US-Wahl läuft für Biden besser als befürchtet
Demokraten verlieren womöglich Mehrheit im Repräsentantenhaus, haben aber Chancen im Senat. Vier Erkenntnisse aus der Abstimmung.
Amerika hat gewählt – zwar nur große Teile des Kongresses sowie neue Gouverneure und nicht den Präsidenten direkt, die Folgen für Joe Biden aber sind von enormer Bedeutung. Manche Bundesstaaten haben noch nicht alle Stimmen ausgezählt, doch schon jetzt lassen sich einige entscheidende Erkenntnisse ziehen.
Erstens: Der von einigen Fachleuten vorhergesagte Erdrutschsieg der Republikaner blieb aus. Gut möglich, dass die Demokraten zumindest den Senat halten können. Hier ist es ein Kopf-an-KopfRennen; in Nevada sieht es nach einer tagelangen Hängepartie aus, in Georgia gibt es eine Stichwahl.
Viele Wählerinnen und Wähler nutzen üblicherweise diese zur Halbzeit der vierjährigen Amtsperiode eines Präsidenten stattfindenden Zwischenwahlen, um dessen Partei einen Denkzettel zu verpassen. Doch der fiel diesmal gar nicht so heftig aus. „Man hätte erwarten können, dass die Unbeliebtheit von Joe Biden und die hohen Lebenshaltungskosten dazu führen, dass viele Amerikaner die Republikaner wählen, aber viele wollen eben nicht diese Republikaner von Donald Trump“, analysiert der Amerika-Experte Professor Thomas Jäger. Dies habe auf der demokratischen Seite die Wählerinnen und Wähler mobilisiert, sagte er unserer Redaktion.
Zweitens: Das Regieren für Biden wird trotzdem schwieriger. Am Abend deutscher Zeit lagen die Republikaner im Repräsentantenhaus, der zweiten Parlamentskammer, vorne. Die war zuvor in der Hand der Demokraten. Selbst wenn sich diese noch den Sieg im Senat holen sollten, wird sich Biden
künftig schwertun, für große Gesetzesvorhaben eine Mehrheit zu erkämpfen. „Nun wird er wohl versuchen müssen, einige republikanische Abgeordnete rüber zu ziehen“, sagt Jäger. Ausgeschlossen sei das nicht, „denn es gibt auch klare Trump-Gegner in der Republikaner-Fraktion“.
Drittens: Trump selbst, so wird gemutmaßt, will am 15. November seine erneute Kandidatur für die Präsidentschaftswahl 2024 ankündigen. Bekommt er nun einen harten Konkurrenten in Ron DeSantis? Der Gouverneur von Florida hat sein Amt überdeutlich verteidigt – während mehrere Republikaner, die Trump offensiv im Wahlkampf vor den Midterms unterstützt hatte, bei der Abstimmung scheiterten. Jäger, der an der Universität Köln lehrt, sagt trotzdem: Wenn Trump gesund bleibe, „dann ist er in der republikanischen Partei unangefochten. Auch Ron DeSantis könnte ihm nicht gefährlich werden.“Trump könne auf die Unterstützung von zwei Drittel bis drei Viertel an der Basis der Republikaner zählen.
Und viertens: Was bedeutet die Wahl für Europa? „Das knappe Rennen ist der letzte Weckruf vor einer möglichen Trump-Wiederwahl 2024“, sagt Thomas Silberhorn (CSU), im Bundestag Sprecher der Unionsfraktion für die transatlantischen Beziehungen, unserer Redaktion. Das Warnsignal aus dem republikanischen Lager sei eindeutig: „Das freie Europa muss deutlich mehr für die Ukraine und damit für Freiheit und Unabhängigkeit in Europa tun.“Jäger wiederum glaubt nicht, dass sich trotz der neuen Machtverhältnisse die Ukraine-Politik der USA groß verändert. Die Republikaner würden „auch aus eigener Überzeugung keine Politik machen, die in irgendeiner Weise Russland und damit auch China nützt“. Selbst zwei Drittel der republikanischen Wähler wünschten, dass die Ukraine unterstützt werden soll. Leitartikel, Politik
Experte: Kaum Folgen für Ukraine-Politik