Bradys Mission
Der Quarterback soll in München den Football-Hype befeuern. In Bestform befindet er sich nicht. Möglicherweise mitverantwortlich dafür: Seine Trennung von Gisele Bündchen.
München Bis zum tatsächlichen Aufeinandertreffen der NFLTeams Seattle Seahawks und Tampa Bay Buccaneers in München dauert es zwar noch etwas: Doch der Football-Hype wird in der bayerischen Landeshauptstadt schon lange vor dem Anstoß am Sonntag um 15.30 Uhr massiv geschürt. Die US-Profiliga und TVPartner ProSieben lassen keine Gelegenheit aus, das erste Saisonspiel in Deutschland als sporthistorisch höchst bedeutsames Ereignis zu verkaufen. Für die Sportart und ihre Fans ist es das in jedem Fall.
Die Verantwortlichen und deutsche Profis erhoffen sich von der Premiere einen ordentlichen Begeisterungsschub. Kasim Edebali, ehemaliger NFL-Profi, wünscht sich mehr deutsche Spieler in der besten Liga der Welt. Erwachsen sollen sie idealerweise aus neu entstehenden Flag-Football-Mannschaften, die die NFL in den nächsten Jahren in Deutschland etablieren möchte. Diese Sportart funktioniert wie das Original, nur ohne den markerschütternden Körperkontakt. Denn statt den Gegner zu Boden zu bringen, zieht ihm der Verteidiger nur eine kleine Flagge vom Trikot. Geht es nach der NFL, soll der Sport 2028 bei Olympia vorgestellt werden. In der Halbzeit des Spiels in München zeigt die deutsche Frauen-Nationalmannschaft, wie der Sport funktioniert.
Für diese langfristigen Ziele geht es in München kurzfristig darum, mehr Fans an sich zu binden. Die Fernsehübertragungen leisten hier gute Vorarbeit: Laut einer Befragung der AGF Videoforschung, dem Zusammenschluss der deutschen TV- und Streaminganbieter, kamen 2021 etwa ein Drittel der 14bis 49-Jährigen mindestens einmal mit einer Übertragung in Kontakt. Bessere Werte hat nur der Fußball. Und da die wöchentlichen Übertragungen in diesem Jahr vom Spartensender ProSiebenMaxx ins Hauptprogramm gewandert sind, dürfte sich dieser Wert noch erhöhen. Ab der kommenden Saison hat sich RTL die Übertragungsrechte gesichert.
Bis 2025 wird es jedes Jahr ein NFL-Spiel in Deutschland geben,
abwechselnd in München und Frankfurt. Geht es nach dem Deutschland-Chef der NFL, Alexander Steinforth, soll das so weitergehen: „Aber klar wollen wir in Zukunft noch mehr Spiele hier austragen. Unser Nummer-1-Ziel ist das Fan-Wachstum.“
Dafür nimmt die Liga nicht nur beim Marketing Geld in die Hand: Sie bezahlt auch die Umrüstung der Heimarena des FC Bayern München zum Football-Stadion. Ein Fußballfeld in der Bundesliga ist 105 Meter lang und 68 Meter breit, Football-Stadien brauchen wegen der beiden Endzonen 110 Meter Länge. Also wurde das Feld verlängert, Befestigungen für die Torstangen und Prallwände wurden installiert. Die Footballteams bekamen längere Ersatzbänke, größere Kabinen und Duschen, die TV-Sender zusätzliche Kamerapodeste. Seit Juli wurde der Umbau geplant und durchgezogen. Wie viel Geld investiert wurde, dazu schweigen sich die Beteiligten aus. Die Profis sollen für die Deutschland-Premiere
optimale Bedingungen vorfinden. Die Seahawks trainierten am Donnerstag bereits auf der Anlage des FC Bayern. Die Buccaneers um Superstar Tom Brady landeten am Freitagmorgen.
Die sportliche Ausgangslage ist überraschend. Die Seahawks hatten vor der Saison die Abgänge von Spielmacher Russell Wilson und Top-Verteidiger Bobby Wagner zu verkraften und wurden als kaum konkurrenzfähig eingeschätzt. Doch seit Saisonbeginn spielt Wilson-Ersatz Smith plötzlich selbst groß auf und präsentiert sich so stark wie noch nie in seinen zehn Jahren in der Liga. Hinzu kommt eine Riege von Jung-Profis, die den Angriff und besonders die seit Jahren schwächelnde Verteidigung massiv verbessert. So geht das Team aus dem äußersten Nordwesten der USA mit einer Bilanz von sechs Siegen und drei Niederlagen als Favorit in die Partie.
Die als Superbowl-Anwärter gehandelten Tampa Bay Buccaneers kommen dagegen deutlich gerupft
daher. Vor allem die Angriffsreihe um Tom Brady agiert überraschend ineffizient. Nun fragen sich viele Beobachter, welchen Einfluss Bradys Scheidung hat? Richtet Gisele Bündchen an, was die NFLVerteidigungsreihen und der Zahn der Zeit nicht geschafft haben und bremsen den besten Football-Spieler aller Zeiten? Ist sie für den Sportler Brady, was Yoko Ono für John Lennon und die Beatles war?
Die Antwort lautet: nur bedingt. Dass die „Bucs“nur vier Siege aus neun Spielen geholt haben, hat viele Gründe. Wichtige Spieler sind verletzt oder in einer Formkrise, Bradys Passempfänger leisten sich Fehlgriffe. Doch auch der „Größte aller Zeiten“zeigt deutlich mehr Ungenauigkeiten, als man es von ihm gewohnt ist. Damit ist er aber immer noch ein überdurchschnittlicher NFL-Quarterback. Damit der 46-Jährige es noch einmal in den Superbowl schafft, braucht es eine enorme Steigerung des ganzen Teams. Ein Sieg in München wäre ein erster Schritt.