Landsberger Tagblatt

Bewegende Momente beim „Liberation Concert“

Hoffen oder verzweifel­n? Das in Landsberg aufgeführt­e Konzert gibt Anlass zu beidem.

- Von Minka Ruile

Die Wahrung der Erinnerung an die NS-Vergangenh­eit – ein Anliegen, dessen sich vermehrt vor allem die jungen Mitglieder dieser Gesellscha­ft annehmen, auch, und ganz besonders, in Landsberg: Fast 100 Jugendlich­e und junge Erwachsene waren an der Gestaltung des „Liberation Concerts“im Stadttheat­er beteiligt.

Und dies in ganz unterschie­dlicher Weise: als Pianistinn­en, wie die erst neunjährig­en Zwillinge Franziska und Melanie Überreiter, die das Jubiläumsk­onzert „75 Jahre Leonard Bernstein und das DP-Orchester“mit einem furios vierhändig

gespielten Medley aus der Westside Story eröffneten, als Sprecher beziehungs­weise Sprecherin einer historisch­en Figur, Stimme im Jugendchor sowie als

Mitglied im Jugendsinf­onie- oder -kammerorch­ester.

Oder als aufstreben­der Star wie der mit seiner mitreißend­en „Rhapsody in Blue“abermals begeistern­de israelisch­e Pianist Guy Mintus. Wie im vergangene­n Jahr war der mittlerwei­le weltweit gebuchte Musiker mit seiner Frau, der Sängerin Naama Nachum, nach Landsberg gekommen; gemeinsam warfen sie mit dem teils in Jiddisch vorgetrage­nen Lied „Ich will aheim“einen wehmütigen Blick zurück in die Vergangenh­eit, um sich mit „Somewhere“dann aber einer verheißung­svollen Zukunft zuzuwenden. In Originalsp­rache, und damit umso beeindruck­ender brachte auch der Jugendchor unter der Leitung von Marianne Lösch die beiden Lieder „El Haderech“und „Yeruzalaim“zu Gehör.

Sinfonisch, mit Edward Edgars „Pomp and Circumstan­ce 4“und dem Menuett aus Georges Bizets „L’ Arlesienne Suite Nr. 1“sowie „Menuett und Farandole“aus Nr. 2, ging es nach der Pause weiter mit einer Stückauswa­hl, bestechend in ihrer Frische und ansteckend­en Spielfreud­e, die Orchesterl­eiterin Birgit Abe kaum besser auf ihr junges Ensemble hätte zuschneide­n können.

Dass hier die monatelang­e Proben„arbeit“zum Vergnügen geworden war, hörte man den selbstbewu­sst konzertier­enden Musikern mit fast jeder gespielten Note deutlich an. Auch das Jugendkamm­erorcheste­r erwies sich bei Gershwins „Rhapsody“als sensibler Begleiter, um in den Tutti mit eben der gleichen Selbstvers­tändlichke­it dann aber eigene Impulse zu setzen und in einen Austausch auf Augenhöhe mit dem Solisten zu treten.

Ein intensiver Moment sei am Schluss hervorgeho­ben: der tief bewegende Auftritt der ukrainisch­en Sängerin Alla Deminska. Ihr von Guy Mintus begleitete­s Duett mit Naama Nachum wurde zum symbolisch­en Schmelzpun­kt für die Motivation und das Anliegen des „Liberation Concerts“. Die Nachfahren ehemaliger Verfolgter und eine nun wieder in einer Sammelunte­rkunft untergebra­chte Musikerin auf der Flucht vor Krieg und Gewalt, in einem Konzert gegen das Vergessen – man wusste in dem Moment nicht: Gab das Anlass zur Hoffnung oder zur Verzweiflu­ng?

 ?? Foto: Christian Rudnik ?? Am Ende des „Liberation Concert“im Stadttheat­er in Landsberg gab es viel Applaus für die Mitwirkend­en.
Foto: Christian Rudnik Am Ende des „Liberation Concert“im Stadttheat­er in Landsberg gab es viel Applaus für die Mitwirkend­en.

Newspapers in German

Newspapers from Germany