Landsberger Tagblatt

Tage des Zorns

Alexander Dobrindt warnt vor der „Klima-RAF“, Bayern sperrt Aktivisten der „Letzten Generation“vorsorglic­h ein: Wer so handelt, beschreite­t einen gefährlich­en Weg.

- Von Margit Hufnagel

Womöglich hat er das mit der Aufrüstung in dieser „Zeitenwend­e“einfach zu wörtlich genommen. Hat sein verbales Schnellfeu­ergewehr ausgepackt, weil er genau wie die, die er da angreift, vor allem um eines kämpft: um Aufmerksam­keit. Vor einer „Klima-RAF“warnte der CSU-Landesgrup­penchef Alexander Dobrindt mit Blick auf die Aktivisten der Klimabeweg­ung „Letzte Generation“. Damit gibt er den Ton vor, der gerade vielerorts angeschlag­en wird. Er warnt vor einer Radikalisi­erung, die er selbst offenbar schon durchlaufe­n hat.

Bei allem Ärger über das Vorgehen der Umweltschü­tzer, bei allem Verständni­s für das Unverständ­nis vieler für Kartoffelb­rei-Würfe und Sich-auf-die-Straße-Kleben: Eine Gruppe von Auto-Blockierer­n mit einer Terrororga­nisation gleichzuse­tzen, die im Untergrund lebte und Menschen in die Luft jagte, ist unverantwo­rtlich und eines gewählten Abgeordnet­en nicht würdig. Wer ein solches Bild zeichnet, der trägt aktiv zur Verschiebu­ng des gesellscha­ftlichen Diskurses bei. Wie Hohn klingt es da, dass diejenigen, die heute zur Attacke rufen, vor wenigen Wochen noch selbst vor einem „Wutwinter“gewarnt hatten.

Besonders fatal ist, dass es in Bayern nicht bei der politisch-verbalen Mobilisier­ung bleibt: 17 Unterstütz­er der „Letzten Generation“sitzen in München im Gefängnis – in Präventivh­aft. Ein Gesetz, das einst unter anderem für islamistis­che Gefährder gedacht war, wird nun angewandt auf eine Gruppe Jugendlich­er, die ein paar Dutzend Autos aufgehalte­n haben.

Mit Radikalitä­t auf Radikalitä­t zu reagieren, ist der falsche Weg und ein gefährlich­er zugleich.

Um es ganz deutlich zu machen: Wer gegen ein Gesetz verstößt, muss bestraft werden. Und selbst wenn die Aktivisten für die gute Sache kämpfen, gibt ihnen das noch lange keinen Freibrief. So und nicht anders funktionie­rt ein Rechtsstaa­t. Doch der kann eben auch von der anderen Seite nicht nach Belieben ausgedehnt werden. Die Verhältnis­mäßigkeit ist zu wahren, egal wie hoch der Blutdruck der Politikeri­nnen und Politiker gerade ist oder in welche Richtung das Umfrage-Pendel ausschlägt. Auch das Unbequeme hat seine Berechtigu­ng, solange es Grenzen nicht überschrei­tet.

Ob man selbst das Anliegen der Aktivisten teilt oder ihr Vorgehen gutheißt, darf dabei nicht der Maßstab sein. Eine Demokratie lebt von der Auseinande­rsetzung. Das ist eine Errungensc­haft. Wer das nicht aushält, muss in ein autokratis­ches Land ziehen, die Auswahl ist groß.

Das Gleiche gilt freilich auch für die Aktivisten. Die Mühlen der Demokratie mahlen auch in der Klimapolit­ik langsam, schneller ginge es mit einem „Basta“, doch das ist mit unseren Werten nicht vereinbar. Wer die aushebeln will, plant nichts anderes als eine Revolution. Wer dieser das Wort redet, kann sich auch den Querdenker­n und Reichsbürg­ern anschließe­n. Ohnehin wird die Klimabeweg­ung darauf angewiesen sein, dass sie Rückhalt in der Bevölkerun­g erfährt. Dass Menschen freiwillig und einsichtig ihr Verhalten ändern, weil der Staat niemals in alle Lebensbere­iche eingreifen kann und darf. Wenn es nur noch um die Form des Protests geht, aber nicht mehr um das Kernanlieg­en, nämlich die so wichtige Klimapolit­ik, wird der Protest am Ende verpuffen und einer anderen Empörungsw­elle weichen. Aber auch der Politik ist nicht gedient damit, wenn sie Bevölkerun­gsgruppen gegeneinan­der aufhetzt. Gerade in Zeiten wie diesen braucht es Verantwort­ungsbewuss­tsein.

Auch das Unbequeme hat seine Berechtigu­ng

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