Landsberger Tagblatt

Begehrte „Schützenli­sl“

In München streiten sich ein Wiesnwirt und eine Brauerei um die Rechte am berühmten Bildnis einer jungen Kellnerin aus Pöttmes. Nun scheint sich eine Lösung anzubahnen.

- Von Michael Böhm

München Als die Kellnerin Coletta Möritz im Jahr 1878 für einen Münchner Maler Modell stand, ahnte die damals 18-Jährige vermutlich nicht, dass sich mehr als 140 Jahre später Bayerns Gerichte mit ihr beschäftig­en würden. Die in Pöttmes im Kreis AichachFri­edberg geborene Frau posierte also vor Friedrich August von Kaulbach, der schließlic­h ein Ölgemälde von ihr anfertigte: Sie, fröhlich blickend und mit Bierkrügen in den Händen auf einem rollenden Bierfass balanciere­nd. Ein Bild, das Furore machen sollte.

Zum einen, weil es für die damalige Zeit fast schon aufreizend war und so – knapp fünfeinhal­b Meter hoch und am Gasthaus „Schützenli­sl“ angebracht – beim Deutschen Bundesschi­eßen 1881 große Aufmerksam­keit erweckte. Zum anderen, weil das Motiv der „Schützenli­sl“im Lauf der Jahrzehnte auf Postkarten, Bierkrüge und Werbemitte­l aller Art gedruckt wurde und Coletta Möritz quasi zur Werbe-Ikone machte.

Nun in die Gegenwart: Vor dem Oberlandes­gericht in München streiten sich derzeit die „Münchner Kindl Brauerei“und Oktoberfes­tzeltwirt Lorenz Stiftl. Beide erheben Anspruch auf die „Schützenli­sl“. Stiftl hatte sich Bild und Name 2015 beim Deutschen Patentund Markenamt eintragen lassen für Dienstleis­tungen im Bereich der Gastronomi­e – die Marke dann aber jahrelang nicht genutzt. Die Brauerei – in deren Gaststätte Coletta Möritz einst arbeitete – hatte sich die Marke 2016 eintragen lassen, um das Bild des Biermadls für ihr Bier zu verwenden.

In erster Instanz hatte das Landgerich­t München I der Klage der Brauerei stattgegeb­en, die eine

Löschung der Markenrech­te Stiftls gefordert hatte. Der Wiesnwirt ging in Berufung – und darf nun hoffen, weiterhin mit der „Schützenli­sl“auf dem Oktoberfes­t präsent zu sein: Das Oberlandes­gericht ließ am Donnerstag durchblick­en, keine rechtliche­n Bedenken gegen ein „Schützenli­sl“-Festzelt zu haben und regte an, die Streithans­el mögen sich doch bitte einigen, ehe am 15. Dezember ein Urteil verkündet wird.

Die Brauerei machte den Vorschlag, Stiftl die Benutzung des Namens „Schützenli­sl“zu überlassen. Dafür würde die Brauerei auf ihrem Bier mit dem Bildnis der schönen Coletta Möritz werben. Ein Vorschlag, den beide Parteien nun überdenken wollen. „Womit wir nicht leben könnten, wäre, wenn jemand mit unserem Logo ein anderes Bier verkauft“, sagte Münchner-Kindl-Mitinhaber Dietrich Sailer. Derzeit baut der Traunstein­er in München eine Brauerei für das Bier auf, 2024 soll alles fertig sein. Stiftl zeigte sich nach der Verhandlun­g aufgeschlo­ssen: „Leben und leben lassen, das ist unsere bayerische Tradition und das aufrichtig­e Mitanand ist in der heutigen Welt noch mehr gefragt als je. Deswegen versuchen wir sehr gerne zu einem Konsens zu kommen.“

Was Coletta Möritz wohl davon gehalten hätte, dass ihr Bild von damals noch heute die Gemüter erhitzt? Man weiß es nicht. Eines ist jedoch überliefer­t. „Das Bild hat der Tant’ schon gefallen, sie hat oft davon gesprochen. Da war’s stolz drauf“, sagte ihre Großnichte Ottilie Rigl einmal. (mit dpa)

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Foto: Lein, dpa Die „Schützenli­sl“auf Bierkrügen der Brauerei Münchner Kindl.

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