Bereit zum Abheben
Auch der Flughafen München hat harte Zeiten hinter sich. Langsam geht es aufwärts. Die Passagiere kommen zurück, mehr und mehr Ziele werden angeflogen. Aber bis zum Vorkrisenniveau ist noch viel Luft nach oben
München Blick auf die Abflugtafel am Flughafen München. Croatia Airlines fliegt nach Split, Aegean nach Thessaloniki, die Lufthansa nach Göteborg, Aeroflot nach Moskau. Dazu die beliebteste Verbindung: MUC – Palma de Mallorca. Man könnte meinen: alles wie früher. Oder?
Nein, so ist es noch lange nicht. Auch wenn Flughäfen nach wie vor Sehnsuchtsorte sind, das Fernweh wohl lange nicht mehr so groß (und ungelindert) war wie jetzt, und auch wenn die Abflugziele schon wieder globale Möglichkeiten verheißen, sagt Oliver Dersch, Leiter der Abteilung Verkehrsentwicklung des Flughafen München: „Wir gehen davon aus, dass wir das Vorkrisenniveau frühestens 2024 wieder erreichen werden.“Zwar seien die Passagierzahlen inzwischen auf rund 200000 pro Woche gestiegen. Vor Corona waren es allerdings rund 900000 pro Woche (40 Prozent davon Geschäftsreisende). Da ist also noch viel Luft nach oben.
2020 hat die Flughafen München GmbH einen Verlust in Höhe von 320 Millionen Euro gemacht. Im Rekordjahr 2019 hatte man noch 178 Millionen Euro Gewinn verbucht. Von den rund 10000 Flughafen-Mitarbeitern sind noch immer 7500 in Kurzarbeit. Es wird Personal abgebaut, gespart. Die Anzahl der Starts und Landungen ging 2020 um mehr als 270000 auf rund 147000 zurück: ein Minus von knapp 65 Prozent. Das Cargoaufkommen erreichte im vergangenen Jahr nur noch rund 151000 Tonnen, mehr als die Hälfte weniger im Vergleich zu 2019.
Bis der Flughafen wieder Vorkrisenniveau erreicht, wird es noch dauern. Wer durch das Terminal 2 spaziert, sieht, dass sich die Läden und Restaurants wieder öffnen. Reisende gönnen sich wieder eine XXL-Toblerone in der Duty-freeZone. Aber Masken-Hinweis-Schilder, Corona-Testzentren, Desinfektionsmittel-Spender bleiben unübersehbar. Und zu besichtigen ist auch so manches noch geschlossene Geschäft. Der Flughafen ist in Wartestellung, ready for take off. „Entscheidend ist, dass die Pandemie im Griff bleibt. Das ist perspektivisch die größte Sorge“, betont Dersch.
Danach sieht es zunächst aus. Die
Inzidenzwerte sinken, die Impfkampagne rollt. Und kommende Woche wird Terminal 1 wieder geöffnet. Dersch blickt „vorsichtig optimistisch“nach vorn: „Wir glauben schon, dass es einen spürbaren Nachholeffekt gibt, je mehr Reiseziele wieder ansteuerbar sind.“Die Lufthansa will im Juli ihr Langstreckenangebot Richtung USA ausweiten. Dersch hofft zudem, dass mehr und mehr Reiserestriktionen aufgehoben werden, China bald wieder normalen Reiseverkehr ermöglicht und wieder Gäste aus den Golfstaaten nach Bayern kommen dürfen.
Was perspektivisch für München gilt – vorsichtiger Optimismus – stimmt auch für andere deutsche Flughäfen. Wie etwa der Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL) mitteilt, würden ab Juli von Deutschland aus wieder 217 Orte in 38 Ländern angeflogen werden. Das Flugnetz von 2019 sei somit „größtenteils“wiederhergestellt.
Auch beim Allgäu Airport ist man nach den Pfingstferien besserer Dinge als noch zuletzt. Über 33 000 Passagiere und 248 Starts und Landungen zählte man in Memmingen. Vergangenes Jahr stiegen dort in diesen zwei Wochen gerade mal 4700 in den Flieger. Und der Frankfurter Flughafen hatte im Mai wieder mehr als eine Millionen Gäste. Auch das macht der Luftverkehrsbranche Hoffnung. Allerdings ist im Vergleich zu 2019 auch an Deutschlands größtem Airport noch viel aufzuholen.
Der größte Garant dafür, dass das gelingt, könnte ausgerechnet etwas sein, was nicht wirklich kalkulierbar ist: ein Gefühl, eine Sehnsucht. Ein letzter Blick auf die Abflugtafel, München Terminal 2. Kurz das alte Spiel gespielt, die DestinationenLotterie. Augen zu, Finger auf den Bildschirm. Dort, wo er stehen bleibt, geht es hin. Es wäre Madeira geworden. Und der Preis wäre egal gewesen.