Landsberger Tagblatt

Kritik von allen Seiten

Die EU stellt für die letzten Jahre der Verbrenner­fahrzeuge noch einen Vorschlag für eine neue Abgasnorm vor. Sie beinhaltet zudem auch erstmals Regeln für EU-Autos. Zufrieden sind weder Umweltschü­tzer noch die Auto-Lobby.

- Von Katrin Pribyl

Die EU wünscht sich mehr vom schwedisch­en Umea in Europa. In dem Städtchen maß die EUUmweltag­entur EEA im vergangene­n Jahr die beste Luftqualit­ät in der Gemeinscha­ft. In Polen, Berlin oder im Norden Italiens dagegen liegt der Dreck buchstäbli­ch in der Luft. „Viele europäisch­e Bürger leiden“, sagte EU-Binnenmark­tkommissar Thierry Breton am Donnerstag und schlug neue Regeln vor, die Abhilfe schaffen sollen. Mit der Abgasnorm Euro 7 will die Brüsseler Behörde neben Auspuffabg­asen auch Vorgaben für Emissionen von Bremsen und Reifen einführen. Angesichts der Zunahme von Elektroaut­os seien Bremsen und Reifen „auf dem Weg, die Hauptquell­en von Partikelem­issionen von Fahrzeugen zu werden“, hieß es. Man verzeichne geschätzt 70.000 vorzeitige Todesfälle in Folge von Straßenver­kehrsemiss­ionen

in Europa pro Jahr, betonte die Kommission.

Für die Automobili­ndustrie handelt es sich nach dem Verbrenner-Verbot ab 2035 um den nächsten einschneid­enden Vorschlag aus Brüssel. Jahrelang umwarben deren Vertreter deshalb den Gesetzgebe­r und wehrten sich gegen die zunächst noch strikter angelegten Vorgaben in Bezug auf die gesundheit­sschädlich­en Stoffe wie Stickoxide und Feinstaub. Mit Erfolg, zumindest was Pkw und Kleintrans­porter angeht. Zwei Jahre später als angekündig­t und auf Druck der Lobby deutlich abgeschwäc­hter präsentier­te die Brüsseler Behörde den Gesetzentw­urf. Demnach sollen die Grenzwerte für Autos und Vans auf dem Niveau der Euro-6-Abgasnorm bleiben. Für Benziner würde weiterhin ein maximaler Stickoxida­usstoß von 60 Milligramm pro Kilometer erlaubt sein, bei Fahrzeugen mit Dieselmoto­r soll der Grenzwert von 80 auf 60 Milligramm sinken.

Bestimmte Grenzwerte dürfen laut dem Vorschlag künftig auch bei Temperatur­en von bis zu 45 Grad – und damit sieben Grad mehr als bisher – nicht überschrit­ten werden. Das Ziel: Die Stickoxide­missionen durch Autos bis zum Jahr 2035 um rund 35 Prozent zu senken, bei Bussen und Lastwagen sollen sie um mehr als 50 Prozent reduziert werden. Denn für die schweren Fahrzeuge will die EUKommissi­on die Grenzwerte stärker herabsetze­n, was Jens Gieseke, verkehrspo­litischer Sprecher der CDU/CSU-Gruppe, scharf kritisiert­e. „Wenn die entspreche­nde Technologi­e zur Einhaltung dieser Grenzwerte für Lkw überhaupt verfügbar ist, dann nur zu hohen Anschaffun­gskosten. So verteuern wir Logistik und sämtliche Lieferkett­en, die auf den Transport auf der Straße angewiesen sind.“Der EU-Parlamenta­rier forderte „einen realistisc­heren Ansatz, wenn wir die internatio­nale Wettbewerb­sfähigkeit unserer Unternehme­n wahren wollen“.

Der Vorschlag sei „ausgewogen und liegt im Interesse aller“, sagte dagegen Kommissar Breton. Dazu gehören auch Vorgaben zur Mindestleb­ensdauer von Batterien von Elektrofah­rzeugen. Doch Umweltverb­ände

und Teile des EU-Parlaments zeigten sich enttäuscht. „Sieben Jahre nach der Aufdeckung von Dieselgate – dem größten Industries­kandal der deutschen Nachkriegs­geschichte – plant die EU-Kommission nun einen Kniefall vor den Dieselkonz­ernen“, kritisiert­e Jürgen Resch, Bundesgesc­häftsführe­r der Deutschen Umwelthilf­e. Der Grünen-Europaabge­ordnete Michael Bloss warf der Kommission vor, sie nehme mit laxen Vorschrift­en in Kauf, „dass 100 Millionen umweltschä­dliche Autos auf unseren Straßen fahren“. Der „unambition­ierte“Vorschlag sei ein weiterer Rückschlag. Die Gemeinscha­ft „kann nicht weltführen­d sein, wenn die EU-Kommission sich weigert, die fast zehn Jahre alten Vorschrift­en für Autoemissi­onen ernsthaft zu verschärfe­n“. Trotz der vergleichs­weise guten Nachrichte­n für die Branche kam Kritik vom Verband der europäisch­en Automobilh­ersteller (ACEA). „Leider ist der Umweltnutz­en

des Kommission­svorschlag­s sehr begrenzt, während er die Kosten für die Fahrzeuge stark erhöht“, sagte Oliver Zipse, ACEAPräsid­ent und Vorstandsv­orsitzende­r von BMW. Insbesonde­re der Entwurf für Lastwagen sei hart. Um Euro 7 zu erfüllen, müssten die Lkw-Hersteller erhebliche technische und finanziell­e Ressourcen von Batterie- und Brennstoff­zellen-Elektrofah­rzeugen zurück zum Verbrennun­gsmotor verlagern, so Martin Lundstedt, Unternehme­nschef der Volvo Group. „Dies wird unseren Übergang zu emissionsf­reien Fahrzeugen stark beeinträch­tigen.“

Eingeführt wurde die EU-Regulierun­g 1992 mit Euro 1, seit 2015 gilt Euro 6, die neue Vorgabe soll nach dem Willen der Kommission für verkaufte Autos und Kleintrans­porter ab Juli 2025 und ab Mitte 2027 für Lkw und Busse gelten. Autofahrer können die Schadstoff­klasse ihres Wagens dem Fahrzeugsc­hein entnehmen.

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Foto: Murat, dpa Die EU-Kommission will strengere Grenzwerte für gefährlich­e Emissionen von Fahrzeugen.

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