haben: Caitlyn Jenner ist leidenschaftliche Republikanerin und unterstützte Donald Trump im Wahlkampf. Ob der abgewählte ExPräsident nun im Gegenzug aus einer „Caitlyn for California“-Tasse trinken wird, ist zu bezweifeln. Bei seinen ehemaligen Unterstützern ist die Wahrscheinlichkeit
größer. Jenner soll sich im Frühjahr mit den Mitarbeitern getroffen haben, die Trump 2016 zum Präsidenten machten.
Währenddessen hoffen einige Kalifornier immer noch, Jenners Gouverneursidee sei nur ein Scherz. So kommentieren Nutzer in den sozialen Medien, der erste April sei doch schon vor ein paar Wochen gewesen.
Vor allem aus der LGBTQ-Gemeinschaft, dem Zusammenschluss Homosexueller, Bisexueller und Transgender, hört man laute Kritik statt Unterstützung. Die Gruppierung, zu der sich Jenner aufgrund ihrer Geschlechtsumwandlung selbst zählt, hat nur wenig Verständnis für die teils veralteten und konservativen Ansichten der 71-Jährigen. Erst kürzlich soll Jenner transsexuelle Mädchen diskriminiert haben. Sophia Huber