Sigi Zimmerschied und die Doppelmoral
„Dopplerleben“heißt das aktuelle Programm des niederbayerischen Kabarettisten. Beim s’Maximilianeum in Landsberg löst er das Rätsel hinter dem Titel.
Es hat den Anschein, als wäre er gerade mit nichts zufrieden, ja geradezu unglücklich über das, was aktuell abläuft in der Weltg’schicht’. Oder gibt es keine Fakten mehr, nur noch Fake News? Sigi Zimmerschied gastierte mit seinem brandneuen Programm „Dopplerleben“bei der Landsberger Kleinkunstbühne s‘Maximilianeum, und beides, Titel und Untertitel „Ein Fälscherleben“, geben erste Hinweise, worum es dem Kabarettisten aus Niederbayern geht: Doppelmoral, Unwahrheiten beziehungsweise hingerichtete Wahrheiten, Mogeleien.
Spielt er vielleicht auf den Dopplereffekt an, dieses physikalische Phänomen, bei dem sich Töne verändern? Die Politiker, die Zimmerschied so gern und stets ziemlich giftig aufs Korn nimmt, die sind höchstens wenig vertreten. Möglicherweise sind sie es nicht einmal mehr wert, dass über sie hergezogen wird? Fragen über Fragen, die im Verlauf des Abends im proppenvollen Saal des Stadttheaters nicht unbedingt Aufklärung erfahren. Der Start ins Programm ist – geheimnisvoll: Zimmerschied erscheint auf der Bühne, wandert wortlos umher, zeigt eine Mappe mit Schriftstücken. „Da“, beginnt er und bietet wie ein Marktschreier „fünf Impfungen und a Zusatzzahl für an Fuchzger“an.
Es stellt sich heraus, das ist nicht Sigi Zimmerschied, das ist Hans Doppler, der vielleicht letzte Spross einer Fälscher-Dynastie, und der ist in einer Krise. Während der Uri im 18. Jahrhundert noch
Jesu Leichentuch fälschte, der Großvater reihenweise Entnazifizierungspapiere fertigte und der Vater Politiker-Lebensläufe bereinigte, muss er sich mit dem Fälschen von Impfausweisen herumschlagen.
„Original chinesisch, eine virtuelle Freikarte von Corona bis Rotkehlchen-Mumps – für an Dreißger“. Und aufgepasst: Es ist kein oder nicht nur Stammtischgeschwätz, was da wie Maschinengewehrsalven
von der Bühne düst. Zimmerschied/Doppler flechten Worte zum Nachdenken ein. „Der Wahnsinn muss zur Wahrheit werden“oder „am Anfang das Wort, am Ende die Wirklichkeit“.
Abrupter Wechsel: Hans Doppler hat sich verliebt – in Amelie, eine Klimaaktivistin, und er lernt eine neue Welt kennen, mit Festkleben als Widerstand – „des kann doch bloß am Deutschen einfallen“. Die Sehnsucht nach Wahrheit überfällt ihn immer öfter, und weil das nicht gut ist für sein Kerngeschäft, sucht er sich Alternativen. „I hob jetz a Künstleragentur.“Doch das ist auch keine richtige Geschäftsidee. Winnetous liegen massenweise auf Halde, Diverses ist gefragt. „Der Regisseur möchte Wahrnehmungsmuster aufbrechen“, sagt der Agent und fordert jemand „mit Zipfi hint! Fürn Tatort!“.
Also Tapetenwechsel: „I bin jetz Coacher und Fettnäpfchenentschärfer.“Oder doch lieber Wirklichkeitssachbearbeiter A16 beim Bundespresseamt? Doch da muss der Hans Doppler, oder ist es jetzt doch wieder Sigi Zimmerschied, sich schon wieder aufregen, über Beamtengehälter und Steuerverschwendung, die gleichzusetzen sei mit Steuerhinterziehung. „Wenn oaner wegen Steuerhinterziehung dreieinhalb Jahre ohne Bewährung kriegt, dann müsste es für 300 Millionen verschwendete Steuern mehrfach lebenslänglich setzen.“Da wird deutlich: Der Kabarettist, der sich im Stadttheater zeitweise als Comedian gab, ist hier zwar am Ende, aber noch lange nicht fertig. Wir dürfen gespannt sein.