Landsberger Tagblatt

Razzia gegen türkische Journalist­en in Deutschlan­d

Der Konflikt zwischen der Gülen-Bewegung und der türkischen Regierung auf deutschem Boden verschärft sich. Bei Durchsuchu­ngen nahm die Polizei zwei Journalist­en fest. Das sind die Hintergrün­de.

- Von Stefanie Schoene

Es ist morgens, sechs Uhr. Beamte der Polizei Südhessen klingeln an der Tür von Ismail Erel. Zwei Stunden durchsuche­n sie seine Wohnung und nehmen den Journalist­en mit zur Wache nach Darmstadt. Das berichtet er selbst unserer Redaktion am Telefon, kurz nachdem er wieder auf freien Fuß kommt. „Sie haben mich behandelt wie einen Verbrecher.“Doch wie kam es überhaupt zu dem Einsatz?

Wie die Polizei und die zuständige politische Abteilung der Staatsanwa­ltschaft Darmstadt bestätigen, wurden in einem Dorf bei Frankfurt am vergangene­n Mittwoch zwei Männer wegen „gefährdend­er Verbreitun­g personenbe­zogener Daten“festgenomm­en und später wieder freigelass­en. Weitere Angaben machen die Behörden nicht. Fakt ist: Beide Verdächtig­e sind leitende Redakteure der Europa-Ausgabe der türkischen Tageszeitu­ng Sabah („Der Morgen“). In Ankara sorgte die Razzia im fernen Hessen für Verstimmun­g. Noch am selben Tag bestellte der türkische Außenminis­ter den Botschafte­r

ein. Nach Informatio­nen unserer Redaktion brachte eine SabahVeröf­fentlichun­g vom September letzten Jahres die Ermittlung­en ins Rollen.

„Der Killer und seine LügenHöhle“, lautete die Schlagzeil­e des Artikels. Abgebildet war der Enthüllung­s-Publizist Cevheri Güven. Weitere Fotos zeigen Haus und Straße in einem Dorf bei Frankfurt, wo er seit seiner Flucht 2019 lebt. Er sei der „Propaganda­Imam“der „fethullahi­stischen Terrorgani­sation“, schrieb der Autor. Gemeint ist die Bewegung des Predigers Fethullah Gülen. Die Gülen-Bewegung

war in den Putschvers­uch von 2016 in der Türkei verwickelt. Seither jagt der türkische Staat deren Anhänger weltweit. Auch viele Journalist­en sitzen in Haft. Andere, wie Cevheri Güven, schafften es außer Landes.

Von Deutschlan­d aus betreibt Güven heute einen Youtube-Kanal. In schneller Folge enthüllt er dort angebliche Verwicklun­gen der Erdogan-Familie und der Regierungs-Minister in milliarden­schwere dunkle Geschäfte. Drogen, Waffen, Rauschgift, Korruption. Quellen nennt er keine, die Inhalte lassen sich nicht überprüfen. Doch

die Videos haben bis zu 1,5 Millionen Aufrufe, nach seinen Angaben vor allem aus der Türkei. Zwar ist der Kanal dort verboten, doch die Sperre lässt sich leicht umgehen.

In Deutschlan­d schüren beide Lager das Feuer. Schon im letzten Jahr kam es zu einem Gerangel zwischen Sabah-Leuten und dem Gülen-Botschafte­r in Deutschlan­d, Ercan Karakoyun. Auf der Frankfurte­r Buchmesse gerieten dieser und Ismail Erel am Stand der Internatio­nal Journalist­s Associatio­n (IJA) in einen handfesten Streit. Die IJA ist eine der vielen Gülennahen intranspar­enten Vereine, die sich in Deutschlan­d als Einzelorga­nisationen präsentier­en, jedoch zum Netzwerk gehören. 2020 wurde sie von geflohenen Journalist­en gegründet.

Der Vorsitzend­e, Fatih Koc, erklärt in einem Gespräch, der Verein gehöre nicht zur Bewegung. Recherchen zeigen allerdings: Die IJA arbeitet in Deutschlan­d mit anderen Organisati­onen des GülenNetzw­erks zusammen, und Journalist­en des Vereins stammen aus dem früheren Medienimpe­rium der Gülen-Bewegung in der Türkei. Ihre Fernsehkan­äle, Zeitschrif­ten, Zeitungen und die größte Tageszeitu­ng des Landes waren berüchtigt für strategisc­h angelegte Kampagnen, mit denen sie ihre Gegner abräumten.

Die Türkei stellte im letzten Jahr einen Auslieferu­ngsantrag gegen Cevheri Güven, seither steht er unter Polizeisch­utz. Er bestätigt, dass er gegen die Verantwort­lichen der Sabah Anzeige erstattet hatte. „Sie stacheln die Fanatiker unter den Türken hier in Deutschlan­d an“, sagt er im Gespräch. Der Konflikt zwischen der Gülen-Bewegung und der türkischen Regierung wird längst auch in Deutschlan­d ausgetrage­n.

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Foto: Emrah Gurel, dpa Ausgaben der beanstande­ten Zeitung „Sabah“, oft mit Erdogan auf der Titelseite.

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