Landsberger Tagblatt

„Wir müssen gegen fanatische Intoleranz vorgehen“

Bayerns CSU-Innenminis­ter Joachim Herrmann erklärt, wie die Bundesländ­er den Kampf gegen Antisemiti­smus verstärken wollen. Und warum er in anderen Bereichen der Innenpolit­ik vor voreiligen Schlüssen aus der Pandemie warnt

- Interview: Michael Pohl

Die Innenminis­ter der Bundesländ­er wollen antisemiti­sche Straftaten präziser erfassen, nachdem offenbar viele Fälle von Antisemiti­smus arabischer Herkunft pauschal als rechtsextr­em erfasst wurden. Reicht das aus, um das Problem anzugehen?

Joachim Herrmann: Es ist wichtig, dass wir den islamistis­chen Antisemiti­smus klar als solchen wahrnehmen und auch beim Namen nennen. Wir haben beim jüngsten Konflikt zwischen der Hamas im Gazastreif­en und Israel feststelle­n müssen, dass es nicht wenige islamistis­che Antisemite­n in Deutschlan­d gibt. Antisemiti­smus ist in jeder Form unerträgli­ch. Wir müssen deshalb die Prävention in diesem Bereich verstärken. Ich weise aber ausdrückli­ch darauf hin, dass keineswegs alle Muslime in unserem Land des Antisemiti­smus verdächtig sind. Viele in den islamische­n Gemeinden legen sehr bewusst Wert auf die Toleranz gegenüber anderen Religionsg­emeinschaf­ten, gerade auch gegenüber der jüdischen Gemeinde.

Reichen die bestehende­n Gesetze aus oder sehen Sie Nachbesser­ungsbedarf? Herrmann: Wir müssen dort, wo wir es mit fanatische­r Intoleranz zu tun haben, konsequent dagegen vorgehen. Wir haben auf den jüngsten Demonstrat­ionen erleben müssen, dass hier sehr viel Hass auf Juden und Hetze gegen Israel geäußert wurde. Wir müssen solche Leute vor Gericht stellen. In diesen Kontext gehört auch, dass wir die Möglichkei­t schaffen, die Verwendung der Hamas-Fahne, die letztendli­ch ein antisemiti­sches Symbol ist, zu unterbinde­n. Ich setze mich dafür ein, die Verwendung von Symbolen einer von der EU als terroristi­sch eingestuft­en Organisati­on künftig unter Strafe zu stellen.

Auch mit Blick auf Straftäter und Gefährder wurde nicht zuletzt auf Druck Bayerns der Abschiebes­topp nach Syrien aufgehoben. Warum ist ein halbes Jahr danach noch niemand nach Syrien zurückgesc­hickt worden? Herrmann: Ich bin ganz klar der Auffassung, dass Personen, die sich schwer strafbar gemacht haben und die eine Gefährdung für unsere Bevölkerun­g sind, schnell wieder außer Landes gebracht werden. Leider weigert sich der Bundesauße­nminister, sich darum in irgendeine­r Weise zu kümmern, und erklärt, Abschiebun­gen nach Syrien seien nicht möglich, zumutbar oder vertretbar. Man tut im Auswärtige­n Amt so, als wäre Syrien ein unerreichb­ares Land. Auch wenn es keinen Direktflug nach Syrien gibt, fliegen jeden Tag Menschen über Umsteigeve­rbindungen auch aus Europa hin und her. Ich kann kein ethisches Problem erkennen, einen bekennende­n Assad-Anhänger, der in Deutschlan­d eine Gewalttat begangen hat, wieder in seine syrische Heimat zurückzusc­hicken. Aber uns droht Gefahr, wenn wir solche Leute in unserem Land lassen. Wir werden deshalb nicht müde, vom Bundesauße­nminister zu verlangen, dass Mittel und Wege gesucht werden, um gefährlich­e Personen in unterschie­dliche Regionen Syriens zurückzubr­ingen.

Ein großes Thema bei der Innenminis­terkonfere­nz werden diese Woche die Lehren aus der Pandemie sein. Auch hier gibt es einen Konflikt mit dem Bund, wenn es darum geht, ob das Bundesamt für Bevölkerun­gsschutz und Katastroph­enhilfe mehr Kompetenze­n bekommen soll. Warum warnen Sie dabei vor voreiligen Schlüssen? Herrmann: Ich meine, dass Deutschlan­d insgesamt die Krise bislang ganz gut gemeistert hat, auch wenn im Einzelfall da und dort Fehler gemacht worden sind. Es gab auch Themen, die beim Bund beheimatet waren, wie zum Beispiel die Beschaffun­g von Impfstoff in der Anfangspha­se, die auch kein Ruhmesblat­t waren. Es hat aber keinen Sinn, den Schwarzen Peter hin und her zu schieben. Wir brauchen deshalb auch keine grundsätzl­iche Veränderun­g der Zuständigk­eiten. Unabhängig von Corona brauchen wir aber auf jeden Fall eine bessere Koordinier­ung in Katastroph­en-Großlagen zwischen Bund und Ländern. Wir müssen hier die Chancen der Digitalisi­erung nutzen, um die Informatio­nen und das Meldewesen zu verbessern. Egal ob Erdbeben, Hochwasser, Flugzeugab­sturz oder ein großes Eisenbahnu­nglück: Wir brauchen schnelle optimale Informatio­nen und eine gute Koordinier­ung.

Hier können wir besser werden und können beim Bundesamt eine Koordinier­ungsmöglic­hkeit für den Bund und die von einer Katastroph­e betroffene­n Länder schaffen.

Aber auch der Ex-Innenminis­ter Thomas de Maizière hat kürzlich nicht weniger als eine „Revolution“gefordert, um die Krisenfest­igkeit zu stärken und den Katastroph­enschutz auf Bundeseben­e zu konzentrie­ren. Sehen Sie das anders?

Herrmann: Ich bin sehr dafür, dass wir überall sehr genau analysiere­n, wo wir noch besser werden können. Aber wenn ich mich zum Beispiel an die extreme Flüchtling­ssituation von 2015 erinnere: Damals hat der Bund sozusagen die Einreise erlaubt und die Arbeit haben dann die Länder gemacht. Bei aller Wertschätz­ung: Ich halte den Eindruck für nicht belegbar, mit mehr Kompetenze­n des Bundes hätte man all die Situatione­n der vergangene­n Jahre besser bewältigen können. Der Föderalism­us ist insgesamt leistungsf­ähig. Und in den vergangene­n eineinhalb Jahren gab es gerade in zentralist­isch geführten Ländern wie zum Beispiel Frankreich oder Großbritan­nien massive Kritik am jeweiligen Krisenmana­gement.

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Foto: Wagner Bayerns Innenminis­ter Joachim Herr‰ mann kritisiert den Bund.

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