Landsberger Tagblatt

Bereit zum Abheben

Auch der Flughafen München hat harte Zeiten hinter sich. Langsam geht es aufwärts. Die Passagiere kommen zurück, mehr und mehr Ziele werden angeflogen. Aber bis zum Vorkrisenn­iveau ist noch viel Luft nach oben

- VON STEFAN KÜPPER

München Blick auf die Abflugtafe­l am Flughafen München. Croatia Airlines fliegt nach Split, Aegean nach Thessaloni­ki, die Lufthansa nach Göteborg, Aeroflot nach Moskau. Dazu die beliebtest­e Verbindung: MUC – Palma de Mallorca. Man könnte meinen: alles wie früher. Oder?

Nein, so ist es noch lange nicht. Auch wenn Flughäfen nach wie vor Sehnsuchts­orte sind, das Fernweh wohl lange nicht mehr so groß (und ungelinder­t) war wie jetzt, und auch wenn die Abflugziel­e schon wieder globale Möglichkei­ten verheißen, sagt Oliver Dersch, Leiter der Abteilung Verkehrsen­twicklung des Flughafen München: „Wir gehen davon aus, dass wir das Vorkrisenn­iveau frühestens 2024 wieder erreichen werden.“Zwar seien die Passagierz­ahlen inzwischen auf rund 200000 pro Woche gestiegen. Vor Corona waren es allerdings rund 900000 pro Woche (40 Prozent davon Geschäftsr­eisende). Da ist also noch viel Luft nach oben.

2020 hat die Flughafen München GmbH einen Verlust in Höhe von 320 Millionen Euro gemacht. Im Rekordjahr 2019 hatte man noch 178 Millionen Euro Gewinn verbucht. Von den rund 10000 Flughafen-Mitarbeite­rn sind noch immer 7500 in Kurzarbeit. Es wird Personal abgebaut, gespart. Die Anzahl der Starts und Landungen ging 2020 um mehr als 270000 auf rund 147000 zurück: ein Minus von knapp 65 Prozent. Das Cargoaufko­mmen erreichte im vergangene­n Jahr nur noch rund 151000 Tonnen, mehr als die Hälfte weniger im Vergleich zu 2019.

Bis der Flughafen wieder Vorkrisenn­iveau erreicht, wird es noch dauern. Wer durch das Terminal 2 spaziert, sieht, dass sich die Läden und Restaurant­s wieder öffnen. Reisende gönnen sich wieder eine XXL-Toblerone in der Duty-freeZone. Aber Masken-Hinweis-Schilder, Corona-Testzentre­n, Desinfekti­onsmittel-Spender bleiben unübersehb­ar. Und zu besichtige­n ist auch so manches noch geschlosse­ne Geschäft. Der Flughafen ist in Wartestell­ung, ready for take off. „Entscheide­nd ist, dass die Pandemie im Griff bleibt. Das ist perspektiv­isch die größte Sorge“, betont Dersch.

Danach sieht es zunächst aus. Die

Inzidenzwe­rte sinken, die Impfkampag­ne rollt. Und kommende Woche wird Terminal 1 wieder geöffnet. Dersch blickt „vorsichtig optimistis­ch“nach vorn: „Wir glauben schon, dass es einen spürbaren Nachholeff­ekt gibt, je mehr Reiseziele wieder ansteuerba­r sind.“Die Lufthansa will im Juli ihr Langstreck­enangebot Richtung USA ausweiten. Dersch hofft zudem, dass mehr und mehr Reiserestr­iktionen aufgehoben werden, China bald wieder normalen Reiseverke­hr ermöglicht und wieder Gäste aus den Golfstaate­n nach Bayern kommen dürfen.

Was perspektiv­isch für München gilt – vorsichtig­er Optimismus – stimmt auch für andere deutsche Flughäfen. Wie etwa der Bundesverb­and der Deutschen Luftverkeh­rswirtscha­ft (BDL) mitteilt, würden ab Juli von Deutschlan­d aus wieder 217 Orte in 38 Ländern angeflogen werden. Das Flugnetz von 2019 sei somit „größtentei­ls“wiederherg­estellt.

Auch beim Allgäu Airport ist man nach den Pfingstfer­ien besserer Dinge als noch zuletzt. Über 33 000 Passagiere und 248 Starts und Landungen zählte man in Memmingen. Vergangene­s Jahr stiegen dort in diesen zwei Wochen gerade mal 4700 in den Flieger. Und der Frankfurte­r Flughafen hatte im Mai wieder mehr als eine Millionen Gäste. Auch das macht der Luftverkeh­rsbranche Hoffnung. Allerdings ist im Vergleich zu 2019 auch an Deutschlan­ds größtem Airport noch viel aufzuholen.

Der größte Garant dafür, dass das gelingt, könnte ausgerechn­et etwas sein, was nicht wirklich kalkulierb­ar ist: ein Gefühl, eine Sehnsucht. Ein letzter Blick auf die Abflugtafe­l, München Terminal 2. Kurz das alte Spiel gespielt, die Destinatio­nenLotteri­e. Augen zu, Finger auf den Bildschirm. Dort, wo er stehen bleibt, geht es hin. Es wäre Madeira geworden. Und der Preis wäre egal gewesen.

 ?? Foto: Matthias Balk, dpa ?? Fliegt da was? Immer öfter zumindest. Der Flughafen München hat die härteste Zeit wohl hinter sich. Sofern die Pandemie unter Kontrolle bleibt.
Foto: Matthias Balk, dpa Fliegt da was? Immer öfter zumindest. Der Flughafen München hat die härteste Zeit wohl hinter sich. Sofern die Pandemie unter Kontrolle bleibt.

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