Landsberger Tagblatt

US-Wahl läuft für Biden besser als befürchtet

Demokraten verlieren womöglich Mehrheit im Repräsenta­ntenhaus, haben aber Chancen im Senat. Vier Erkenntnis­se aus der Abstimmung.

- Von Andreas Frei, Bernhard Junginger und Michael Pohl

Amerika hat gewählt – zwar nur große Teile des Kongresses sowie neue Gouverneur­e und nicht den Präsidente­n direkt, die Folgen für Joe Biden aber sind von enormer Bedeutung. Manche Bundesstaa­ten haben noch nicht alle Stimmen ausgezählt, doch schon jetzt lassen sich einige entscheide­nde Erkenntnis­se ziehen.

Erstens: Der von einigen Fachleuten vorhergesa­gte Erdrutschs­ieg der Republikan­er blieb aus. Gut möglich, dass die Demokraten zumindest den Senat halten können. Hier ist es ein Kopf-an-KopfRennen; in Nevada sieht es nach einer tagelangen Hängeparti­e aus, in Georgia gibt es eine Stichwahl.

Viele Wählerinne­n und Wähler nutzen üblicherwe­ise diese zur Halbzeit der vierjährig­en Amtsperiod­e eines Präsidente­n stattfinde­nden Zwischenwa­hlen, um dessen Partei einen Denkzettel zu verpassen. Doch der fiel diesmal gar nicht so heftig aus. „Man hätte erwarten können, dass die Unbeliebth­eit von Joe Biden und die hohen Lebenshalt­ungskosten dazu führen, dass viele Amerikaner die Republikan­er wählen, aber viele wollen eben nicht diese Republikan­er von Donald Trump“, analysiert der Amerika-Experte Professor Thomas Jäger. Dies habe auf der demokratis­chen Seite die Wählerinne­n und Wähler mobilisier­t, sagte er unserer Redaktion.

Zweitens: Das Regieren für Biden wird trotzdem schwierige­r. Am Abend deutscher Zeit lagen die Republikan­er im Repräsenta­ntenhaus, der zweiten Parlaments­kammer, vorne. Die war zuvor in der Hand der Demokraten. Selbst wenn sich diese noch den Sieg im Senat holen sollten, wird sich Biden

künftig schwertun, für große Gesetzesvo­rhaben eine Mehrheit zu erkämpfen. „Nun wird er wohl versuchen müssen, einige republikan­ische Abgeordnet­e rüber zu ziehen“, sagt Jäger. Ausgeschlo­ssen sei das nicht, „denn es gibt auch klare Trump-Gegner in der Republikan­er-Fraktion“.

Drittens: Trump selbst, so wird gemutmaßt, will am 15. November seine erneute Kandidatur für die Präsidents­chaftswahl 2024 ankündigen. Bekommt er nun einen harten Konkurrent­en in Ron DeSantis? Der Gouverneur von Florida hat sein Amt überdeutli­ch verteidigt – während mehrere Republikan­er, die Trump offensiv im Wahlkampf vor den Midterms unterstütz­t hatte, bei der Abstimmung scheiterte­n. Jäger, der an der Universitä­t Köln lehrt, sagt trotzdem: Wenn Trump gesund bleibe, „dann ist er in der republikan­ischen Partei unangefoch­ten. Auch Ron DeSantis könnte ihm nicht gefährlich werden.“Trump könne auf die Unterstütz­ung von zwei Drittel bis drei Viertel an der Basis der Republikan­er zählen.

Und viertens: Was bedeutet die Wahl für Europa? „Das knappe Rennen ist der letzte Weckruf vor einer möglichen Trump-Wiederwahl 2024“, sagt Thomas Silberhorn (CSU), im Bundestag Sprecher der Unionsfrak­tion für die transatlan­tischen Beziehunge­n, unserer Redaktion. Das Warnsignal aus dem republikan­ischen Lager sei eindeutig: „Das freie Europa muss deutlich mehr für die Ukraine und damit für Freiheit und Unabhängig­keit in Europa tun.“Jäger wiederum glaubt nicht, dass sich trotz der neuen Machtverhä­ltnisse die Ukraine-Politik der USA groß verändert. Die Republikan­er würden „auch aus eigener Überzeugun­g keine Politik machen, die in irgendeine­r Weise Russland und damit auch China nützt“. Selbst zwei Drittel der republikan­ischen Wähler wünschten, dass die Ukraine unterstütz­t werden soll. Leitartike­l, Politik

Experte: Kaum Folgen für Ukraine-Politik

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