Alles Frauen!
Feminismus Denkerinnen, Autorinnen… und Wütende
GWasendern für Fortgeschrittene: ist die weibliche Form von Genie? Die Antwort ist ein feministisch bewegtes, aber dabei durchaus auch sehr vergnüglich eigenwilliges Buch: „Ich brauche eine Genie.“Quatsch? Ja, darum geht es auch. Und um tote Crackhuren im Kofferraum. Aber zunächst zu Simone de Beauvoir und Hannah Arendt, zu J. K. Rowling und Juli Zeh.
Wenn es nämlich um die Sichtbarkeit von Frauen in Kultur und Kulturgeschichte geht, fallen schnell die gleichen Namen – und ein doppelter Eindruck verfestigt sich: Ja, die Damen erscheinen nicht selten unterrepräsentiert – aber gibt es sie nicht auch wirklich weniger? Eine korrigierende Antwort darauf sind Zusammenstellungen bedeutender Frauen in jeweiligen Bereichen, von denen es aktuell auch wieder einige gibt. „Große Philosophinnen“etwa präsentiert der aus Augsburg stammende Autor Armin Strohmeyr und porträtiert darin zehn von ihnen zwischen dem 12. und dem 20. Jahrhundert mit dem nicht eben bescheidenen Zusatz: „Wie ihr Denken die Welt prägte.“Es ist dann freilich interessant, eben nicht nur mal wieder über die Beauvoir und die Arendt zu lesen, sondern – beginnend mit Abelards geliebter Héloise, endend mit der großen Lehrerin Jeanne Hersch – auch etwa über Hildegard von Bingen, Christine de Pizan und Émilie du Châtelet, denn Strohmeyr erzählt kundig und pointiert. Aber „die Welt prägte“? Der Anspruch tut den daran Gemessenen und damit dem Anliegen nicht immer gut.
Gleich 100 Frauen stellt ein selbst nicht unprominentes AutorinnenKonglomerat (mit Julia Encke und Elke Schmitter) vor, aus einem Bereich, in dem sie nicht mehr unterrepräsentiert wirken: der Literatur. Aber wie die Eingangsszene gleich in erhellenden Kontrast stellt: Dass eine junge Dichterin zur Vereidigung des US-Präsidenten spricht – das wäre wirklich lange und auch bis vor kurzem geradezu unmöglich gewesen. Armanda Gorman selbst ist dann nicht unter den Hundert, aber beginnend mit der Zeitgenossin Leila Slimani, endend mit der antiken Sappho geht es dann von heute aus rückwärts, mit aller Prominenz (auch wieder mit de Beauvoir, von Bingen, de Pizan) und hinreichend Diversität. Es sind im Schnitt fünf Seiten, ob Jane Austen oder Rowling, Zeh oder Zhang Jie, Astrid Lindgren oder Susan Sontag, jeweils interessant in der Verkürzung, insgesamt ein Parforceritt, der immerhin anregen kann.
Wie auch die Sache mit „eine Genie“. Hier nämlich geht es, in ebensolchem Ritt, von Z bis A über mehr als 60 Musikerinnen in Deutschland, von denen es immer heißt, es gäbe zu wenige. Es ist ein Songbook, zusammengestellt von den GretherSchwestern der Band Doctorella, über Genres und Jahrzehnte hinweg, das wild zusammengebastelt wirkt und dann doch auch wie ein Gedichtband (mit Akkord-Vermerken). Darunter Schnipo Schranke, Ilgen-Nur und die Band mit dem Kofferraum im Namen… Und mit aktuellem Verdruss. Denn nach der Corona-Not, die auch mal Jungsund Männerbands erreicht hat, würden vor allem jene jetzt für Konzerte gebucht. Da linst bei aller Lust an der Musik auch Wut mit durch.
Gut so, würde Ciani-Sophia Hoeder sagen. Von ihr stammt der feministische Essay der Stunde: „Wut und Böse“. Sie entlarvt mit Leidenschaft, wie verärgerte Frauen, so gerechtfertigt ihre Empfindung auch immer sein mag, sofort diskreditiert in die Zicken-Ecken gestellt werden. „Tone policing“nennt sich das, wenn Anliegen mit Verweis allein auf den Ton für nichtig erklärt werden. Die Journalistin Hoeder liefert auch Strategien dagegen, allen voran: Befürworter einer wahren Gleichberechtigung, verbündet euch!
Mikrotext, 304 Seiten, 19,99 Euro