Vom Glück, seine eigene Chefin zu sein
Arbeitswelt Die Handwerkskammer Schwaben verleiht ihre Meisterbriefe in Kempten. Zimmerer-Meisterin Anna-Maria Greis aus dem Ostallgäuer Roßhaupten schlägt mit ihrem Abschluss nun einen besonderen Weg ein
Kempten „Die sichersten Wertpapiere gibt es immer noch im Handwerk“: Unter diesem Motto stand die Meisterfeier der Handwerkskammer für Schwaben (HWK) am Freitagabend in der Kemptener BigBox. In 16 Handwerken hatten 86 Frauen und 481 Männer ihre Meisterprüfung abgelegt.
Deutlich angestiegen ist im Vergleich zu den Vorjahren der Anteil der Meisterinnen. Eine von ihnen ist Anna-Maria Greis aus Roßhaupten (Kreis Ostallgäu). Sie hatte nach ihrem Abitur eine Schreiner-Ausbildung absolviert. Es folgte eine Lehre als Zimmererin im elterlichen Betrieb. Jetzt, mit nur 24 Jahren, darf sie sich Zimmerer-Meisterin nennen. Für Greis kein Zufall: Sie hatte seit längerem diesen Titel zum Ziel. Damit kann sie jetzt ihr Handwerk ausüben, ohne fünf Tage die Woche auf dem Bau zu stehen. Obwohl sie das Arbeiten am Gerüst und an der frischen Luft an ihrem Beruf sehr schätzt. „Ich war seit Jahren nicht wirklich krank“, erzählt die Handwerkerin. Eine Ausbildung in einem Bürojob sei für sie nie ein Thema gewesen: „Viel Schminke und Hosenanzug – das ist nichts für mich.“
Anna-Maria Greis arbeitet jetzt als Lehrerin an einer Berufsschule in der Herzogsägmühle in Peiting (Landkreis Weilheim-Schongau). Dank des Meistertitels kann sie dort seit September unterrichten. Zwei Tage Schule, drei Tage Bau: für Greis die optimale Mischung. Die 24-Jährige entspricht nicht dem Klischee eines kräftigen Zimmerers. Im Gegenteil: Greis ist eine schmale Frau, die in diesem Beruf auch an ihre körperlichen Grenzen stößt. Denn das sei für sie schlicht Fakt: Der Beruf des Zimmerers ist eine körperliche Herausforderung. Wenn man es aber wirklich wolle, sagt Greis, und wenn der Betrieb etwas Rücksicht nehme, dann sei der Job auch etwas für Frauen.
Bei der Verleihung der Meisterbriefe war HWK-Hauptgeschäftsführer Ulrich Wagner sowie Präsident Hans-Peter Rauch und dessen Stellvertretern Paul Brugger und Konrad Rebholz die Freude anzumerken, wieder eine Präsenzveranstaltung zu haben. Vom „Wertpapier Meisterbrief“sprach Rauch und sagte in Richtung der Meisterinnen und Meister: „Ihr Meisterbrief ist in der Regel nicht nur wertbeständig, sondern wirft durch Ihren Fleiß und Ihr Können eine hohe Rendite ab.“Angesichts der Pandemie
sagte der Handwerkspräsident: „Unter Corona-Bedingungen sind Ihre Leistungen noch viel höher zu bewerten.“
Rauch verglich auch die akademische und berufliche Bildung. Bachelor und Meister seien zwar formal gleichwertig, doch auf der Kostenseite herrsche immer noch kein Gleichgewicht. Er lobte zwar, dass der Bund seit dem vergangenen Jahr höhere Zuschüsse für den Meisterkurs, die Prüfung und das Meisterstück zur Verfügung stelle. Doch: „Ein Studium ist kostenfrei und daher muss eine Meisterausbildung zumindest noch kostengünstiger werden.“Bei den jungen Meisterinnen und Meistern warb Rauch für die Selbstständigkeit. „Aus eigener Erfahrung sage ich Ihnen, dass es wunderbar ist, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen und sein eigener Chef zu sein. Seien Sie mutig.“Er zitierte aus einer Untersuchung, wonach in Schwaben pro Jahr etwa 400 Übernahmegründer auf 500 bis 600 übernahmefähige Betriebe treffen: „Da haben Sie hervorragende Chancen!“Dazu passe die neueste Konjunkturumfrage der Handwerkskammer. Demnach bewerten etwa 90 Prozent der schwäbischen Handwerksbetriebe ihre Geschäftslage mit gut und befriedigend.