Erinnerungen an die „Happy Boys“
In Landsberg steht bei Music and Talk ein zweites DP-Orchester im Mittelpunkt. Lokale Musiker erwecken dessen Sound zum Leben.
Ihr Name stand für die Musik, der sie sich verschrieben hatten. Denn als sich die „Happy Boys“nur ein Jahr nach Kriegsende daran machten, den Jazz zurück nach Deutschland zu bringen, waren dies für sie alles andere als glückliche Zeiten. Hinter ihnen lagen die leidvollen Jahre der Verfolgung durch das NS-Regime, und das verband sie mit ihrem Publikum: Juden, die nach der Befreiung noch immer in Lagern verharren und dort auf ihre Aus- beziehungsweise Einreisegenehmigungen warten mussten.
Die Unterbringung in Konzentrationslagern war nahtlos übergegangen in die Stationierung in sogenannten „Lagern für Displaced Persons“. Dort allerdings keimte das zarte Pflänzchen Hoffnung, und mit ihm auch die Zauberblume Musik.
Neben dem eher klassisch orientierten DP-Orchester, dessen legendäre Konzerte unter dem Dirigat Leonard Bernsteins in Feldafing und Landsberg sich diesen Mai zum 75. Mal jähren, waren die „Happy Boys“das zweite, im süddeutschen Raum tourende DP-Orchester. Ihnen war im Rahmen der Jubiläumsfeier „Liberation Concert“nun der Abend „Music and Talk“im Foyer des Landsberger Stadttheaters gewidmet.
„Die Wege haben sich gekreuzt, man hatte ein unterschiedliches Repertoire – aber alle waren sie Überlebende der Shoah“, erläuterte Karla Schönebeck. Gemeinsam mit der Landsberger „12th Street Jazz Connection“und dem Ammerseer „Trio Nautico“begab sich
die Moderatorin auf die Spur der „Happy Boys“: Die führte erst einmal von einem DP-Camp in der Oberpfalz nach Polen, wo die vor den Nazis in Sicherheit gebrachten „Instrumente ausgebuddelt“wurden. Das, sagte Schönebeck, „war ein Abenteuer für sich, doch alle, Mensch und Instrument, haben überlebt – and so the music could start again.“
Damit gab sie das Stichwort für die „12th Street Jazz Connection“,
im French Quarter von New Orleans Aufstellung zur „Bourbon Street Parade“zu nehmen – eine schwungvolle Dixienummer, in der Martin Fuchs, Banjo, Ralf Hazebrouk, Klarinette, Michael Ostrowski, Kontrabass, und Klaus Schmidt, Trompete, in wechselnden Soli für ersten Beifall sorgten. Es folgten ein lässiges „All of Me“und mit kurzer Absprache „ham mas?“– „yes!“der Evergreen „Corrine, Corinna“, im Programm vor
allem, damit „unser Bassist auch mal als Sänger groß rauskommt“. Beschwingt schipperte das Schmugglerschiff „Bellamina“über den Mississippi und machte fest zu Duke Ellingtons Big Band Sound aus den frühen 1920er-Jahren: „Stevedore Stomp“, Gute-Laune-Musik, die auf das Publikum überging und der anschließend lamentierenden Geliebten und ihren Mahnungen in „After You’ve Gone“den spöttischen Kommentar
eintrug „wirst sehen, der bereut gar nix“– „Comme ci, comme ça“, so oder so spielt das Leben, mit dieser kreolischen Einsicht schloss die „“2th Street Jazz Connection“ihre Spurensuche zu den „Happy Boys“und einem Programm, wie es diese Jazzer der „zweiten Stunde“durchaus hätten spielen können.
Erstes Stück auf der Setlist des „Trio Nautico“war die Swingnummer „Bei mir bist du schön“aus dem jiddischen Musical „Man könnte leben, aber sie lassen uns nicht“. Ein filigraner Ton und feine, luftige Arrangements bestimmten im Weiteren das Spiel von Hugo Siegmeth, Saxofon und Klarinette, Karsten Gnettner, Kontrabass und Bernd Hess an der Gitarre.
„Geräubert“, wie Gnettner freimütig bekannte, wurde querbeet, überall, wo „es mir gefällt – aber glücklicherweise bleibt es demokratisch und haben die Jungs hier den gleichen Geschmack“. Zu den Lieblingsstücken gehörte Filmmusik aus Woody Allens „Midnight in Paris“, Schlager „inspired by Ammersee“wie die „Capri Fischer“des Herrschinger Komponisten Rudi Schuricke und selbst der Discosound der alkoholgetränkten und trotzdem noch immer beziehungsgehemmten 1970er-Jahre klang auf mit – na klar – „Don’t Let Me Be Misunderstood“.
Ein paar Jahrzehnte später und um ein wirksames Utensil reicher hatte Hugo Siegmeth mit der „richtigen Anmache“indes kaum Probleme: sein flirtender Saxofonton war einfach nur gewinnend; und die Lösung für Edu Lobos Schlussfrage „Wie soll ich dir Auf Wiedersehen sagen?“: mit dem streichelnden Klang des Saxofons, in den sich die zart gezupften Töne der Gitarre und des Kontrabasses mischen – mit dem Landsberger Publikum jedenfalls ging das „Trio Nautico“auf diese Weise im besten Einvernehmen auseinander. Der zweite Teil dieses Konzertabends brachte vielleicht weniger „Happy Boys“, dafür aber umso mehr „happy people“, und dem Ammersee-Trio eine Bühne für weitere Auftritte in Landsberg.