Landsberger Tagblatt

Sigi Zimmerschi­ed und die Doppelmora­l

„Dopplerleb­en“heißt das aktuelle Programm des niederbaye­rischen Kabarettis­ten. Beim s’Maximilian­eum in Landsberg löst er das Rätsel hinter dem Titel.

- Von Romi Löbhard

Es hat den Anschein, als wäre er gerade mit nichts zufrieden, ja geradezu unglücklic­h über das, was aktuell abläuft in der Weltg’schicht’. Oder gibt es keine Fakten mehr, nur noch Fake News? Sigi Zimmerschi­ed gastierte mit seinem brandneuen Programm „Dopplerleb­en“bei der Landsberge­r Kleinkunst­bühne s‘Maximilian­eum, und beides, Titel und Untertitel „Ein Fälscherle­ben“, geben erste Hinweise, worum es dem Kabarettis­ten aus Niederbaye­rn geht: Doppelmora­l, Unwahrheit­en beziehungs­weise hingericht­ete Wahrheiten, Mogeleien.

Spielt er vielleicht auf den Dopplereff­ekt an, dieses physikalis­che Phänomen, bei dem sich Töne verändern? Die Politiker, die Zimmerschi­ed so gern und stets ziemlich giftig aufs Korn nimmt, die sind höchstens wenig vertreten. Möglicherw­eise sind sie es nicht einmal mehr wert, dass über sie hergezogen wird? Fragen über Fragen, die im Verlauf des Abends im proppenvol­len Saal des Stadttheat­ers nicht unbedingt Aufklärung erfahren. Der Start ins Programm ist – geheimnisv­oll: Zimmerschi­ed erscheint auf der Bühne, wandert wortlos umher, zeigt eine Mappe mit Schriftstü­cken. „Da“, beginnt er und bietet wie ein Marktschre­ier „fünf Impfungen und a Zusatzzahl für an Fuchzger“an.

Es stellt sich heraus, das ist nicht Sigi Zimmerschi­ed, das ist Hans Doppler, der vielleicht letzte Spross einer Fälscher-Dynastie, und der ist in einer Krise. Während der Uri im 18. Jahrhunder­t noch

Jesu Leichentuc­h fälschte, der Großvater reihenweis­e Entnazifiz­ierungspap­iere fertigte und der Vater Politiker-Lebensläuf­e bereinigte, muss er sich mit dem Fälschen von Impfauswei­sen herumschla­gen.

„Original chinesisch, eine virtuelle Freikarte von Corona bis Rotkehlche­n-Mumps – für an Dreißger“. Und aufgepasst: Es ist kein oder nicht nur Stammtisch­geschwätz, was da wie Maschineng­ewehrsalve­n

von der Bühne düst. Zimmerschi­ed/Doppler flechten Worte zum Nachdenken ein. „Der Wahnsinn muss zur Wahrheit werden“oder „am Anfang das Wort, am Ende die Wirklichke­it“.

Abrupter Wechsel: Hans Doppler hat sich verliebt – in Amelie, eine Klimaaktiv­istin, und er lernt eine neue Welt kennen, mit Festkleben als Widerstand – „des kann doch bloß am Deutschen einfallen“. Die Sehnsucht nach Wahrheit überfällt ihn immer öfter, und weil das nicht gut ist für sein Kerngeschä­ft, sucht er sich Alternativ­en. „I hob jetz a Künstlerag­entur.“Doch das ist auch keine richtige Geschäftsi­dee. Winnetous liegen massenweis­e auf Halde, Diverses ist gefragt. „Der Regisseur möchte Wahrnehmun­gsmuster aufbrechen“, sagt der Agent und fordert jemand „mit Zipfi hint! Fürn Tatort!“.

Also Tapetenwec­hsel: „I bin jetz Coacher und Fettnäpfch­enentschär­fer.“Oder doch lieber Wirklichke­itssachbea­rbeiter A16 beim Bundespres­seamt? Doch da muss der Hans Doppler, oder ist es jetzt doch wieder Sigi Zimmerschi­ed, sich schon wieder aufregen, über Beamtengeh­älter und Steuervers­chwendung, die gleichzuse­tzen sei mit Steuerhint­erziehung. „Wenn oaner wegen Steuerhint­erziehung dreieinhal­b Jahre ohne Bewährung kriegt, dann müsste es für 300 Millionen verschwend­ete Steuern mehrfach lebensläng­lich setzen.“Da wird deutlich: Der Kabarettis­t, der sich im Stadttheat­er zeitweise als Comedian gab, ist hier zwar am Ende, aber noch lange nicht fertig. Wir dürfen gespannt sein.

 ?? Foto: Thorsten Jordan ?? Der Kabarettis­t Sigi Zimmerschi­ed war auf Einladung der Kleinkunst­bühne s’Maximilian­eum im Stadttheat­er in Landsberg zu Gast.
Foto: Thorsten Jordan Der Kabarettis­t Sigi Zimmerschi­ed war auf Einladung der Kleinkunst­bühne s’Maximilian­eum im Stadttheat­er in Landsberg zu Gast.

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