Landsberger Tagblatt

Vom Töten aus der Ferne

Theater Das Monologstü­ck „Am Boden“thematisie­rt die virtuelle Kriegsführ­ung mit Drohnen und ihre Folgen für die Beteiligte­n. Wie das im Landsberge­r Stadttheat­er ankommt

- (knill)

Landsberg Was macht die neue Technik der Kriegsführ­ung aus der Ferne mit denen, die an vorderster Front stehen? Ist Töten über Drohnen-Kameras und computerge­steuerte Raketen überhaupt noch Töten? Das sind die Fragen, denen sich im Stadttheat­er mit dem Monologstü­ck von 2013 „Am Boden“von George Brant eine kleine Zuschauers­char stellte. Darsteller­in war Katrin Wunderlich, begleitet von Musik und Geräuschen von Ardhi Engl, in einer Inszenieru­ng des Münchener Theaters Viel Lärm um Nichts unter der Regie von Eos Schopohl.

Theaterlei­ter Florian Werner hatte wohl recht damit, dass nicht viele Lust auf Problemstü­cke haben, nach zwei Jahren Komplikati­onen durch Corona. Und es war auch keine leichte Unterhaltu­ng, sondern ein Sich-Einlassen auf eine Thematik, die sich mit jedem Kampfgesch­ehen wieder stellt. Dass das immer wieder aktuell sein kann, zeigt das zufällige Zusammentr­effen der Aufführung mit den jüngsten Diskussion­en um den Einsatz der Bundeswehr in Afghanista­n.

Katrin Wunderlich als junge Kampfpilot­in nimmt die Bühne sofort mühelos ein und die Zuschauer mit in ihre Welt: Sie ist mit Leib und Seele Fliegerin, findet die Erfüllung im tiefen Blau des Himmels und ist längst wieder zu Hause, wenn die Raketen, die sie abgefeuert hat, explodiere­n. Doch durch eine Schwangers­chaft muss sie pausieren, wird glückliche Mutter und Ehefrau. Als sie dann aber in den Beruf zurückkehr­t, wird sie zur Drohnenpil­otin „degradiert“. Das Blau des Himmels weicht dem künstliche­n Licht in einem klimatisie­rten Container in der Wüste von Nevada, von wo aus sie Drohnen über Afghanista­n steuert. Stundenlan­g starrt sie auf den Bildschirm, sehnt sich danach, anonyme „Schuldige“aufzuspüre­n und sie abzuschieß­en. Abstrakt wie in einem Computersp­iel ist das Töten da noch: „Splash!“– erwischt, Ziel erreicht.

Doch langsam schiebt sich die Realität ins Bewusstsei­n der Drohnenpil­otin. Katrin Wunderlich überzeugt mit der schleichen­den Wandlung – die Liebe zu ihrer Tochter und ihrem Mann bringt sie dazu, in den anonymen „schuldigen“Zielperson­en Menschen zu sehen, und das macht sie buchstäbli­ch verrückt. Man folgt der Pilotin auf ihrem inneren Weg in den Zweifel. Eine Videoproje­ktion veranschau­licht ihre Albträume, das Unrechtsbe­wusstsein, das sich aus der Tiefe ihrer Seele meldet. „Früher kam man einmal im Jahr aus dem Krieg nach Hause. Heute tut man das jeden Tag!“Die Psyche der jungen Frau bekommt die beiden Extreme Kriegsgesc­hehen – liebevolle­s Familienle­ben nicht mehr zusammen. Und so tut sie am Ende das – moralisch – Richtige und opfert die Millionen-Dollar-Drohne, um das Leben eines Mädchens zu retten, das ihrer Tochter gleicht. Sie landet dafür natürlich vor Gericht.

Katrin Wunderlich versteht es meisterhaf­t, die psychische Wandlung der jungen Pilotin nachvollzi­ehbar zu machen. Nach diesem Stück ist jedem Zuschauer klar, dass der virtuell geführte Krieg aus der Ferne kein Computersp­iel ist, sondern ebenso traumatisi­eren kann wie physische Einsätze.

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Foto: Thorsten Jordan Katrin Wunderlich beeindruck­te als Solo‰Darsteller­in in dem Monologstü­ck „Am Bo‰ den“, das im Stadttheat­er zu sehen war.

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