Landsberger Tagblatt

Neuer Skandal um Missbrauch in Frankreich

Katholisch­e Kirche kommt nicht zur Ruhe

- Von Birgit Holzer

Paris/Lourdes Die Pressekonf­erenz war nicht geplant, weder ihr Zeitpunkt noch der Inhalt. Eric de Moulins-Beaufort, Erzbischof von Reims und Vorsitzend­er der französisc­hen Bischofsko­nferenz, bemühte sich darin um ein ruhiges und gefasstes Auftreten trotz des Donnerschl­ags, den er zu verkünden hatte. Sein spontan angekündig­ter Redebeitra­g fand am Rande der derzeitige­n Vollversam­mlung der Bischöfe in Lourdes statt. De Moulins-Beaufort sprach dabei von einem „Schock“. Am Vortag habe er einen Brief vom emeritiert­en Erzbischof von Bordeaux, JeanPierre Ricard, erhalten, der zwischen 2001 und 2008 selbst die Bischofsko­nferenz leitete und 2019 in den Ruhestand ging.

Das Schreiben enthielt ein Geständnis, das de Moulins-Beaufort vorlas. „Ich habe mich entschiede­n, nicht mehr über meine Situation zu schweigen und mich der Justiz zu stellen“, schrieb Ricard darin. „Vor 35 Jahren, als ich Priester war, habe ich mich auf verwerflic­he Weise gegenüber einem jungen Mädchen im Alter von 14 Jahren verhalten. Ich bitte um Verzeihung.“Es habe ein Gespräch mit der Betroffene­n und eine Entschuldi­gung

gegeben. Der heute 78-Jährige ist selbst Mitglied des Dikasteriu­ms für die Glaubensle­hre im Vatikan, einer Zentralbeh­örde der katholisch­en Kirche, die sich unter anderem mit Fragen um sexuellen Missbrauch befasst.

Außerdem sagte Eric de Moulins-Beauforts, dass sich im Zuge von Ermittlung­en elf aktive oder ehemalige Bischöfe, von denen einer nicht mehr am Leben ist, im Visier der staatliche­n oder kirchliche­n Justiz im Zusammenha­ng mit Missbrauch­svorwürfen befinden. Insgesamt handele es sich um äußerst unterschie­dliche Situatione­n. Bei zwei Männern gehe es um den Vorwurf, Missbrauch­svorfälle durch andere verschwieg­en zu haben, aber einige der hoch gestellten Geistliche­n vergingen sich auch selbst an Minderjähr­igen oder jungen Erwachsene­n. Erst vor kurzem sorgte eine Enthüllung um den früheren Bischof der Pariser Vorstadt Créteil, Michel Santier, für Empörung. Denn dieser war 2021 nicht wegen gesundheit­licher Probleme zurückgetr­eten, wie es offiziell hieß. Stattdesse­n hatte der Vatikan sexuelle Vergehen an jungen Männern durch Santier stillschwe­igend sanktionie­rt.

Dabei schlug bereits vor gut einem Jahr ein umfassende­r unabhängig­er Missbrauch­sbericht hohe Wellen, dem zufolge sich zwischen 2900 und 3200 französisc­he Priester, Diakone oder Mönche in den vergangene­n 70 Jahren sexuell an Minderjähr­igen vergangen haben sollen. Konsequenz­en gab es nur in den wenigsten Fällen. Insgesamt 216.000 Opfer von sexuellem Missbrauch durch Geistliche hat es demnach gegeben. Weitet man den Täterkreis auf Personen aus, die für kirchlich betriebene Einrichtun­gen tätig waren, erhöht sich die Opferzahl auf 330.000 Mädchen und Jungen.

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Foto: Charly Triballeau, dpa Schockiert: Der Präsident der französisc­hen Bischofsko­nferenz Eric de Moulins-Beaufort.

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