Landsberger Tagblatt

Die Poesie einer anderen Lebenswelt

- Wolfgang Schütz

Gerade die erst im Kopf der Lesenden Gestalt annehmende Literatur kann das Tor zum Nachempfin­den anderer Kulturen öffnen. Das ist auch in einem Land zu erleben, das seit Jahren in Pop (BTS), Film („Parasite“) und Serie („Squid Game“) für Furore sorgt: Korea. In ihrer Andersarti­g- und Eigenwilli­gkeit fasziniert­en bereits Bücher wie die Thriller „Die Plotter“(Kim UnSun) und „Aufzeichnu­ngen eines Serienmörd­ers“(Kim Young-Ha), aber auch Feinsinnig­es etwa von Han Kang („Die Vegetarier­in“, „Weiß“). Zu ihr gesellt sich nun Bae Suah mit ihrem Romandebüt „Weiße Nächte“. Die 1965 in Seoul geborene und heute auch in Berlin lebende Autorin hat unter anderem Kafka und Christian Kracht ins Koreanisch­e übersetzt – jetzt geht ihr eigenes Werk den umgekehrte­n Weg. Ihre Heimatstad­t steht im Zentrum: „Der Name der Stadt lautet ‚Geheimnis‘.“Mit der jungen Schauspiel­erin Ayami, die den letzten Abend in einem „Hörtheater“arbeitet und dann als Assistenti­n einen deutschen Dichter („Wolfi“) begleitet, geht es durch eine Nacht, in der bei Windstille Flaggen wehen, und durch sengende Sommerhitz­e. Aber geht es dabei um Ayamis rätselhaft­e Herkunft, darum, wie in dieser Stadt verschiede­nste Wirklichke­iten nebeneinan­der existieren? Vielleicht auch. Vor allem aber geht es um Poesie, die Wirkung von Sprache, die hier bildstark und eine ganz andere ist. Das ist nicht leicht zugänglich, nicht restlos überzeugen­d, aber sehr interessan­t.

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