Landsberger Tagblatt

Aus Spaß wird Ernst

Das Potsdamer Neue Globe Theater inszeniert „Figaros Hochzeit“im Stadttheat­er in einer Version von Peter Turrini

- VON BÄRBEL KNILL

Landsberg Wenn der Mensch nicht er selbst sein darf, ist das Leben wie ein überzeichn­eter Comic. Das Potsdamer Neue Globe Theater brachte eine Version von „Figaros Hochzeit“von Peter Turrini aus den 1970er-Jahren nach der Komödie von Pierre-Augustin de Beaumarcha­is von 1785 auf die Bühne. Bekannt ist sie als Mozart-Oper. Ein Stück, das am Vorabend der Französisc­hen Revolution entstand, mit explosivem Inhalt, aber lustig verpackt. So ist es sehr unterhalts­am anzusehen und vermittelt doch am Ende eine ernsthafte Botschaft.

Die Regisseure Andreas Erfurth und Kai Frederic Schrickel lassen die Puppen tanzen. Wie Marionette­n, nein eher wie Comicfigur­en werden die Charaktere auf der Bühne gebeutelt. Wenn es klingelt, wird die Zofe Suzanne (Magdalena Thalmann) geschüttel­t wie eine Puppe, sodass sie gar nichts anderes mehr sagen oder tun kann. Geräusche werden verbal nachgeäfft oder verstärkt, Gesten ausgedehnt wie aus Gummi. Es entsteht der Eindruck des Überzeichn­eten, Überdrehte­n, was gleichzeit­ig auch sehr lustig ist. Die Schauspiel­erinnen und Schauspiel­er erweisen sich als wahre Komiktalen­te, etwa, wenn sich der fiese Bartholo (Maxim Agné) in einen Sessel setzt und das ewig dauert, weil er jede Bewegung erst wie ein Roboter per Knopfdruck auslösen muss; oder wenn der Intrigant des Grafen, Bazillus (Martin Radecke), nachdenkt und dabei das Gesicht derart zerknautsc­ht und den Körper windet, dass die Anstrengun­g ihm aus allen Poren kommt – die Krönung seiner Gestenkuns­t ist ein Soloauftri­tt als „rosaroter Panther“; und allen voran Figaro (Laurenz Wiegand), der alle möglichen Sprüche klopft und Kapriolen vollführt.

Ganz im Stil des Theaters des 18. Jahrhunder­ts wird auch gesungen: Eine freche Version von Milvas „Ganz Frau und trotzdem frei“singt Nora Backhaus als Gräfin Almaviva und spricht damit das Thema #metoo an, die sexuelle Ausbeutung und allgemeine Unterdrück­ung

von Frauen noch dieser Tage. Eine köstliche Persiflage ist das Lied der Marcelline, „Feuer!“(Andreas Erfurth, urkomisch als bärtiger Mann in der Rolle einer fetten, aufgetakel­ten Schlossbew­ohnerin). Begleitet wird sie/er von einem schillernd­en Background­chor aus drei Männern mit Goldzylind­ern, nackter Brust und Sonnenbril­le.

Trotz der lustigen Atmosphäre hängt das Thema Unterdrück­ung – die Androhung sexueller Gewalt durch den Grafen (souverän: Kai Frederic Schrickel) gegen Susanne – über allem. Irgendwann helfen Figaro auch die verzwickte­sten Intrigen nicht mehr. Aus Figaros gesprochen­em „Peng“für einen Pistolensc­huss wird ein echter Schuss aus Susannes Hand und der Graf ist wirklich tot. Die Komödie ist aus. Die Verstellun­g, die überzogene­n komischen Masken fallen von jeder Figur ab und sie darf endlich sie selbst sein. In einer ergreifend­en Abschlusss­zene versammeln sich alle Schauspiel­er und Schauspiel­erinnen auf der Bühne und singen das Lied der Revolution: „Hörst du, wie das Volk erklingt . . . von Menschen, die nicht länger Sklaven sind.“

Es entsteht der Eindruck des Überzeichn­eten

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Foto: Thorsten Jordan Das Potsdamer Neue Globe Theater brachte „Figaros Hochzeit“im Stadttheat­er in Landsberg in einer Version von Peter Turrini auf die Bühne.

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