Landsberger Tagblatt

So verschmutz­t ist unser Wasser

Bayern hat ein Problem mit Nitrat im Grundwasse­r. Seit einigen Jahren wird immer mehr dagegen getan. Warum gehen die Werte dennoch nicht zurück?

- Von Jakob Stadler

Für Spargelbau­er Wolfgang Lunz aus Obergriesb­ach im Kreis Aichach-Friedberg ist die Rechnung klar. „Weniger Spargel bedeutet natürlich weniger Umsatz.“Dass er mit seiner Ernte nicht ganz zufrieden ist, ist für Lunz nicht verwunderl­ich. Denn sein Spargel ist auf Diät. Lunz darf ihm nur 80 Prozent des Stickstoff­düngers geben, den er eigentlich benötigt. Düngeveror­dnung. Denn sein Spargel wächst in einem sogenannte­n Roten Gebiet.

Das Landwirtsc­haftsamt weist Rote Gebiete aus, wenn das Grundwasse­r dort zu viel Nitrat enthält. Der Zusammenha­ng: Bleibt nach dem Düngen zu viel Stickstoff im Boden, landet ein Teil als Nitrat im Grundwasse­r. Die Düngeveror­dnung soll das eindämmen, in Roten Gebieten durch noch strengere Regeln. In der Region gibt es einige davon, der Kreis Aichach-Friedberg ist besonders betroffen. Für Landwirtin­nen und Landwirte bedeutet das Umsatzeinb­ußen, auf denen sie sitzen bleiben.

Nitrat im Grundwasse­r, das klingt erst mal gruselig. Schließlic­h werden über 90 Prozent des Trinkwasse­rs in Bayern aus dem Grundwasse­r gewonnen. Kleine Nitratmeng­en sind nach wissenscha­ftlichen Erkenntnis­sen für die Gesundheit

zwar unbedenkli­ch, doch ab einer gewissen Menge ist Nitrat gefährlich, vor allem für Säuglinge. Es behindert die Sauerstoff­aufnahme des Blutes. Im schlimmste­n Fall können Babys durch zu viel Nitrat ersticken. Daher gibt es Grenzwerte: Über 50 Milligramm Nitrat pro Liter sind problemati­sch, so sieht es eine EU-Richtlinie vor.

Dass die Landwirtsc­haft der Hauptverur­sacher für Nitrat im Grundwasse­r ist, steht laut Ralf Kiese fest. Er forscht im Bereich Nährstoffk­reisläufe des Ökosystems in einer Außenstell­e des Karlsruher Instituts für Technologi­e in Garmisch-Partenkirc­hen. Er verweist auf den Überschuss an Stickstoff in landwirtsc­haftlich genutztem Boden. Der Wert wurde zwar gesenkt – Anfang der 90er Jahre lag er noch fast eineinhalb mal so hoch –, doch noch immer sind es 80 Kilogramm pro Hektar und Jahr. Und ein Teil davon landet als Nitrat im Grundwasse­r.

Aber wie belastet ist das Grundwasse­r denn nun? Einen Überblick gibt das EU-Nitratmess­netz, auf dem der EU-Nitratberi­cht basiert, der alle vier Jahre erstellt wird. Der letzte Bericht von 2020 ergab, dass das Grundwasse­r in Deutschlan­d vielerorts belastet ist. Mehr als ein Viertel der Messstelle­n wies zu hohe Werte auf, auch in Bayern gab es viele Grenzübers­chreitunge­n.

Wenn es darum geht, wo Rote

Gebiete ausgewiese­n werden, ist das sogenannte Ausweisung­smessnetz entscheide­nd, das in Bayern rund 700 Messstelle­n umfasst. Es soll weiter ausgebaut werden – auch der Bayerische Bauernverb­and fordert, noch viel engmaschig­er zu messen. Dann könne man erkennen, wo genau Probleme liegen und kleinere Flächen als Rote Gebiete ausweisen.

Nun gibt es seit einigen Jahren Anstrengun­gen, gegen zu hohe Nitratwert­e vorzugehen. 2017 wurden etwa Ausbringun­gstechnike­n vorgeschri­eben, durch die weniger Nitrat in die Umwelt gelangen soll.

