Wie „El Niño“die Klimakrise verschärft
Die nächsten Jahre werden heiß – und teuer: Meteorologen warnen vor den Folgen des Wetter-Phänomens.
Die Welt muss sich in den nächsten Jahren auf zusätzliche Klima-Turbulenzen einstellen. Hitze, Überschwemmungen, Stürme: Das Phänomen „El Niño“kehrt zurück. Darauf macht die Weltwetterorganisation (WMO) aufmerksam. Damit wird der Temperaturanstieg zusätzlich zum vom Menschen verursachten Klimawandel angeheizt. „El Niño“ist ein natürliches Phänomen. Das Oberflächenwasser der Meere wärmt sich überdurchschnittlich auf. Es tritt im Schnitt alle zwei bis sieben Jahre auf und dauert neun bis zwölf Monate.
Die Wahrscheinlichkeit, dass sich „El Niño“entwickelt, liegt für den Zeitraum Juni bis August 2023 bei 70, für Juli bis September bei 80 Prozent. „Europa ist von ,El Niño‘ kaum betroffen“, sagt Mojib Latif, Meteorologe am Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel. „Gleichwohl besitzt ,El Niño‘ schwerwiegende Auswirkungen rund um den Globus.“Typische Folgen sind mehr Regenfälle in Teilen Südamerikas, in den südlichen USA und am Horn von Afrika. In Australien, Indonesien und Teilen von Südasien kommt es dagegen öfter zu Dürren. Im zentralen und östlichen Pazifik steigt die Gefahr von schweren Stürmen, während sich im Atlantik oft weniger Hurrikans bilden.
Für die Welt könnte „El Niño“zudem bedeuten: das 1,5-Grad-Ziel wackelt – zumindest kurzfristig. „Sollte es zu keinem ernst zu nehmenden tropischen Vulkanausbruch kommen – die ausgeworfene Asche wird in die Stratosphäre geschleudert und wirkt dort kühlend auf die Atmosphäre, da sie einfallendes Sonnenlicht streut –, ist es durchaus denkbar, dass 2024 nicht nur das wärmste Jahr, sondern auch die 1,5-Grad-Grenze zum ersten Mal auf Jahresbasis global überschritten wird“, prognostiziert der Meteorologe Karsten
Hausten von der Universität Leipzig. Allerdings seien auch wieder kühlere Jahre zu erwarten, das Reißen der Marke bleibe damit vorerst ein einmaliger Vorgang. Es sei aber nur eine Frage der Zeit, bis der durchschnittliche Temperaturanstieg dauerhaft sei. Im Pariser Klimaschutzabkommen wurde festgehalten, dass der globale Temperaturanstieg auf 1,5 Grad im Vergleich zum Ende des 19. Jahrhunderts begrenzt werden soll. Der Wert bezieht sich auf den Durchschnitt über einen 30-Jahres-Zeitraum. „Der Mittelwert der globalen Temperatur wird erst um die Jahre 2032 bis 2035 die 1,5-Grad-Grenze überschritten haben“, so Hausten. „Derzeit sind wir im globalen Mittel ,erst‘ bei 1,25 Grad.“
Schon in den letzten Jahren, als der kühlende Effekt des Phänomens „La Niña“(dem Gegenstück zu „El Niño“) wirken sollte, bewegte sich die Welt immer weiter in Richtung Temperaturrekorde. „Wir haben gerade die acht wärmsten Jahre seit Beginn der Aufzeichnungen erlebt, obwohl wir in den letzten drei Jahren eine abkühlende „La Niña“hatten, die den globalen Temperaturanstieg vorübergehend gebremst hat“, sagt WMOGeneralsekretär Petteri Taalas.
Die wirtschaftlichen Kosten durch „El Niño“gehen einer USStudie zufolge weltweit in die Billionen Euro. Da vor allem ärmere Staaten betroffen sind, vergrößern sich die weltweiten Vermögensunterschiede. Schon in den vergangenen Jahren hat sich die weltweite Hungerkrise zugespitzt. Kann sich die Welt auf „El Niño“vorbereiten, um Folgen zumindest abzumildern? „Ja“, sagt Meteorologe Latif. „Zum Beispiel, indem man rechtzeitig für Starkregen oder Dürre Vorsorge trifft oder Lebensmittel und andere Produkte einkauft und einlagert.“Dazu gehört auch die strategische Planung in der Landwirtschaft, im Umgang mit Reserven wie etwa Getreide und Heizöl oder die Vorbereitung auf starke Stürme.