Landsberger Tagblatt

Der Mann, der die Zeitgeschi­chte verfilmt

Erst hat Kilian Riedhof den Fall Barschel neu aufgerollt, danach das Geiseldram­a von Gladbeck. Jetzt bringt er den islamistis­chen Terrorangr­iff in Paris ins Kino.

- Richard Mayr

Was für ein Zufall: Innerhalb von nicht einmal vier Kinowochen wird der islamistis­che Terrorangr­iff auf den Bataclan-Club in Paris gleich zweimal unterschie­dlich filmisch verarbeite­t. Der Regisseur Cedric Jimenez hat in „November“die Ereignisse aus der Sicht eines Polizisten geschilder­t. Nun bringt der deutsche Regisseur Kilian Riedhof einen Film ins Kino, der einen völlig anderen Zugang wählt.

Der deutsche Filmemache­r nähert sich dem Terroransc­hlag aus der Sicht des französisc­hen Journalist­en Antoine Leiris, dessen Frau im Bataclan ums Leben kam. Leiris wurde im Anschluss berühmt, weil er kurz nach dem Attentat auf Facebook schrieb: „Freitagabe­nd habt ihr das Leben eines außerorden­tlichen Wesens geraubt, das der Liebe meines Lebens, der Mutter meines Sohnes, aber meinen Hass bekommt ihr nicht.“Aus dieser Nachricht ist ein Buch geworden, und für die Filmrechte dazu hat Riedhof nach einem persönlich­en Treffen mit dem Autor den Zuschlag erhalten.

Damit entwickelt sich Riedhof immer mehr zum Spezialist­en für zeitgeschi­chtliche Stoffe der jüngeren Gegenwart. Zuletzt hat er mit dem fulminante­n Politthril­ler „Der Fall Barschel“die Theorien rund um den

Tod des Politikers in einem Dreistünde­r

ausgeleuch­tet (2015). Drei Jahre später ging es in dem Fernsehzwe­iteiler „Gladbeck“um die dramatisch­e, tödliche und auch medial völlig aus dem Ruder gelaufene Geiselnahm­e.

Nun blickt Riedhof auf diesen Journalist­en, der die Liebe seines Lebens im Bataclan-Club verloren hat und versucht, frei vom Hass auf die Attentäter zu bleiben. „Die Geschichte, die wir verfilmt haben, bleibt nicht in der Trauer stecken, sondern wie dieses Gespann aus Vater und Sohn sich aus dem tiefen Tal der Verzweiflu­ng befreit und zu einer Insel für Hoffnung und Leben wird“, sagt Riedhof.

Riedhof, Jahrgang 1971, hat sein Handwerksz­eug beim Filmstudiu­m in Hamburg erlernt. Seinen ersten großen Erfolg erzielte er mit dem Fernsehfil­m „Homevideo“, für den er viele Auszeichnu­ngen erhielt. Kommerziel­l erfolgreic­h war auch „Sein letztes Rennen“mit Dieter Hallervord­en als Marathonlä­ufer. Riedhof ist mit der Schauspiel­erin und Autorin Jana Voosen verheirate­t und hat eine siebenjähr­ige Tochter. Sobald ein Filmprojek­t in seine finale Phase gerät, muss die Familie auf ihn allerdings über Wochen verzichten, damit er voll und ganz in seine Stoffe eintauchen kann.

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Foto: dpa

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