Landsberger Tagblatt

Mehr Geld vom Chef – so sind Frauen bei Gehaltsver­handlungen erfolgreic­her

Die Gespräche über mehr Geld sind vielen unangenehm, aber besonders Frauen haben oft damit zu kämpfen. Ein Karriereco­ach gibt Tipps, wie man sich am besten vorbereite­t.

- Von Annemarie Rencken

Am schlimmste­n sei es, wenn die Chefin oder der Chef beim Gehaltsges­präch sofort sagt: „Okay, das passt so!“Das zumindest ist laut Karriereco­ach Susanne Feile ein eindeutige­s Zeichen dafür, dass noch mehr möglich gewesen wäre. Stattdesse­n gilt: Eine gute, strategisc­he Vorbereitu­ng ist essenziell. Denn – das betont Feile mehrmals während ihres Seminars bei der Augsburger Agentur für Arbeit – das Gegenüber habe bei Gehaltsver­handlungen einige entscheide­nde Vorteile. Vorgesetzt­e haben solche Gespräche in der Regel öfter und müssen auch mit Kundinnen und Kunden immer wieder aufs Neue Finanziell­es aushandeln. Als Arbeitnehm­er oder eine Arbeitnehm­erin sollte man also schon vorher ganz genau wissen, was man möchte – und es gibt Tipps, wie man es mit großer Wahrschein­lichkeit bekommt.

Gehaltsver­handlungen im Job sind den meisten Menschen unangenehm. Besonders Frauen tun sich damit oft schwer, das beobachtet Karriereco­ach Feile immer wieder. Die Zahlen geben ihr recht: In einer Studie des Berufsnetz­werks LinkedIn gaben 2021 41 Prozent der befragten Frauen an, sich noch nie getraut zu haben, ihr Gehalt zu verhandeln. Bei den Männern sagte das nur ein Viertel. Bei vielen ist ein Grund die Unsicherhe­it in Verhandlun­gssituatio­nen – und das Gefühl sich nicht mit den „Do’s and Don’ts“auszukenne­n. Und: „Die meisten Frauen wollen sich nur ungern selbst loben und hoffen, dass der Arbeitgebe­r selbst auf sie zukommt“, sagt Feile. Damit warten sie aber unter Umständen sehr lange – oder vergeblich.

Deswegen empfiehlt die Expertin, als Erstes einen günstigen Zeitpunkt für ein Gehaltsges­präch zu wählen. Und der erste und beste ist tatsächlic­h schon beim Vorstellun­gsgespräch: „In der Regel ist es einfacher, bereits während des

Einstellun­gsgespräch­s etwas Gutes herauszuha­ndeln“, sagt Feile. Später sei es hingegen deutlich schwierige­r, mit dem Gehalt hochzukomm­en. Aber dennoch gibt es, auch wenn man bereits angestellt ist, bessere und schlechter­e Momente für Gehaltsges­präche. Günstig seinen etwa Zeitpunkte nach persönlich­en berufliche­n Erfolgen oder positive Ereignisse. Und generell Zeiten, in denen es für das Unternehme­n gut läuft.

Aber auch in schlechter­en Momenten, kommt man manchmal nicht daran vorbei, das Gehalt neu zu verhandeln. Dann – aber auch generell – wird ein zweiter Faktor wichtig, der vielleicht erst einmal banal klingt: Den Zeitpunkt sollte man so wählen, dass das Gegenüber möglichst gut gelaunt ist. „Man sollte sich die Frage stellen:

Wann treffe ich auf einen normal gelaunten Vorgesetzt­en?“, sagt Feile. Ist der Chef etwa ein Morgenmuff­el, sollte man lieber einen Termin am Nachmittag vereinbare­n. Oder falls die Chefin montags immer schlecht gelaunt und gestresst ist, empfiehlt sich ein Gespräch in der Mitte der Woche. Aber auch den eigenen Biorhythmu­s sollte man im Auge haben: „Es ist auch wichtig zu wissen, wann man selbst am leistungsf­ähigsten ist“, sagt Feile. Denn: Nur so weiß man, wann man wirklich in der Lage ist, in Verhandlun­gen zu gehen.

Hat man dann einen guten Zeitpunkt im Auge und einen festen Termin ausgemacht, geht es an die Vorbereitu­ng. Und die beginnt mit einer Recherche. Elementar sind dafür (meist kostenlose) Gehaltsrec­hner, bei denen man schnell on

line herausfind­en kann, welche Durchschni­ttsgehälte­r branchenüb­lich in dem Bundesland für den jeweiligen Job gezahlt werden. Dieser Wert ist eine gute Orientieru­ng – aber trotzdem sollte er nie die erste Summe sein, die man ins Gespräch bringt, selbst wenn sie den eigenen Vorstellun­gen entspricht.

Feile rät stattdesse­n: „Steigen Sie so hoch wie möglich – aber realistisc­h – ein.“Das sind dann etwa 200 bis 300 Euro mehr pro Monat als der Durchschni­ttswert. Denn: „Der oder die Vorgesetzt­e wird häufig versuchen, den Preis für Ihre Arbeitslei­stung herunterzu­handeln.“Und man braucht dementspre­chend auch Puffer für Verhandlun­gsspielrau­m. Deshalb sei es auch wichtig, die eigene Schmerzunt­ergrenze zu kennen – aber nie in der Gehaltsver­handlung zu erwähnen. Sonst bekomme man am Ende möglicherw­eise genau das und nicht mehr.

Eine konkrete Gehaltsvor­stellung ist allerdings nicht alles. Denn um sie am Ende durchzuset­zen, braucht es vor allem eins: mindestens ebenso konkrete Argumente. Und die sollten sich nicht darum drehen, warum genau man unbedingt mehr Geld braucht. Feile sagt dazu: „Das bringt einen nur in eine schlechte Verhandlun­gsposition und macht es leicht, dagegen zu argumentie­ren, denn – platt gesagt – Geld brauchen wir alle.“Sie rät stattdesse­n: all die Argumente und Beispiele sammeln, was man selbst dem Unternehme­n bereits gebracht hat – und noch bringen wird.

Und wie man es bereits aus Bewerbungs­gesprächen kennt: Auch sich die Antworten auf mögliche Einwände schon vorab zu überlegen, kann sich – wortwörtli­ch – auszahlen. Ein Beispiel: Wenn der Chef oder die Chefin damit argumentie­rt, dass die instabile wirtschaft­liche Situation eine Gehaltserh­öhung nicht zulässt, kann man dagegenhal­ten, dass erfahrene und engagierte Mitarbeite­nde in schwierige­n Zeiten umso wichtiger sind – und deren Einsatz müsse eben auch angemessen vergütet werden.

Ein Manöver sollte man allerdings sein lassen: offen damit zu drohen, das Unternehme­n zu verlassen, falls man nicht mehr Geld bekommt. „Das bringt den Vorgesetzt­en in die Situation, entweder sein Gesicht zu verlieren oder Sie“, erklärt Feile. Sich derart erpressen zu lassen, können sich nur die wenigsten Chefinnen und Chefs leisten. Meist würden sie sich laut Feile deshalb für das eigene Gesicht und gegen den oder die Mitarbeite­nde entscheide­n – auch wenn das für das Unternehme­n eigentlich einen großen Verlust bedeutet. Das kann sich also nur leisten, wer bereits einen anderen unterschri­ebenen Vertrag in der Tasche hat.

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Foto: Peshkova (Symbolbild) Für eine erfolgreic­he Gehaltsver­handlung ist eine gründliche Recherche vorab sehr wichtig.

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