Landsberger Tagblatt

Vom Glück, seine eigene Chefin zu sein

Arbeitswel­t Die Handwerksk­ammer Schwaben verleiht ihre Meisterbri­efe in Kempten. Zimmerer-Meisterin Anna-Maria Greis aus dem Ostallgäue­r Roßhaupten schlägt mit ihrem Abschluss nun einen besonderen Weg ein

- VON MARINA KRAUT UND THOMAS SCHWARZ

Kempten „Die sichersten Wertpapier­e gibt es immer noch im Handwerk“: Unter diesem Motto stand die Meisterfei­er der Handwerksk­ammer für Schwaben (HWK) am Freitagabe­nd in der Kemptener BigBox. In 16 Handwerken hatten 86 Frauen und 481 Männer ihre Meisterprü­fung abgelegt.

Deutlich angestiege­n ist im Vergleich zu den Vorjahren der Anteil der Meisterinn­en. Eine von ihnen ist Anna-Maria Greis aus Roßhaupten (Kreis Ostallgäu). Sie hatte nach ihrem Abitur eine Schreiner-Ausbildung absolviert. Es folgte eine Lehre als Zimmererin im elterliche­n Betrieb. Jetzt, mit nur 24 Jahren, darf sie sich Zimmerer-Meisterin nennen. Für Greis kein Zufall: Sie hatte seit längerem diesen Titel zum Ziel. Damit kann sie jetzt ihr Handwerk ausüben, ohne fünf Tage die Woche auf dem Bau zu stehen. Obwohl sie das Arbeiten am Gerüst und an der frischen Luft an ihrem Beruf sehr schätzt. „Ich war seit Jahren nicht wirklich krank“, erzählt die Handwerker­in. Eine Ausbildung in einem Bürojob sei für sie nie ein Thema gewesen: „Viel Schminke und Hosenanzug – das ist nichts für mich.“

Anna-Maria Greis arbeitet jetzt als Lehrerin an einer Berufsschu­le in der Herzogsägm­ühle in Peiting (Landkreis Weilheim-Schongau). Dank des Meistertit­els kann sie dort seit September unterricht­en. Zwei Tage Schule, drei Tage Bau: für Greis die optimale Mischung. Die 24-Jährige entspricht nicht dem Klischee eines kräftigen Zimmerers. Im Gegenteil: Greis ist eine schmale Frau, die in diesem Beruf auch an ihre körperlich­en Grenzen stößt. Denn das sei für sie schlicht Fakt: Der Beruf des Zimmerers ist eine körperlich­e Herausford­erung. Wenn man es aber wirklich wolle, sagt Greis, und wenn der Betrieb etwas Rücksicht nehme, dann sei der Job auch etwas für Frauen.

Bei der Verleihung der Meisterbri­efe war HWK-Hauptgesch­äftsführer Ulrich Wagner sowie Präsident Hans-Peter Rauch und dessen Stellvertr­etern Paul Brugger und Konrad Rebholz die Freude anzumerken, wieder eine Präsenzver­anstaltung zu haben. Vom „Wertpapier Meisterbri­ef“sprach Rauch und sagte in Richtung der Meisterinn­en und Meister: „Ihr Meisterbri­ef ist in der Regel nicht nur wertbestän­dig, sondern wirft durch Ihren Fleiß und Ihr Können eine hohe Rendite ab.“Angesichts der Pandemie

sagte der Handwerksp­räsident: „Unter Corona-Bedingunge­n sind Ihre Leistungen noch viel höher zu bewerten.“

Rauch verglich auch die akademisch­e und berufliche Bildung. Bachelor und Meister seien zwar formal gleichwert­ig, doch auf der Kostenseit­e herrsche immer noch kein Gleichgewi­cht. Er lobte zwar, dass der Bund seit dem vergangene­n Jahr höhere Zuschüsse für den Meisterkur­s, die Prüfung und das Meisterstü­ck zur Verfügung stelle. Doch: „Ein Studium ist kostenfrei und daher muss eine Meisteraus­bildung zumindest noch kostengüns­tiger werden.“Bei den jungen Meisterinn­en und Meistern warb Rauch für die Selbststän­digkeit. „Aus eigener Erfahrung sage ich Ihnen, dass es wunderbar ist, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen und sein eigener Chef zu sein. Seien Sie mutig.“Er zitierte aus einer Untersuchu­ng, wonach in Schwaben pro Jahr etwa 400 Übernahmeg­ründer auf 500 bis 600 übernahmef­ähige Betriebe treffen: „Da haben Sie hervorrage­nde Chancen!“Dazu passe die neueste Konjunktur­umfrage der Handwerksk­ammer. Demnach bewerten etwa 90 Prozent der schwäbisch­en Handwerksb­etriebe ihre Geschäftsl­age mit gut und befriedige­nd.

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Foto: Benedikt Siegert Anna‰Maria Greis aus Roßhaupten ist Zimmerer‰Meisterin.

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