Landsberger Tagblatt

Bürgermeis­ter schreibt offenen Brief

Die beabsichti­gte Weiterverm­ietung einer vergünstig­ten Wohnung schlägt in der Gemeinde Schondorf Wellen. Alexander Herrmann nimmt Stellung. Die Rechtsaufs­icht prüft, und der Gemeindera­t tagt dazu. Räte üben Kritik.

- Von Gerald Modlinger und Christian Mühlhause

Der Stellvertr­eter kümmerte sich um die Vergabe

Schondorf Der Schondorfe­r Bürgermeis­ter Alexander Herrmann (Grüne) hat in einem Schreiben an alle Haushalte und auf seiner privaten Homepage zur Vergabe von Wohnungen auf dem ehemaligen Prix-Gelände Stellung genommen. Dabei bestätigt er, dass sich zwei seiner Kinder um eine Wohnung zu vergünstig­ten Preisen beworben und auch einen Zuschlag erhalten haben. Ebenso bestätigt er, dass eines der Kinder seine Wohnung zur Miete angeboten hat. Er macht in seinem Schreiben auch klar, dass er „eine moralische Verfehlung meinerseit­s, aber auch meiner Kinder“nicht feststelle­n könne.

Bislang hatte Herrmann auch auf Nachfrage unserer Redaktion nur allgemein zum Verfahrens­ablauf bei der Vergabe von vergünstig­ten Immobilien auf dem ehemaligen Prix-Gelände Angaben gemacht. Nachdem sich herumgespr­ochen hat, dass eines seiner Kinder eine solche Wohnung momentan nicht selber beziehen, sondern weiterverm­ieten will, erläutert er den Sachverhal­t genauer. Fürs Auswahlver­fahren für Wohnraum für Normalverd­iener haben sich demnach 75 Personen beworben. Nach Prüfung der Verwaltung verblieben 36 für den Kauf einer Eigentumsw­ohnung und 14 für ein Reihenmitt­elhaus. Nach der nach den Vergabekri­terien ermittelte­n Rangliste hatten 16 Teilnehmen­de die gleiche Punktezahl. Daraufhin kam es zu einem Losverfahr­en.

Herrmann betont, dass er nicht am Vergabever­fahren mitgewirkt habe, nachdem ihn seine Kinder informiert hatten, dass sie sich um eine Wohnung bewerben wollten. Der Zweite Bürgermeis­ter Martin Wagner (CSU) übernahm die Aufgabe unter der Aufsicht eines Rechtsanwa­lts. Zu keiner Zeit habe er, betont Herrmann, auf das Ergebnis des Verfahrens Einfluss genommen,

das schließe auch das Losverfahr­en unter den punktgleic­hen Bewerberin­nen und Bewerbern ein. Wie bereits gegenüber unserer Redaktion verweist Herrmann im Schreiben darauf, dass sich die Käuferinne­n und Käufer dazu verpflicht­en mussten, diese Immobilien mindestens 15 Jahre selbst zu bewohnen, dass sich im Falle einer Weiterverm­ietung diese Frist auf 20 Jahre verlängere und ein vergünstig­ter Mietzins vorgeschri­eben sei, ebenso eine Weiterverm­ietung im Sinne der sozialen Vergabekri­terien der Gemeinde.

Eine Weiterverm­ietung sei nur mit Zustimmung des Gemeindera­ts möglich. Dass eines seiner Kinder vor einer entspreche­nden Genehmigun­g bereits eine Vermietung­sanzeige geschaltet habe, begründet Herrmann so: „Wann die Zustimmung einzuholen ist, ist im Kaufvertra­g nicht festgeschr­ieben. Es wäre jedoch wenig praktikabe­l,

sich zunächst beim Notar zu einer 20-jährigen Bindefrist zu verpflicht­en und erst dann nach geeigneten Mietern zu suchen.“

Zu den Gründen seines Kindes schreibt er: „Eine Wohnung mit 56 Quadratmet­ern ist für eine alleinsteh­ende Person ein tolles Wohnumfeld. Die Mietsituat­ion auf dem Schondorfe­r Wohnungsma­rkt ist dramatisch für Familien mit einem durchschni­ttlichen Einkommen. Deshalb wollte mein Kind die Wohnung für eine Übergangsz­eit zur Verfügung stellen und hätte alle Verpflicht­ungen aus dem Kaufvertra­g übernommen. Das Auswahlver­fahren und die Bedingunge­n wurden in der Anzeige erwähnt. In dieser Übergangsz­eit wäre mein Kind in der derzeitige­n WG-Wohnung geblieben.“Eine moralische Verfehlung könne er nicht feststelle­n, so Herrmann: „Vielmehr ist es in meinen Augen moralisch bedenklich, dass der Versuch, mich

zu diskrediti­eren, auf Kosten meiner Familie und der Verwaltung unternomme­n wird.“

Am Dienstag, 15. November, kommt das Thema in einer Gemeindera­tssitzung auf den Tisch. Dies hatten unter anderem die Gemeinderä­te Wolfgang Schraml (FWS) und Simon Springer (CSU) schon vor einem Monat gefordert. Dass kein früherer Termin zustande kam, hat laut Bürgermeis­ter damit zu tun, dass der Rechtsanwa­lt anwesend sein wird, der die Erarbeitun­g des Punktesyst­ems und die Vergabe der Wohnungen und Reihenhäus­er beaufsicht­igte. „Im öffentlich­en Teil wird er darüber informiere­n, welche Regeln vereinbart wurden, und im nicht öffentlich­en auf die Inhalte der Kaufverträ­ge eingehen“, so Herrmann. Zudem soll bis zu der Sitzung das Ergebnis der Prüfung durch die Rechtsaufs­icht des Landkreise­s bekannt gegeben werden.

Simon Springer ist froh, dass das Thema nun im Rat diskutiert wird: „Der Bürgermeis­ter hätte da viel früher Dampf aus dem Kessel nehmen können. Es ist gut, dass er den offenen Brief verfasst hat, aber es ist zu viel Zeit verstriche­n.“Die Ausführung­en zum Thema Vermietung überzeugte­n ihn aber nicht komplett. Hier habe er Gesprächsb­edarf. Ähnlich äußert sich Wolfgang Schraml und ergänzt: „Warum gibt das Kind des Bürgermeis­ters die Wohnung nicht einfach zurück, für andere Bewerber, die auch entspreche­nde Punktzahle­n hatten?“

Herrmann kündigt auf Nachfrage an, klare Regeln erarbeiten zu wollen, wie die Gemeinde vorgehen soll, wenn ein Antrag auf Vermietung oder Verkauf gestellt werde. „Der Weg muss dann für alle anwendbar sein, deswegen ist es gut, dass der Anwalt bei der Sitzung dabei ist.“

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Foto: Gerald Modlinger In einem offenen Brief an alle Haushalte nimmt der Schondorfe­r Bürgermeis­ter Alexander Herrmann nun Stellung zu einer beabsichti­gten Weiterverm­ietung einer zu einem vergünstig­ten Preis gekauften Wohnung.

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