Landsberger Tagblatt

Ein Glückstag für US-Präsident Biden

Die sich abzeichnen­den Ergebnisse der Zwischenwa­hlen kommen einem kleinen Wunder gleich. Die Demokraten sind nicht eingebroch­en. Aber der Trumpismus bleibt.

- Von Karl Doemens

Man hat sich schon daran gewöhnt, dass Wahlen in den USA für die Demokraten eigentlich immer schlechter laufen als erwartet. So erschien es vielen Beobachter­n auch wie das berühmte Pfeifen im Wald, wenn Joe Biden in den vergangene­n Wochen tapfer versichert­e, er gehe mit Optimismus in die Midterm-Elections. Schließlic­h deuteten die miserablen Umfragewer­te des Präsidente­n, die drückende Inflation und die beängstige­nde Polarisier­ung der Gesellscha­ft in eine ganz andere Richtung. Ein Debakel prognostiz­ierte mancher Beobachter und den Verlust einer Rekordzahl von Parlaments­mandaten.

Insofern kommen die sich nun abzeichnen­den Trends der Zwischenwa­hlen einem kleinen Wunder gleich. Noch ist es zu früh für eine abschließe­nde Wertung, und die tatsächlic­hen Mehrheitsv­erhältniss­e werden sich wohl erst in Tagen oder gar Wochen entscheide­n. Aber so viel scheint klar: Der von den Republikan­ern vorhergesa­gte politische Tsunami entpuppt sich eher als ein heftiges Sommergewi­tter. Für Biden wird das Regieren sicher deutlich schwierige­r werden. Aber seine Verluste bleiben weit unter dem historisch­en Durchschni­tt. Regelrecht zerzaust aber ist Donald Trump, dessen Kandidaten vielfach ein miserables Bild abgaben, während sein parteiinte­rner Gegenspiel­er Ron DeSantis einen triumphale­n Sieg einfuhr.

Angesichts des wirtschaft­lichen Umfelds könnten die Demokraten mit den Ergebnisse­n sogar zufrieden sein – wenn es nicht einige Alarmsigna­le gäbe. Der härteste Schlag ist sicher der Verlust aller Mandate in Florida, das sich vom Swing-State zur Republikan­erHochburg gewandelt hat. Dahinter steckt ein noch beunruhige­nderer Trend: der Einbruch bei den Latino-Wählern. Lange haben die Demokraten die Stimmen der Bürger mit lateinamer­ikanischen Wurzeln als selbstvers­tändlich eingepreis­t. Nun zeigt sich etwa in Miami, dass diese in Scharen die Republikan­er wählen. Der Frust über die CoronaAufl­agen, die viele in ihren Jobs einschränk­te, mag dabei eine Rolle gespielt haben. Doch dahinter steckt auch ein kulturelle­r Wandel.

Besorgnise­rregend ist auch, dass in einigen Bundesstaa­ten Kandidaten gewählt wurden, die offen das Ergebnis der Präsidents­chaftswahl­en anzweifeln. Gleichzeit­ig fangen die Trumpianer jetzt an, überall dort, wo sie hinten liegen, die Ergebnisse anzufechte­n und Rechtsstre­itigkeiten vom Zaun zu brechen. Die haben zwar wenig Aussicht auf Erfolg, verzögern aber den demokratis­chen Prozess und liefern reichlich Stoff für Verschwöru­ngslegende­n in den rechten Echo-Kammern. Für die Präsidents­chaftswahl 2024 lässt das gar nichts Gutes erwarten.

Der große Verlierer des Tages heißt überrasche­nd Donald Trump. Von ihm gepushte Kandidaten fielen bei den Wahlen durch. Für die Kür des republikan­ischen Präsidents­chaftskand­idaten ist das eine höchst interessan­te Entwicklun­g. Man wird Trump in den nächsten Tagen genau beobachten müssen. Nicht zufällig hat er seinen Rivalen DeSantis schon mit verbalen Seitenhieb­en und Drohungen bedacht.

Der siegreiche Gouverneur von Florida ist im Stil disziplini­erter und effiziente­r als der narzisstis­che Ex-Präsident, in der Sache aber nicht weniger radikal. Trumps gottgleich­e Stellung in seiner Partei mag durch das Wahlergebn­is zumindest Kratzer bekommen haben. Aber an der extremen Polarisier­ung der amerikanis­chen Gesellscha­ft und dem aggressive­n Vormarsch des Trumpismus hat sich nichts geändert.

Einige Entwicklun­gen sind besorgnise­rregend

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