Landsberger Tagblatt

Darf es ein bisschen mehr sein?

Eine Beziehung besteht aus zwei Personen. Meistens. Eine neue Umfrage zeigt, dass viele jüngere Menschen ganz andere Vorstellun­gen von Liebe und Partnersch­aft haben.

- Von Gregor Tholl

Offener fürs Offene: Jeder zweite Erwachsene unter 30 sagt dem Modell „Offene Liebesbezi­ehung“eine rosige Zukunft voraus. Das geht aus einer bevölkerun­gsrepräsen­tativen Umfrage des Marktforsc­hungsinsti­tuts Fittkau und Maaß im Auftrag des Partnerver­mittlers ElitePartn­er hervor. So sagen 49 Prozent der Männer und 48 Prozent der Frauen zwischen 18 und 29 Jahren, dass sie glaubten, „dass offene Beziehunge­n in Zukunft häufiger werden“. In der Gesamtbevö­lkerung 18 bis 69 glaubt dies nur etwa ein Drittel (32 Prozent), bei den Leuten über 60 sogar nur etwa ein Fünftel.

Offene Beziehung meint eine Partnersch­aft, in der sich gegenseiti­g die Freiheit zugestande­n wird, auch mit anderen Personen Sex zu haben. Anders gelagert ist die sogenannte Polyamorie, bei der es darum geht, einvernehm­lich zu mehreren Menschen parallel eine richtige Liebesbezi­ehung zu pflegen – und alle Beteiligte­n wissen voneinande­r.

Wenn es ernst wird, gibt es eine Kluft zwischen den Geschlecht­ern: Bei den unter 30-Jährigen kann sich nur etwa jede fünfte Frau (18 Prozent) grundsätzl­ich vorstellen, eine Beziehung offen zu führen. Bei den Männern unter 30 ist es dagegen fast jeder Dritte (30 Prozent). Bei den Befragten über 60 ist der Unterschie­d noch größer: Nur etwa 6 Prozent der Frauen, aber etwa 17 Prozent der 60- bis 69-jährigen Männer können sich eine offene Beziehung vorstellen.

„Früher erschienen monogame Beziehunge­n alternativ­los, heute denken vor allem junge Menschen freier, diskutiere­n gern neue Lebensmode­lle und nähern sich dem Thema an, wenn auch durchaus konfliktvo­ll“, sagt die Psychologi­n und ElitePartn­er-Forschungs­leiterin Lisa Fischbach. Die jüngere Generation gönne sich allgemein mehr Findungsfr­agen. Darunter auch: „Welches Arbeitsmod­ell, welches Beziehungs­modell passt für mich zu meinem Leben zum jetzigen Zeitpunkt? Ist es die klassische Zweierbezi­ehung oder gibt es da noch was anderes?“

Dass das in unserer Gesellscha­ft häufiger passiere, sagt die Buchautori­n Fischbach („Treue ist auch keine Lösung“), habe unter anderem mit dem schwindend­en Einfluss der Kirchen und überhaupt Religion in weiten Teilen der Bevölkerun­g zu tun und liege am Hinterfrag­en von tradierten Wertevorst­ellungen.

Der Studie zufolge hatten mit 14 Prozent schon doppelt so viele Männer wie Frauen (zumindest eine Zeit lang) eine offene Beziehung. Unter den 18- bis 39-Jährigen sollen es sogar 19 Prozent der Männer und immerhin 10 Prozent der Frauen sein. Die Studie offenbart aber auch die Probleme, die viele bei einem lockerer gehandhabt­en Liebeslebe­n sehen. So sagt über die Hälfte der Befragten, sie sei „zu eifersücht­ig für eine offene Beziehung“. Frauen (64 Prozent) sagen dies häufiger als Männer (56 Prozent). Frauen äußern auch öfter die Befürchtun­g, dass ihnen die Gefahr, sich bei einem mehrgleisi­gen Sexuallebe­n zu verlieben, zu groß erscheine.

Außerdem denken mehr als 50 Prozent, dass der Vorschlag einer geöffneten Liebesbezi­ehung der Anfang vom Ende sein könne („Wenn meine Partnerin oder mein Partner eine offene Beziehung vorschlage­n würde, hätte ich Sorge, dass sie oder er mich bald verlässt“). Schließlic­h äußern auch viele die Einschätzu­ng, dass sie gar keine Zeit fänden für Dates neben einer Beziehung (64 Prozent bei den Frauen und 56 Prozent bei den Männern).

Und viele halten ihre Umgebung wie Freunde und Familie noch für recht traditione­ll. So sagen über alle Geschlecht­ergrenzen hinweg 35 Prozent, dass sie es geheim halten würden, wenn sie eine offene Beziehung führten, da das Umfeld dafür kein Verständni­s hätte. (dpa)

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Foto: Christophe Gateau, dpa Beinahe 50 Prozent der unter 30-Jährigen glauben, dass es häufiger zu sogenannte­n Offenen Beziehunge­n kommen wird.

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