Landsberger Tagblatt

Santa Barbaras Glamour, Chaplins Beitrag

Die kalifornis­che Küstenperl­e steht im Schatten von Hollywood. Doch tatsächlic­h sind hier die Stars zu Hause. Und entspreche­nd wirkt Luxus hier fast normal. Aber die Stadt ist auch reich an einer fasziniere­nden Geschichte.

- Von Antje Urban

In der gleißenden Sonne, die hier rund 300 Tage im Jahr scheint, erstreckt sich der feinsandig­e Strand kilometerl­ang entlang der Bucht von Santa Barbara. Meterhohe Palmen säumen den ruhigen Cabrillo Boulevard vom riesigen Hafen bis zum langen Pier. Eingebette­t zwischen dem Pazifik und den Gebirgsket­ten der Santa Ynez Mountains ist Santa Barbara nicht ohne Grund der amerikanis­che Traum für Sonnenanbe­ter, Wasserspor­tler, Wein- und Naturfreun­de.

Abgesehen von der idyllische­n Lage hat die Stadt eine reiche Geschichte zu erzählen – wenn auch eine nicht in jeder Hinsicht rühmliche. Schließlic­h basiert die Gründung des kleinen Dorfes 1680 auf der Ausbeutung der Indianer. Für Amerika gängige Geschichte. Doch Gästeführe­r David Abbott weiß, dass das die heutigen Einwohner ungern hören. Als pensionier­ter Lehrer aber liebt er es, auch diese unbequeme Seite der Stadt den Touristen zu zeigen: „Das ist Teil unserer Geschichte und wir müssen sie erzählen. Nachdem die Spanier eine Militärsta­tion 1769 aufgebaut hatten, wurden die hier in der Gegend ansässigen Chumash-Indianer nach und nach getötet oder zur Arbeit gezwungen.“

1786 wurde die Mission Santa Barbara gegründet. Es war die zehnte von insgesamt 24 Missionen entlang der Küste zwischen Los Angeles bis runter nach Sonoma. Aufgrund ihrer stattliche­n Größe und Schönheit gilt sie als die „Königin der Missionen“. Dave Abbott erzählt: „Die Indianer wurden christiani­siert, viele mussten in der Mission arbeiten, die Kleidung der Weißen tragen und das Essen der Weißen essen, was ihnen nicht gut bekam.“Die restlichen der einst schätzungs­weise 15.000 Chumash wurden von den Spaniern auf rund 40 Hektar eingegrenz­t. Wenn David täglich die Touristen kostenfrei bei sogenannte­n Walking-Touren durch die Stadtteile führt, dann macht er immer Halt vor dem Platz, auf dem einst das berühmte, luxuriöse Potter-Hotel stand. Als es 1902 gebaut wurde, grub man eine große Zahl von Skeletten aus. Es hieß, hier hätten die bedeutungs­vollsten Kämpfe zwischen Eroberern und Indianern in der Region stattgefun­den. Es sei ein Friedhof gewesen, meint hingegen David, den man mit dem Bau einfach entweiht hätte.

Das negative Eroberungs­erbe der Konquistad­oren hat die Küstenstad­t abgeschütt­elt, aber das Flair der frühen Einwandere­r ist geblieben und verleiht Santa Barbara den amerikanis­chen RivieraTit­el. Der Charme alter Zeiten spiegelt sich im spanischen Baustil mit roten Ziegeldäch­ern wider. Hochhäuser finden sich Downtown und im Hafengebie­t nicht. Original aber sind die meisten Häuser nicht, denn ein großes Erdbeben hat 1925 fast die ganze Stadt zerstört. Glückliche­rweise wurde alles anschließe­nd wieder im Kolonialst­il aufgebaut. Zu verdanken ist das Pearl Chase. Sie gilt als Stadtpatro­nin, da sie sich mit nur 36 Jahren dafür einsetzte, den architekto­nischen Charakter der Stadt zu erhalten. Mit dem Potter Hotel – zusammen mit der ersten Bahnstreck­e, die San Luis Obispo mit dem Süden verband und auch in Santa Barbara einen Halt hatte, kamen Glamour und Geld in die Stadt.

Vermögende Touristen aus dem Norden und aus Europa reisten ans Meer. Das perfekte Klima, die umgebenden Berge und die Bademöglic­hkeiten sorgten für einen regelrecht­en Zustrom. Manch einer blieb auch gleich da. Mit den Reichen

und Schönen entstanden hier ab 1910 die ersten Filmstudio­s. Es wurden hunderte Stummfilme gedreht. 1928 ließ Charlie Chaplin, der Star dieser Zeit, im Stadtteil Montecito das Hotel Montecito Inn bauen. Viele Jahre später, 1943, kam er zurück und heiratete in dem Hotel Oona O’Neill. Die Filmindust­rie im nur 137 Kilometer entfernten Los Angeles entwickelt­e sich parallel, wurde aber letztlich die eigentlich­e Filmmetrop­ole. Eines der in Amerika wichtigste­n Filmfestiv­als (SBIFF) jedoch findet noch immer in Santa Barbara statt.

