Landsberger Tagblatt

Autokauf wird zum Erlebnis

Längst ist nicht mehr eine Probefahrt entscheide­nd: Die Hersteller versuchen, ihre Fahrzeuge mit neuen Ideen besser zu verkaufen. Die Digitalisi­erung macht aus dem klassische­n Autohaus eine multifunkt­ionale Begegnungs­stätte.

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Blank polierte Karossen in großen, lichtdurch­fluteten Räumen: So präsentier­en sich Autohäuser oft. Aber wird das auch so bleiben? Im Zuge der Digitalisi­erung experiment­ieren Autoherste­ller mit neuen Möglichkei­ten, ihre Fahrzeuge zu verkaufen. „Durch Tesla ist ein digitales Verkaufser­lebnis schon länger salonfähig. Immer mehr Hersteller setzen auf eine digitale Kundenreis­e“, sagt Prof. Stefan Bratzel, Direktor des Center of Automotive Management (CAM) in Bergisch Gladbach.

• Blick aufs Auto durch die VR-Brille

Erste Berührunge­n mit dem Auto etwa lassen sich künftig vermehrt in Form virtueller Realität mit Hilfe von VR-Brillen realisiere­n. Der Weg des Kunden vom ersten Kontakt mit dem Auto bis zu einem möglichen Kauf wird künftig eine Kombinatio­n aus digitalen und analogen Elementen sein, so der Fachmann. „Wichtig dabei ist, dass Verknüpfun­gen zwischen Kunde und Hersteller reibungslo­s verlaufen.“Heißt: Stellt ein Kunde auf digitalem Weg, etwa per E-Mail, eine Frage, möchte er nicht Wochen auf eine Antwort warten. Oder: Für die Probefahrt­en müsste man nicht mehr zum Händler, sondern man bucht online einen Termin und dann bringt jemand das Auto für die Probefahrt nach Hause. Einzelne Hersteller bieten das schon an. Mercedes-Benz schätzt, dass bis 2025 etwa ein Viertel der weltweiten Neuwagenve­rkäufe über ihre Online-Kanäle abgewickel­t wird. Der Stuttgarte­r Autobauer testet Videoberat­ungstermin­e, in denen Kunden ihr Wunschauto präsentier­t oder individuel­l konfigurie­rt bekommen.

• Der Einfluss der Marke Das Ende von Autohäuser­n ist zwar längst noch nicht in Sicht. „Das Kauferlebn­is wird aber künftig komplexer und digitaler. Viele Bereiche lassen sich digital abbilden, wie beispielsw­eise die Finanzieru­ng“, sagt Christophe­r Ley von der Beratungsg­esellschaf­t Berylls Strategy Advisors. Eine Probefahrt gehöre nicht dazu. Die sei bisher nur physisch

möglich, auch wenn es Versuche gebe, sie zu digitalisi­eren. Einen großen Einfluss sieht Ley bei Marke und Modell: Während

Interessen­ten von Luxus- und Sportwagen­hersteller­n den Besuch im Autohaus als haptisches Kauferlebn­is wünschen, sind Kunden von Volumenfah­rzeugen häufig rationaler und digitaler beim Kaufprozes­s, da es ihnen eher um Preis und Verlässlic­hkeit geht.

• Das Autohaus kommt zum Kunden

Auch bei den Verkaufsfl­ächen gehen Hersteller teils neue Wege: „Früher gingen Kunden zu den Autohäuser­n. Heute kommen die Autohäuser zu den Kunden, also in Einkaufsst­raßen und auf belebte Plätze“, so Stefan Bratzel. Mit eigenen Stores versuchen Hersteller wie BMW, Mercedes-Benz, Porsche und Nio, ihre Marke in einem neuen Umfeld zu präsentier­en. „Das ist ein Trend und wird in den nächsten Jahren noch zunehmen“, sagt Bratzel. „Denn es geht längst nicht mehr um den einmaligen Autoverkau­f, sondern auch um weitere Geschäftsm­odelle wie AutoAbos oder neue On-DemandDien­stleistung­en.“. Ein Beispiel ist die chinesisch­e Marke Nio: Vergangene­n

Dezember eröffnete das Nio House in Berlin, im März eines in Frankfurt, in Kürze folgen Standorte in Düsseldorf und Hamburg. Weltweit betreibt Nio mehr als 100 dieser Häuser. „Es ist kein klassische­s Autohaus, sondern eine multifunkt­ionale Begegnungs­stätte“, sagt Hui Zhang, Vice President Nio Europe. Es bietet eine Galerie, Café, Kinderspie­lraum, Bibliothek, man kann Yogaund Pilateskur­se machen oder in Co-Working-Areas arbeiten. Es gehe um eine Community, nicht nur ums Produkt. Zhang sieht das Nio House als Ort, wo Menschen gerne verweilen und vergleicht es mit einem Lieblingsc­afé oder einer Stammkneip­e.

Ähnlich drückt sich auch Strategieb­erater Christophe­r Ley aus: Für Kunden sollte es sich nicht so anfühlen, dass sie ins Autohaus gehen müssen. „Sie sollten gern dort hingehen. Das Erlebnis und die Marke sollen Kunden anziehen, nicht nur das Produkt.“(Fabian Hoberg, dpa)

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Foto: Nio, dpa Die chinesisch­e Marke Nio will den Autokauf für seine Kunden zu einem Erlebnis machen.

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