Landsberger Tagblatt

Jahrestag: Gedenken an die Toten des Baustellen­unfalls

Trauer An der Creszentia­kapelle bei Dienhausen findet eine Andacht statt. Prediger Ludwig Streicher hat einen Appell

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Denklingen Ein Jahr nach dem Baustellen­unglück in Denklingen, das vier junge Männer das Leben kostete, sind die schrecklic­hen Ereignisse bei vielen Menschen nicht vergessen. Sie kamen am 16. Oktober zur Gedenkfeie­r an die idyllisch auf einer Waldlichtu­ng gelegene Creszentia­kapelle bei Dienhausen, um der Verstorben­en zu gedenken und den Hinterblie­benen Kraft zu spenden. Initiiert wurde die Feier von der Baufirma Schießl aus Denklingen, auf deren Gelände die Betondecke eingestürz­t war und vier Mitarbeite­r getötet worden waren.

Unter den Besuchern befanden sich Angehörige, Freunde und Kollegen der Opfer sowie zahlreiche Einsatzkrä­fte. Viele Menschen nutzten die Minuten vor Beginn der Feierlichk­eiten, um für die Verstorben­en eine Kerze in der kleinen Kapelle anzuzünden. Die ersten Tränen flossen bereits vor Beginn der Feierlichk­eiten, einige Besucher umarmten sich. „Der Heiland ist mitten unter uns, weil wir zusammen sind, weil wir traurig sind“, begann Ludwig Streicher nach dem Läuten der Glocke mit den Gedenkwort­en an dem mit weißem Tuch eingedeckt­en, mit weißen Rosen und roten Kerzen geschmückt­en Altar. Das Gefühl, von Gott verlassen zu sein, habe auch Jesus am Kreuz gehabt, erinnerte der Prediger. Nach dem „Warum“zu fragen, sei das, was so schmerze. „Denn in diesem Leben wird es keine Antwort darauf geben“, so Streicher. Auch ein Jahr nach dem Unglück sei es nicht möglich, zu verstehen, was passiert sei. „Doch wir alle tragen es mit und zeigen damit, dass wir es nicht vergessen werden.“

Streicher appelliert­e in seiner Predigt vor allem an die Solidaritä­t mit den Angehörige­n, aber auch explizit mit der Baufirma, denn diese Menschen seien es, die die Unglücksst­elle jeden Tag sehen müssten und mit dem leben müssten, was passiert sei. Er rief dazu auf, sich nicht auseinande­r dividieren zu lassen, zusammenzu­helfen und zusammenzu­stehen. Vorwürfe würden nur zu Verbitteru­ng führen. „Lasst uns nicht mit dem Finger auf andere zeigen, sondern solidarisc­h sein“, betonte Streicher, der den Einsturz auf der Baustelle auch symbolisch sah. Denn auch Verbindung­en zwischen Menschen könnten einstürzen, vor allem, wenn man beginne, einander Vorwürfe zu machen. „Zu den Angehörige­n zu sagen, das Leben gehe schon weiter, tut diesen unendlich weh. Denn Michi, Christian, Wolfgang und Max fehlen“, sagte Streicher. Tröstlich sei dagegen, miteinande­r aus Liebe und mit Verständni­s zu sprechen und auch an das zu denken, was die vier Verstorben­en durch ihrer Hände Arbeit auf dieser Welt geschaffen hätten, zum Beispiel ein Zuhause für viele Menschen.

Für jeden der vier Toten wurde die Glocke geläutet, die eingestreu­ten Stücke des Musikverei­ns gaben Raum für persönlich­e Gedanken und um das Gesicht von Tränen zu trocknen. Nicht von allen betroffene­n Familien waren Angehörige gekommen, war zu hören. Manche von ihnen lehnten den Kontakt untereinan­der ab. Die, die gekommen waren, fanden in der Gemeinscha­ft Anteilnahm­e, die sich auch in den vielen Gesprächen in kleinen Gruppen nach der Feier zeigte, sicher Trost, Halt und Zuversicht für die kommende Zeit.

 ?? Foto: Christian Rudnik ?? An der Creszentia­kapelle bei Dienhausen hat am Samstag eine Gedenkfeie­r für die vier am 16. Oktober 2020 getöteten Bauarbeite­r stattgefun­den.
Foto: Christian Rudnik An der Creszentia­kapelle bei Dienhausen hat am Samstag eine Gedenkfeie­r für die vier am 16. Oktober 2020 getöteten Bauarbeite­r stattgefun­den.

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