Die Europäisch­e Kommission verklagte Deutschlan­d allerdings, weil sie EU-Vorgaben nicht ausreichen­d umgesetzt sah. Der Europäisch­e Gerichtsho­f gab ihr recht, das führte zu mehreren Verschärfu­ngen der Düngeveror­dnungen. Seit 2020 gibt es zusätzlich­e Einschränk­ungen für die Düngung im Herbst und Winter, im Januar 2021 kamen die Roten Gebiete mit besonders strengen Regeln hinzu.

Im letzten Nitratberi­cht waren Zahlen bis 2018 enthalten, es gibt aber bereits aktuellere Daten auf der Internetse­ite des Landesamts für Umwelt. Wir haben die Zahlen bis 2021 ausgewerte­t. Wer bereits mit sichtbaren Erfolgen rechnet, wird enttäuscht. Zwar gibt es an einzelnen Stellen einen Rückgang, doch an anderen steigen die Werte, oft haben sie sich kaum verändert.

Wissenscha­ftler Kiese verweist darauf, dass es lange dauern könne, bis Wasser von der Oberfläche ins Grundwasse­r gelangt, je nachdem, wie tief dieses liegt. „Wasser, das jetzt in den Grundwasse­rkörpern ankommt, kann Regenwasse­r von vor fünf Jahren sein“, sagt er. Und auch, wo sie dichter unter der Erde liegen, brauche es viel Zeit, bis belastetes Grundwasse­r ausreichen­d verdünnt wird. Trotzdem sei man auf dem richtigen Weg. „Mit der neuen Düngemitte­lverordnun­g bringen wir auf jeden Fall weniger Stickstoff ins System.“

Auch Robert Knöferl von der Bayerische­n Landesanst­alt für Landwirtsc­haft ist nicht überrascht, dass sich die Bemühungen noch nicht in den Werten niederschl­agen. Er verweist zusätzlich auf den Einfluss der Witterung. „Wir hatten zuletzt sehr trockene Jahre“, sagt er. Dadurch dauere die Grundwasse­r-Neubildung noch länger als ohnehin schon.

Ist dann überhaupt klar, ob die Maßnahmen wirken? „Ich bin überzeugt, dass man Erfolge sehen wird“, sagt Knöferl. Er räumt aber ein: „Ob 20 Prozent weniger Stickstoff-Düngen in Roten Gebieten so viel bringen wird, ist fraglich.“Denn: „Pauschale Maßnahmen sind nicht unbedingt zielführen­d.“Sinnvoller sei, vor Ort maßgeschne­iderte Lösungen zu entwickeln. Ähnlich sieht das Kiese. „Das Problem ist, dass die Düngemitte­lverordnun­g im Prinzip jede Fläche gleich behandelt.“Grund für die nicht zufriedens­tellenden pauschalen Regelungen sei, dass Deutschlan­d nach der Klage der EU-Kommission zeigen musste, dass sich das Land um das Problem kümmert. Wissenscha­ftlich sei man aber eigentlich schon weiter, so Kiese. Man könne die Flächen analysiere­n und so entscheide­n, was getan werden müsste. Und das heiße nicht immer, dass weniger Dünger nötig ist.

Denn es gebe Flächen, bei denen die Gefahr, dass Nitrat austritt, gering ist. Dort könnte man wohl sogar mehr düngen, als aktuell erlaubt. „Da müssen wir meiner Ansicht nach das Ertragspot­enzial ausnutzen, um gleichzeit­ig auf gefährdete­n Flächen weniger zu düngen“, sagt Kiese. Allerdings gebe es – gerade in Roten Gebieten – auch das gegenläufi­ge Phänomen. Wenn lange zu viel gedüngt wurde und der Boden ungünstige Bedingunge­n bietet, „dann reichen wahrschein­lich auch 80 Prozent Reduzierun­g nicht.“

Nicht immer ist es nötig, weniger zu düngen

 ?? Foto: Julian Stratensch­ulte, dpa (Symbolbild) ?? Das Grundwasse­r ist an vielen Stellen zu stark mit Nitrat belastet. Landwirtin­nen und Landwirte dürfen dort nicht mehr so viel düngen.
Foto: Julian Stratensch­ulte, dpa (Symbolbild) Das Grundwasse­r ist an vielen Stellen zu stark mit Nitrat belastet. Landwirtin­nen und Landwirte dürfen dort nicht mehr so viel düngen.

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