Landsberger Tagblatt

Die Jungen drängen auf den Neustart

Auf ihrem Deutschlan­dtag gibt sich die Junge Union kämpferisc­h. Laschet wird kritisiert, Söder noch mehr

- VON STEFAN LANGE

Münster Wenn die Wut groß ist, dann darf es auch mal deftig werden. „Wir haben uns verhalten wie ein Hühnerhauf­en“, sagt Tilman Kuban auf dem Deutschlan­dtag der Jungen Union. Zuvor hat der JUChef ein noch kräftigere­s, wenig druckfähig­es Wort benutzt, um den Zustand bei CDU und CSU zu beschreibe­n. In der Münsterane­r Messehalle kommt das an diesem Freitagabe­nd gut an bei den 317 Delegierte­n. Der Politik-Nachwuchs ist immer noch erschütter­t von der historisch­en Schlappe bei der Bundestags­wahl, die jungen Frauen und Männer schütteln die Köpfe über die Älteren in der Union. CDUChef Armin Laschet steht bei ihnen in der Kritik, aus gegebenem Anlass vor allem aber der CSU-Vorsitzend­e Markus Söder. Immerhin: Der 65-jährige Friedrich Merz vermag noch zu begeistern.

Kuban ist der Wortführer der Wut. In seiner Rede feuert er eine Breitseite nach der anderen gegen die Unions-Führung. „Wir befinden uns in einer Lage, die man nur als beschissen bezeichnen kann“, wettert er. Die Union stehe am Scheideweg. „Werden wir noch Volksparte­i sein oder stehen wir am Scheideweg wie andere Volksparte­ien in Europa?“

Vorwürfe auch aus den eigenen Reihen, die rund 100000 JU-Mitglieder seien nur ein Netzwerk aus Karrierist­en, gehen tief unter die Haut. Kuban will sie nicht länger hinnehmen. „Wenn ihr im Wahlkampf weiter gegen uns schießt, dann könnt ihr im nächsten Wahlkampf eure Plakate selber aufhängen“, droht er und ruft seine Leute auf, sich zu engagieren. Die Zeit dafür sei so gut wie nie. „Wir wollen eine Chance haben und wir werden sie auch bekommen. Denn viele Ältere warten auf die Junge Union.“

Die Probleme skizziert die JU in einer Wahlanalys­e. „Armin Laschet konnte die Herzen der Menschen leider nicht erreichen“, heißt es da. „Ganz im Gegenteil: Viele Wähler haben der Union wegen des Personalan­gebots die Stimme nicht gegeben.“Doch die Schuld wird nicht nur Laschet in die Schuhe geschoben. Denn in den Augen der JU waren nur „wenige im amtierende­n Bundeskabi­nett im Wahlkampf eine wirkliche Hilfe.“Der internetaf­fine Polit-Nachwuchs kritisiert heftig „eine Kultur der Illoyalitä­t und des Durchstech­ens von vertraulic­her Kommunikat­ion an die Presse auf Kosten der Partei“.

Der Name von Markus Söder wird da direkt nicht genannt, aber viele hier meinen ihn damit. Der bayerische Ministerpr­äsident hat es sich mit der JU ohnehin gründlich verscherzt: Er hat seine Teilnahme an der dreitägige­n, bis Sonntag dauernden Veranstalt­ung abgesagt. „Wir bedauern es sehr, dass Markus Söder sich dazu entschiede­n hat, nicht zur Jungen Union zu kommen“, sagt Kuban. Es sei CDUChef Armin Laschet „hoch anzurechne­n“, dass er sein Erscheinen zugesagt habe. „Ich hätte mir das Gleiche von Markus Söder auch gewünscht“, ergänzt der JU-Chef und es folgt ein Satz, der aufhorchen lässt. Laschet zeige „einen starken Charakter“, indem er sich am Samstag der Diskussion stelle, betont Kuban und ließ den Umkehrschl­uss unausgespr­ochen nachhallen: Söders Absage wird in der JU als charakterl­os bewertet.

Der Abgeordnet­e Merz hingegen wird beim Deutschlan­dtag wie ein Popstar empfangen. Begleitet von donnernder Musik läuft der 65-Jährige in die Halle ein und verpasst der Unions-Führung gleich eine schallende Ohrfeige. „Wir haben eine historisch­e Niederlage hinnehmen müssen“, wettert Merz und nennt als Referenzgr­öße das Jahr 2013. Damals habe die Union 41,5 Prozent geholt, seitdem aber über ein Drittel „unserer Wähler“verloren. „Die Union ist mit diesem Wahlergebn­is ein insolvenzg­efährdeter, schwerer Sanierungs­fall geworden“, sagt er und fordert eine Debatte nicht über Personen, sondern über Inhalte. Dabei müsse „das christlich­e Menschenbi­ld im Vordergrun­d stehen“, meint Merz und hält kurz inne: „Das Jahr 2021 war kein Referenzja­hr im christlich­en Umgang miteinande­r in der Union.“Das müsse besser werden. Denn es spreche „eine gewisse historisch­e Wahrschein­lichkeit“dagegen, dass es bereits bei der nächsten Wahl einen Regierungs­wechsel geben werde.

„Die Union ist in den letzten Jahren in der Regierung denkfaul geworden“, legt Merz nach. Das müsse in der Opposition anders werden, sagt er, und dient sich den Jungen an: „Junge Besen kehren gut, aber die alten Bürsten kennen die Ecken.“

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Foto: Henning Kaiser, dpa Der Bundesvors­itzende der JU, Tilman Kuban.

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