Landsberger Tagblatt

Domspatzen werden weiblich

1050 Jahre nach seiner Gründung öffnet der berühmte Regensburg­er Chor seine Türen auch für Mädchen

- VON MICHAEL BÖHM

Regensburg Das „Gendern“ist derzeit in aller Munde – quer durch die Republik wird über korrekte Sprache und die Verwendung geschlecht­sneutraler Begriffe diskutiert. Bei den Regensburg­er Domspatzen gab es lange Zeit keinen Grund, darüber zu streiten, ob der männliche Begriff Domspatzen noch zeitgemäß ist: Domspätzin­nen – so die korrekte weibliche Form – gab es schlichtwe­g nicht. Seit 1050 Jahren besteht der weltberühm­te Chor ausschließ­lich aus Buben und jungen Männern.

Doch nun brechen neue Zeiten an: Wie das Bistum Regensburg am Dienstag mitteilte, werden künftig am zur „Stiftung Regensburg­er

Domspatzen“gehörenden Gymnasium auch Mädchen unterricht­et. Und: Es soll ein eigener Mädchencho­r gegründet werden, als „neue zusätzlich­e musikalisc­he Säule der Regensburg­er Dommusik“. Der katholisch­e Knabenchor bleibe aber natürlich und unveränder­t erhalten.

Der frühere Eichstätte­r und jetzige Regensburg­er Domkapellm­eister Christian Heiß freut sich bereits und legt die Messlatte sogleich hoch: „Nach einer gewissen Aufbauphas­e wird der neue Mädchencho­r höchsten musikalisc­hen Ansprüchen genügen“, sagte er. Heiß, er war früher selbst ein Domspatz, hatte die neue Ausrichtun­g bereits vor knapp zwei Jahren angedeutet, als er sein Amt antrat. Die Domspatzen hatten damals klargestel­lt, dass es nicht darum gehe, Mädchen bei den Buben mitsingen zu lassen. „Die Regensburg­er Domspatzen bleiben als Knabenchor der Domchor der Kathedrale“, betonte Heiß nun abermals. Gemeinsame Projekte der beiden Chöre seien eines Tages aber durchaus denkbar. Umgesetzt werden sollen die Neuerungen zum übernächst­en Schuljahr 2022/23. Dann sollen die ersten Mädchen an die Domspatzen-Schule kommen. Bis dahin bleibt für die Organisato­ren noch einiges zu tun. Es müssen neue liturgisch­e Gewänder für die Sängerinne­n geschaffen werden, und für die Auftritte bei weltlichen Konzerten soll es auch eine entspreche­nde Kleidungsl­inie für die Mädchen geben.

Der Name des Chores ist ebenfalls noch unklar. Sie würden jedenfalls nicht „Domnachtig­allen“heißen, macht Heiß klar. Er will den Mädchencho­r in irgendeine­r Weise mit dem Namen Regensburg­er

Domspatzen verbinden. „Es wäre ja Unsinn, die Marke nicht zu nennen“, findet der Domkapellm­eister. Die Namensgebu­ng sei aber „noch in einer gewissen Findungsph­ase“.

Die 975 gegründete­n Regensburg­er Domspatzen blicken nicht nur auf eine lange, sondern auch auf eine skandalbeh­aftete Geschichte zurück. So kamen in den vergangene­n Jahren immer mehr Fälle von sexuellem Missbrauch und Misshandlu­ngen von Kindern an die Öffentlich­keit. Der Rechtsanwa­lt Ulrich Weber, der neben anderen den Domspatzen-Skandal aufgearbei­tet hat, zählte vor wenigen Jahren 49 mutmaßlich­e Täter, die über Jahrzehnte hinweg 547 Buben misshandel­t und 67 Buben sexuell missbrauch­t haben sollen.

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Foto: Armin Weigel, dpa Bald gibt es unter dem Dach der Regens‰ burger Domspatzen auch einen Mäd‰ chenchor.

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