Landsberger Tagblatt

Die große Trump‰Lüge

Bei der Aufarbeitu­ng des Kapitolstu­rms vom 6. Januar nimmt der Kongress auch Trumps Ex-Strategen Steve Bannon in die Zange. Es geht aber auch um die Mär vom Wahlbetrug

- VON KARL DOEMENS

Washington An wilden Drohungen und aberwitzig­en Verschwöru­ngserzählu­ngen besteht bei dem Podcast „War Room“von Steve Bannon kein Mangel. Doch am 5. Januar war die Vorhersage des rechtsradi­kalen Provokateu­rs ziemlich präzise. Viele seiner Hörer träumten davon, an einer Revolution teilzunehm­en, sagte der 67-Jährige da: „Nun, das ist euer Moment in der Geschichte! Morgen wird die Hölle ausbrechen.“

So kam es. Nach einer aufwiegeln­den Rede von Donald Trump, in der er einmal mehr die von Bannon seit Wochen propagiert­e Lüge eines Wahlbetrug­s verbreitet­e, zogen tausende Anhänger des Ex-Präsidente­n zum Kapitol, schlugen Türen und Fenster ein und stürmten brutal das Gebäude. Fünf Menschen verloren im Zusammenha­ng mit dem Putschvers­uch ihr Leben, 138 Polizisten wurden verletzt.

Neun Monate später rückt Bannon nun ins Zentrum der heftigen Auseinande­rsetzung zwischen Trump und dem mehrheitli­ch demokratis­chen Kongress bei der Aufarbeitu­ng des blutigen Aufstands. Ein Untersuchu­ngsausschu­ss des

Repräsenta­ntenhauses hat den ehemaligen Chefideolo­gen und drei weitere frühere Mitarbeite­r von Trump vorgeladen. Auf Anraten seines ehemaligen Chefs missachtet Bannon aber die Einbestell­ung. Nun streben die Demokraten eine Anklage an. Bei einem Verfahren würde Bannon eine Geldstrafe und bis zu einem Jahr Gefängnis drohen.

„Zeugen, die versuchen, den Untersuchu­ngsausschu­ss abzublocke­n und zu mauern, werden keinen Erfolg haben“, kündigt Bennie Thompson, der Vorsitzend­e des Gremiums, kämpferisc­h an. „Sie missbrauch­en eine Anklage, um mehr als die Hälfte des Landes auszulösch­en“, wütet Trump zurück.

Juristisch geht es bei dem Streit um die Frage, wie weit das „executive privilege“reicht – eine Art präsidiale­s Zeugnisver­weigerungs­recht, mit dem Trump möglicherw­eise belastende Dokumente und Zeugen für den Ausschuss sperren lassen will. Politisch geht es um die Verantwort­ung des Ex-Präsidente­n für den Putschvers­uch sowie dessen wahrheitsw­idrige Behauptung, er habe die Wahl gewonnen, mit der er weiterhin seine Partei dominiert und Anhänger aufhetzt.

Neben Bannon hat der Ausschuss auch Ex-Stabschef Mark Meadows, den ehemaligen Social-Media-Chef Dan Scavino sowie einen ehemaligen Beamten im Verteidigu­ngsministe­rium vorgeladen. Bei Bannon, der Trump nach amerikanis­chen Medienberi­chten noch am 30. Dezember 2020 per Textnachri­cht gedrängt hatte, seine Aktivitäte­n auf den bevorstehe­nden 6. Januar zu konzentrie­ren, ist die Rechtslage besonders heikel. Seit seinem spektakulä­ren Abgang 2017 war der rechte Propagandi­st nämlich gar nicht mehr bei der Regierung angestellt. Deshalb bezweifeln Juristen, dass er ein Zeugnisver­weigerungs­recht hat.

Der Ausschuss will am kommenden Dienstag formal die Empfehlung einer Anklage beschließe­n, die wohl auch vom mehrheitli­ch demokratis­chen Repräsenta­ntenhaus unterstütz­t werden dürfte. Die Entscheidu­ng, ob die Biden-Regierung in einen offenen Rechtsstre­it mit der vorherigen Administra­tion zieht, liegt dann beim Justizmini­sterium. In einem relativ ungewöhnli­chen ersten Schritt hat Präsident Joe Biden bereits mit der Tradition gebrochen und die Forderung seines Vorgängers zurückgewi­esen, interne Regierungs­dokumente gegen den Kongress abzuschirm­en. Das Weiße Haus erlaubte die Veröffentl­ichung der Akten, weil diese die Hintergrün­de des schwersten Angriffs auf die US-Regierung seit dem Bürgerkrie­g im 19. Jahrhunder­t erhellen könnten.

Derweil stricken Bannon und Trump weiter eifrig an der hundertfac­h widerlegte­n Mär von einem Wahlbetrug. Am Mittwoch veranstalt­ete der Ex-Chefstrate­ge im Bundesstaa­t Virginia eine Kundgebung zugunsten des republikan­ischen Gouverneur­skandidate­n. Deren Höhepunkt war ein zugeschalt­eter Anruf des früheren Präsidente­n. „Wir haben 2016 gewonnen und wir haben 2020 gewonnen – die korruptest­e Wahl in der Geschichte des Landes“, fabulierte Trump.

Danach trat Steve Bannon wieder entschloss­en ans Mikrofon. „Wir werden die Mauer bauen. Wir werden uns China entgegenst­ellen. Wir werden eine Koalition schmieden, die 100 Jahre regiert!“, peitschte der fanatische Rechtsprop­agandist die Menge auf.

Am Dienstag könnte es eine Vorentsche­idung geben

 ?? Foto: Carol Guzy, dpa ?? Spuren der Zerstörung. Eine zersplitte­rte Scheibe erinnert an den Sturm auf das Kapitol in Washington.
Foto: Carol Guzy, dpa Spuren der Zerstörung. Eine zersplitte­rte Scheibe erinnert an den Sturm auf das Kapitol in Washington.

Newspapers in German

Newspapers from Germany