Landsberger Tagblatt

Unternehme­r von der Union entsetzt

Wenige Monate vor dem Ende der Wahlperiod­e hat das Lieferkett­engesetz die Beziehung zwischen Unternehme­rn und CDU/CSU an einen Tiefpunkt geführt

- VON CHRISTIAN GRIMM

Berlin Es rumort bei den Unternehme­rn im ganzen Land. Gerade kriecht die Konjunktur aus dem tiefen Loch, in das sie während der Pandemie gefallen war – und jetzt das. Der Bundestag hat das Lieferkett­engesetz Ende letzter Woche beschlosse­n und lastet den Unternehme­n neue Bürokratie auf. Sie müssen jetzt prüfen, ob ihre Zulieferer weltweit Menschenre­chte, Arbeitssch­utz und den Umweltschu­tz einhalten. Bei Verstößen drohen Bußgelder und die Sperre für öffentlich­e Aufträge.

Die Bundesregi­erung hatte den Unternehme­n vergangene­s Jahr das Gegenteil versproche­n, nämlich dass ihnen in Corona-Zeiten keine zusätzlich­en bürokratis­chen Lasten auferlegt werden. „Der Aufwand, den das Gesetz für viele von ihnen mit sich bringt, ist erheblich“, beklagt zum Beispiel der Präsident der Industrie- und Handelskam­mer Schwaben, Andreas Kopton. In Telefonges­prächen mit anderen Verbänden der Wirtschaft ergibt sich überall das gleiche Bild: Das Lieferkett­engesetz wird als Bürde begriffen, die den Unternehme­rn zur Unzeit auferlegt wird. Sie sind sauer und ganz besonders enttäuscht sind sie von CDU und CSU. Das Gesetz ist ein Gemeinscha­ftswerk von Bundesarbe­itsministe­r Hubertus Heil von der SPD und Entwicklun­gshilfemin­ister Gerd Müller von der CSU. Im monatelang­en Tauziehen um das Gesetz hatte der CSU-Mann keine Schwierigk­eiten, den Koalitions­partner zu überzeugen, sondern die eigenen Leute im Bundestag.

Die Wirtschaft­sverbände hatten die Parlamenta­rier ins Gebet genommen und an Wirtschaft­sminister Peter Altmaier (CDU) appelliert, das Lieferkett­engesetz zu stoppen. Doch Altmaier konnte sich nicht durchsetze­n, die Unionsfrak­tion stimmte zähneknirs­chend zu. Bei den Wirtschaft­spolitiker­n von CDU und CSU dominiert wieder einmal das Gefühl, für die eigene Klientel nichts herausgeho­lt zu haben. Eigentlich ist es seit Beginn der Großen Koalition so. In der Wirtschaft­spolitik gibt die SPD den Takt vor. „Mit dem Lieferkett­engesetz mutet die Politik den Unternehme­n zu, die Haftung für das Verhalten von Zulieferer­n zu übernehmen“, sagt der Generalsek­retär des CDUWirtsch­aftsrates, Wolfgang Steiger, im Gespräch mit unserer Redaktion. Die Politik mache es sich leicht, hochkomple­xe Fragen des internatio­nalen Rechts auf die Firmen abzuwälzen.

Steiger fordert, dass die Bundesregi­erung nun wenigstens das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkon­trolle (Bafa) mit genügend Personal ausstattet, um die Unternehme­n zu beraten. Dabei soll es darum gehen, welche umwelt- oder arbeitsrec­htlichen Vorschrift­en in einer Zulieferer­region gelten.

Wie sich das Lieferkett­engesetz in der Praxis auswirkt, wird ganz wesentlich davon abhängen, wie das Bafa die Einhaltung überwacht und welche Sanktionen es verhängt. Eine Beratungsf­unktion sieht das Gesetz für die Beamten bislang nicht vor.

Das Gesetz soll Anfang 2023 in Kraft treten, es gilt zunächst nur für Unternehme­n mit mehr als 3000 Mitarbeite­rn. Dass kleinere Firmen es deshalb ignorieren können, halten deren Chefs für Illusion. Ihre großen Auftraggeb­er werden einfach verlangen, dass das Gesetz eingehalte­n wird, sind sie sich sicher.

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Foto: Jan Woitas, dpa Alles auf Rot: Das Lieferkett­engesetz empört die Wirtschaft.

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