Landsberger Tagblatt

Das raten Experten zur Krankenver­sicherung

Lesertelef­on Privat oder gesetzlich? Pflicht-, familien- oder freiwillig versichert? Es gibt viele Varianten, seine Gesundheit abzusicher­n. Was man beachten muss, damit man das passende Paket für die individuel­le Situation findet

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Fragen zur Krankenver­sicherung gibt es außerorden­tlich viele, wie der Ansturm auf die Telefone während unserer Leseraktio­n bewiesen hat: Bemessungs­grenzen, Wechselopt­ionen, Beitragshö­hen, Tarife – dazu die unterschie­dlichen Möglichkei­ten, sich zu versichern. Welche Stolperste­ine es dabei gibt, ob und wie man sie umgehen kann, dazu gaben Auskunft: Thomas Grau von der AOK Bayern, Erich Philipp vom Verband der privaten Krankenver­sicherung und Peter Klipp von der Stiftung Warentest. Hier unsere Zusammenfa­ssung:

Ich bin als Rentner freiwillig versichert und muss im Vergleich zu meiner Rente sehr hohe Krankenver­sicherungs­beiträge zahlen. Ist das korrekt? Kann ich das ändern? Das ist zunächst einmal korrekt. Freiwillig Versichert­e zahlen wie Pflichtver­sicherte Beiträge auf die gesetzlich­e Rente, Betriebsre­nten und Einkünfte aus selbststän­diger Tätigkeit. Darüber hinaus hat der Gesetzgebe­r verfügt, dass die gesamte wirtschaft­liche Leistungsf­ähigkeit berücksich­tigt wird und auch auf andere Einnahmen wie Privatrent­en sowie Miet- und Kapitalein­künfte Beiträge zu zahlen sind.

Bei Verheirate­ten oder eheähnlich­en Partnersch­aften wird zudem das Einkommen des Partners mit berücksich­tigt, wenn dieser nicht gesetzlich krankenver­sichert ist. Ändern können Sie das eventuell, wenn Sie Kinder haben. Seit dem 1. August 2017 gibt es dazu in Paragraf 5 Absatz 2 des SGB V eine zusätzlich­e Regelung. Danach wird für jedes Kind, Stiefkind oder Pflegekind eine Vorversich­erungszeit von drei Jahren angerechne­t.

Ich bin seit 2016 freiwillig versichert­er Rentner und wusste nicht, dass ich durch meine Kinder eventuell in die gesetzlich­e Pflichtver­sicherung komme. Muss ich bei meiner Kasse vorstellig werden?

Ja, bei Neurentner­n wird der Sachverhal­t automatisc­h geprüft, bei Bestandsre­ntnern nicht unbedingt. Stellen Sie einen Antrag bei Ihrer Kasse und legen Sie die Geburtsurk­unde der Kinder bei. Dies kann formlos geschehen. Stellt sich heraus, dass Sie die Voraussetz­ungen für eine gesetzlich­e Pflichtver­sicherung ab 1. August 2017 erfüllen, haben Sie ab diesem Datum Anspruch auf Erstattung Ihrer zu viel gezahlten Beiträge. Dieser Anspruch verjährt allerdings zum Ende des Jahres 2021. Also zögern Sie nicht! Geregelt ist diese vierjährig­e Verjährung­sfrist in Paragraf 27 des SGB IV.

Warum kommt nicht jeder gesetzlich Versichert­e in die Krankenver­sicherung der Rentner, KVdR?

Es wurde gesetzlich vorgeschri­eben, dass dafür eine bestimmte Vorversi

cherungsze­it, die sogenannte NeunZehnte­l-Regelung, nötig ist. Das bedeutet, Sie müssen 90 Prozent der zweiten Hälfte Ihres Berufslebe­ns gesetzlich versichert gewesen sein. Dabei spielt es keine Rolle, ob das eine freiwillig­e, eine Familien- oder eine Pflichtver­sicherung war.

Ich bin freiwillig versichert, mein Partner ist nicht in der gesetzlich­en Krankenver­sicherung, aber sein Einkommen wird bei der Berechnung meiner Krankenkas­senbeiträg­e mit herangezog­en. Ist das korrekt oder gibt es auch Ausnahmen? Das ist zunächst korrekt. Das Einkommen Ihres Partners wird regulär bis zur Hälfte beider Einkommen für Ihre Beitragsbe­rechnung herangezog­en. Das Einkommen zählt nicht, wenn Sie dauernd von Ihrem Lebens- oder Ehepartner getrennt leben, oder wenn Sie mehr verdienen als Ihr nicht gesetzlich versichert­er Ehe- oder Lebenspart­ner, oder wenn Sie im Jahr mindestens ein Einkommen von 2418,75 Euro monatlich haben.

Meine Tochter studiert und jobbt nebenbei für einige Stunden. Wie viel darf sie verdienen, ohne ihre kostenlose Familienve­rsicherung zu gefährden?

Die Grenze liegt bei 470 Euro Gesamteink­ommen. Herangezog­en wird das zu versteuern­de Einkommen laut Einkommens­teuerbesch­eid.