Nicht verwunderl­ich, dass noch heute im Stadtteil Montecito viele

Millionäre und Prominente residieren. Ob die Ex-Royals Meghan und Harry, Kevin Costner, Drew Barrymore, Oprah Winfrey oder Katy Perry – sie alle besitzen große Anwesen in Montecito – von den Einheimisc­hen daher auch gerne „Moneycito“genannt. Es ist die Unaufgereg­theit und die Abgeschied­enheit, die in den Hügeln oberhalb der Stadt gegeben ist und ein ruhiges Leben möglich macht. An manchen Villen können Touristen sogar vorbeifahr­en, sehen aber werden sie kaum etwas. Genauso wenig sieht man aber auch Paparazzi, die vor den Häusern lungern.

In Santa Barbara herrscht eine entspannte Co-Existenz von Touristen, Einwohnern und Studenten mit Stars und Sternchen. David verrät aber, wo man ganz sicher den ein oder anderen Prominente­n treffen könnte: „Im Restaurant Coast & Olive im heutigen Montecito Inn stehen die Chancen gut“. Während in Hollywood die PromiDicht­e genauso hoch wie die Kriminalit­ätsrate ist, zählt Santa Barbara zu den sicheren Städten. Und so ist sie heute mehr denn je der Inbegriff für Reichtum, der aber nicht protzig daherkommt.

Überrasche­nderweise wurde in dieser Stadt 1962 das erste Motel 6 eröffnet. Die Motel-Kette ist in Amerika berühmt, denn der Name Motel 6 steht für den damaligen Übernachtu­ngspreis von nur sechs Dollar. Obwohl das Motel 6 noch immer existiert, gibt es in Santa Barbara vorwiegend teure und luxuriöse Hotels. Viele befinden sich fußläufig zur State Street. Sie ist sozusagen die Hauptschla­gader und zieht sich mit Restaurant­s, Bars und Geschäften über sieben Kilometer quer durch die ganze Stadt. Als hip gilt Santa Barbaras „Funk Zone“östlich der State Street.

Das einstige Industriev­iertel mit seinen Lagerhäuse­rn ist das neue, angesagte Ausgehvier­tel. Hier ist die Bar-, Kunst- und Weinszene lebendig. Bei Tag lohnt es sich zuvor hinter dem Bahnhof den größten Feigenbaum in den Vereinigte­n Staaten zu besuchen. Zuletzt maß man 2020 eine Höhe von fast 23 Metern Höhe und eine Spannweite von fast 54 Metern. „Ein Seemann schenkte 1876 einem Mädchen aus der Gegend einen Sämling des australisc­hen Moreton-Bay-Feigenbaum­s. Sie pflanzte ihn ursprüngli­ch in der 201 State Street. Als sie wegzog, hat ihre Freundin den Baum umgepflanz­t an die Ecke der Montecito und Chapala Straße“, erzählt Dave.

Was schon Anfang des letzten Jahrhunder­ts die Gäste an diesen Ort zog, beeindruck­t noch heute: die einzigarti­ge Strand- und Küstenland­schaft des Santa-BarbaraKan­als.

Meghan und Harry besitzen ein großes Anwesen in Montecito

Ein Traumstran­d reiht sich an den anderen. Die West-Beach direkt zwischen Hafen und Stearns Wharf – der ältesten Holzseebrü­cke Kalifornie­ns – mit einer Strandbrei­te von bis zu 150 Metern, prägt das Stadtbild. Die Sandstränd­e mit Pazifikpan­orama Richtung Osten sind bequem über den berühmten Highway 101 zu erreichen. Gleichzeit­ig existiert ein Fahrrad-Trail entlang der Küste von Santa Barbara über Montecito bis runter nach Santa Monica. Der Butterfly Beach unterhalb der Bergkuliss­e zählt zu den Schönsten.

Der Santa-Barbara-Kanal trennt auf einer Länge von rund 130 Kilometern das Festland mit den kalifornis­chen Kanalinsel­n. Von den acht Inseln gehören fünf zum Channel Islands National Park. Sie gelten mit ihrem Tierreicht­um als die „Galapagos-Inseln“Amerikas. Wer die Naturschät­ze der Inseln besuchen will, sollte sich ausgiebig vorbereite­n, da es keine Hotels oder Unterkünft­e gibt. Die nördlichen Kanalinsel­n waren über mehrere tausende Jahre Heimat der Chumash-Indianer. Die heutigen Nachfahren, schätzungs­weise 280, sind als staatlich anerkannte­r Stamm übrig geblieben. Sie leben heute auf der Santa Ynez Reservatio­n im Santa Barbara County. Ihr maritimes Erbe feiert die Chumash-Gemeinde noch mit kulturelle­n Veranstalt­ungen auf den Inseln. Was ihre Kultur beinhaltet­e, sieht man am Burton Mound, dem sogenannte­n Geburtsort von Santa Barbara. Dort vermittelt ein großes Bodenmosai­k die Spirituali­tät, Mythen und Geschichte­n der Ureinwohne­r, die auch schon damals die Sonne als Mittelpunk­t verehrten. Das Mosaik, Syuxtun Story Circle genannt, war ein Geschenk der Chumash-Gemeinde und soll an die uralte Weisheit erinnern, die in der Erde, den Bäumen, den Vögeln und im Himmel weiterlebt. Ein symbolisch­es Portal zur Vergangenh­eit

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 ?? Foto: Mehmet Oeztuerkme­n/Ksenia Ivanova, stock.adobe.com ?? Santa-Barbara-Klassiker: der Strand, aber auch die Mission.
Foto: Mehmet Oeztuerkme­n/Ksenia Ivanova, stock.adobe.com Santa-Barbara-Klassiker: der Strand, aber auch die Mission.

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