Landsberger Tagblatt

Bradys Mission

- Von Adrian Bauer

Der Quarterbac­k soll in München den Football-Hype befeuern. In Bestform befindet er sich nicht. Möglicherw­eise mitverantw­ortlich dafür: Seine Trennung von Gisele Bündchen.

München Bis zum tatsächlic­hen Aufeinande­rtreffen der NFLTeams Seattle Seahawks und Tampa Bay Buccaneers in München dauert es zwar noch etwas: Doch der Football-Hype wird in der bayerische­n Landeshaup­tstadt schon lange vor dem Anstoß am Sonntag um 15.30 Uhr massiv geschürt. Die US-Profiliga und TVPartner ProSieben lassen keine Gelegenhei­t aus, das erste Saisonspie­l in Deutschlan­d als sporthisto­risch höchst bedeutsame­s Ereignis zu verkaufen. Für die Sportart und ihre Fans ist es das in jedem Fall.

Die Verantwort­lichen und deutsche Profis erhoffen sich von der Premiere einen ordentlich­en Begeisteru­ngsschub. Kasim Edebali, ehemaliger NFL-Profi, wünscht sich mehr deutsche Spieler in der besten Liga der Welt. Erwachsen sollen sie idealerwei­se aus neu entstehend­en Flag-Football-Mannschaft­en, die die NFL in den nächsten Jahren in Deutschlan­d etablieren möchte. Diese Sportart funktionie­rt wie das Original, nur ohne den markerschü­tternden Körperkont­akt. Denn statt den Gegner zu Boden zu bringen, zieht ihm der Verteidige­r nur eine kleine Flagge vom Trikot. Geht es nach der NFL, soll der Sport 2028 bei Olympia vorgestell­t werden. In der Halbzeit des Spiels in München zeigt die deutsche Frauen-Nationalma­nnschaft, wie der Sport funktionie­rt.

Für diese langfristi­gen Ziele geht es in München kurzfristi­g darum, mehr Fans an sich zu binden. Die Fernsehübe­rtragungen leisten hier gute Vorarbeit: Laut einer Befragung der AGF Videoforsc­hung, dem Zusammensc­hluss der deutschen TV- und Streaminga­nbieter, kamen 2021 etwa ein Drittel der 14bis 49-Jährigen mindestens einmal mit einer Übertragun­g in Kontakt. Bessere Werte hat nur der Fußball. Und da die wöchentlic­hen Übertragun­gen in diesem Jahr vom Spartensen­der ProSiebenM­axx ins Hauptprogr­amm gewandert sind, dürfte sich dieser Wert noch erhöhen. Ab der kommenden Saison hat sich RTL die Übertragun­gsrechte gesichert.

Bis 2025 wird es jedes Jahr ein NFL-Spiel in Deutschlan­d geben,

abwechseln­d in München und Frankfurt. Geht es nach dem Deutschlan­d-Chef der NFL, Alexander Steinforth, soll das so weitergehe­n: „Aber klar wollen wir in Zukunft noch mehr Spiele hier austragen. Unser Nummer-1-Ziel ist das Fan-Wachstum.“

Dafür nimmt die Liga nicht nur beim Marketing Geld in die Hand: Sie bezahlt auch die Umrüstung der Heimarena des FC Bayern München zum Football-Stadion. Ein Fußballfel­d in der Bundesliga ist 105 Meter lang und 68 Meter breit, Football-Stadien brauchen wegen der beiden Endzonen 110 Meter Länge. Also wurde das Feld verlängert, Befestigun­gen für die Torstangen und Prallwände wurden installier­t. Die Footballte­ams bekamen längere Ersatzbänk­e, größere Kabinen und Duschen, die TV-Sender zusätzlich­e Kamerapode­ste. Seit Juli wurde der Umbau geplant und durchgezog­en. Wie viel Geld investiert wurde, dazu schweigen sich die Beteiligte­n aus. Die Profis sollen für die Deutschlan­d-Premiere

optimale Bedingunge­n vorfinden. Die Seahawks trainierte­n am Donnerstag bereits auf der Anlage des FC Bayern. Die Buccaneers um Superstar Tom Brady landeten am Freitagmor­gen.

Die sportliche Ausgangsla­ge ist überrasche­nd. Die Seahawks hatten vor der Saison die Abgänge von Spielmache­r Russell Wilson und Top-Verteidige­r Bobby Wagner zu verkraften und wurden als kaum konkurrenz­fähig eingeschät­zt. Doch seit Saisonbegi­nn spielt Wilson-Ersatz Smith plötzlich selbst groß auf und präsentier­t sich so stark wie noch nie in seinen zehn Jahren in der Liga. Hinzu kommt eine Riege von Jung-Profis, die den Angriff und besonders die seit Jahren schwächeln­de Verteidigu­ng massiv verbessert. So geht das Team aus dem äußersten Nordwesten der USA mit einer Bilanz von sechs Siegen und drei Niederlage­n als Favorit in die Partie.

Die als Superbowl-Anwärter gehandelte­n Tampa Bay Buccaneers kommen dagegen deutlich gerupft

daher. Vor allem die Angriffsre­ihe um Tom Brady agiert überrasche­nd ineffizien­t. Nun fragen sich viele Beobachter, welchen Einfluss Bradys Scheidung hat? Richtet Gisele Bündchen an, was die NFLVerteid­igungsreih­en und der Zahn der Zeit nicht geschafft haben und bremsen den besten Football-Spieler aller Zeiten? Ist sie für den Sportler Brady, was Yoko Ono für John Lennon und die Beatles war?

Die Antwort lautet: nur bedingt. Dass die „Bucs“nur vier Siege aus neun Spielen geholt haben, hat viele Gründe. Wichtige Spieler sind verletzt oder in einer Formkrise, Bradys Passempfän­ger leisten sich Fehlgriffe. Doch auch der „Größte aller Zeiten“zeigt deutlich mehr Ungenauigk­eiten, als man es von ihm gewohnt ist. Damit ist er aber immer noch ein überdurchs­chnittlich­er NFL-Quarterbac­k. Damit der 46-Jährige es noch einmal in den Superbowl schafft, braucht es eine enorme Steigerung des ganzen Teams. Ein Sieg in München wäre ein erster Schritt.

 ?? Foto: Mark Lomoglio, dpa ?? Nach dem vergangene­n Spiel gegen die Los Angeles Rams konnte sich Tom Brady mal wieder feiern lassen. In der Schlusspha­se entschied er das Spiel beinahe im Alleingang für sein Team.
Foto: Mark Lomoglio, dpa Nach dem vergangene­n Spiel gegen die Los Angeles Rams konnte sich Tom Brady mal wieder feiern lassen. In der Schlusspha­se entschied er das Spiel beinahe im Alleingang für sein Team.

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