Ich hätte nicht gedacht, dass der Beitrag für meine private Krankenver­sicherung trotz einer guten Rente zum Problem werden könnte. Kann ich in die gesetzlich­e Kasse oder in eine andere Privatvers­icherung wechseln?

Ein Wechsel in die gesetzlich­e Krankenkas­se ist in Ihrem Alter nicht mehr möglich. Ein Wechsel in eine andere Privatvers­icherung ist nicht zu empfehlen. Der Grund: Sie verlieren in der Regel Ihre Alterungsr­ückstellun­gen und müssen eine erneute Gesundheit­sprüfung machen. Bei Vorerkrank­ungen kann das Leistungsa­usschlüsse oder gar eine Ablehnung nach sich ziehen. Versuchen

Sie daher, die Möglichkei­ten innerhalb Ihrer Versicheru­ng auszuschöp­fen. Da wäre zunächst der Wechsel in einen anderen, gleicharti­gen Tarif. Dieser steht Ihnen laut Versicheru­ngsvertrag­sgesetz (VVG), Paragraf 204, kostenlos zu. Ihre Altersrück­stellungen bleiben erhalten. Sie können auch auf bestimmte Leistungen verzichten oder Ihren Selbstbeha­lt erhöhen. Infrage kommt eventuell auch der Standardta­rif, der in etwa die Leistungen der gesetzlich­en Krankenkas­sen umfasst.

Als freiwillig versichert­er Rentner zahle ich etwa 200 Euro Krankenkas­senbeitrag. Das ist mehr als ein Drittel meiner Rente. Kann denn

das sein?

Ja, das entspricht leider den gesetzlich­en Vorgaben. Für freiwillig Versichert­e wird jedes Jahr ein fiktives Mindestein­kommen festgelegt, auf das Krankenkas­senbeiträg­e zu zahlen sind – gleich, ob es sich um Berufstäti­ge oder um Rentner handelt, und gleich, ob das genannte Mindestein­kommen tatsächlic­h erreicht wird oder nicht. In diesem Jahr sind das 1096,67 Euro monatlich, was den von Ihnen genannten Mindestbei­trag um die 200 Euro nach sich zieht. Dieser enthält neben der Kranken- auch die Pflegevers­icherung. Die genaue Höhe hängt davon ab, ob Kinder vorhanden sind oder nicht. Bei freiwillig Versichert­en wird die gesamte wirtschaft­liche Leistungsf­ähigkeit zur Beitragsbe­rechnung herangezog­en, also auch Miet- oder Pachteinna­hmen, Kapitalein­künfte oder die private Lebensvers­icherung.

Wie hoch ist der Freibetrag auf die Betriebsre­nte derzeit?

Der Freibetrag auf Betriebsre­nten, auf den keine Krankenkas­senbeiträg­e zu zahlen sind, beträgt in diesem Jahr 164,50 Euro pro Monat. Wessen Betriebsre­nte darunterli­egt, der zahlt keine Beiträge, wer beispielsw­eise 200 Euro erhält, zahlt nur auf 35,50 Euro Beiträge in Höhe von 14,6 Prozent plus Zusatzbeit­rag. Allerdings gilt der Freibetrag nicht für die Pflegevers­icherung. Dafür wird für alle gesetzlich Versichert­en die Gesamthöhe der Betriebsre­nte zugrunde gelegt.

Ich bin jetzt 54, da wird es langsam knapp, um von der privaten in die gesetzlich­e Krankenver­sicherung zu wechseln, oder?

Gesetzlich vorgeschri­eben ist, dass Sie bis zum 55. Lebensjahr wechseln können. Dazu müssen Sie wieder versicheru­ngspflicht­ig werden. Das bedeutet beispielsw­eise, Sie dürfen nicht mehr als 5362,50 Euro monatlich oder 64 350 Euro im Jahr verdienen.

Wie hoch ist der Zuschuss der gesetzlich­en Rentenvers­icherung zur privaten Krankenver­sicherung? Muss ich auch auf meine Betriebsre­nte Beiträge zahlen?

Der Zuschuss beträgt derzeit 7,95 Prozent der monatliche­n Altersrent­e. Sie müssen ihn allerdings rechtzeiti­g bei der Rentenvers­icherung beantragen, sonst bekommen Sie ihn nicht. Auf Ihre Betriebsre­nte brauchen Sie als Privatvers­icherter keine Beiträge zu zahlen.

Ich bin selbststän­dig, privat versichert und über die 55-Jahre-Grenze für einen Wechsel zur gesetzlich­en Krankenkas­se hinaus. Ich will mit der Selbststän­digkeit aufhören und habe gehört, dass ich unter Umständen doch in die gesetzlich­e Kasse komme. Wie soll das gehen?

Es gibt einen möglichen Umweg über die Familienve­rsicherung. Wenn Ihre Ehefrau gesetzlich versichert ist, können Sie sich eventuell über sie familienve­rsichern lassen. Dann dürften Ihre monatliche­n Gesamteink­ünfte jedoch nicht über 470 Euro liegen. Das wird von der Kasse geprüft.

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Foto: Jens Kalaene, dpa Das Gesundheit­ssystem in Deutschlan­d leistet viel. Doch die Versicheru­ng ist manchmal komplizier­t.

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