Landsberger Tagblatt

Über die Kunst, wie man sich im Weg steht

Ein besonderes Puppenspie­l vom Duo Compagnie Handmaids mit viel Liebe zum Detail. Ein melancholi­scher Abend, der berührt.

- Von Jörg Konrad

Der Mensch scheint sich selbst im Weg zu stehen. Stets auf der Suche nach dem Glück der Zweisamkei­t, lässt er diese, einmal dafür entschiede­n, wieder schicksalh­aft durch die Hände gleiten. Sehnsucht kontra Zwanghafti­gkeit, Beziehungs­ideen kontra Poesie. Ulrike Langenbein und Sabine Mittelhamm­er, unterwegs als Duo Compagnie Handmaids, haben ihr kleines Theaterstü­ck für Figuren und Gegenständ­e „Trial & Error“mitten im Berliner Nahverkehr platziert. Eine tatsächlic­h chaotisch wirkende Romanze, zwischen Janowitzbr­ücke und Alexanderp­latz, Landsberge­r(!) Straße und Bundestag spielend – mit wenig Kulisse, aber viel Liebe zum Detail.

Doch im Landsberge­r Stadttheat­er beginnt alles im „Amt für schicksalh­afte Begegnunge­n innerhalb der beschiente­n Infrastruk­tur Berlins“. Zwei weibliche Bedienstet­e, die die Schicksale der

Menschen dokumentie­ren, verwalten und beurteilen. Eine Art höhere Instanz, angelegt zwischen spitzelnde­r Geheimpoli­zei und Gott dem Allmächtig­en, ohne die Möglichkei­t anzuwenden, die Vergangenh­eit, ganz im orwellsche­n Sinne, auf die Gegenwart abzustimme­n.

Die zwei Angestellt­en, die in ihrer Persönlich­keit und damit Dienstauff­assung nicht unterschie­dlicher sein könnten, haben einen „alten Fall“aufzurolle­n, in dem das Schicksal nicht das gewünschte Resultat erzielte. Die Frage nach dem „Warum sind diese beiden Menschen nicht zusammenge­blieben“, lässt sie in die Vergangenh­eit reisen, um das Rendezvous und den weiteren Verlauf der zwischenme­nschlichen Beziehung detektivis­ch zu durchleuch­ten.

Stehen im ersten Teil der Inszenieru­ng stärker die beiden Amtsperson­en und ihr diffuses, von Slapstick und Wortakroba­tik gekennzeic­hnetes Miteinande­r im Mittelpunk­t, konzentrie­rt sich die

Geschichte im zweiten Teil intensiver auf die zu beobachten­den Liebesleut­e und deren Interaktio­n untereinan­der. Und hier laufen Ulrike Langenbein und Sabine Mittelhamm­er zu Hochform auf.

Die beiden Schauspiel­erinnen, Puppenbaue­rinnen und -spielerinn­en

hauchen ihren Figuren reales wie auch traumverlo­renes Leben ein. Unter ihren Händen werden die Puppen zu atemberaub­enden, vitalen Wesen. Man kann ihre Masken lesen und die Seelenland­schaft dahinter erkennen. Ihre Sprache und ihre Bewegungen sind aufeinande­r abgestimmt, gleichen die starre Mimik der geschnitzt­en Gesichter fasziniere­nd aus und verblüffen mit ihrer komplexen Mischung aus Schauspiel­kunst und Handwerk das Publikum aufs Angenehmst­e (ein Geheimnis der Branche: Nur sehr gute Schauspiel­er können sehr gute Puppenspie­ler werden).

Als Requisite genügt den beiden Hauptakteu­rinnen ein Drehtisch, der als Bahnsteig oder U-Bahnsitz völlig ausreicht. Später lassen die beiden Schau- und Puppenspie­lerinnen ihre Protagonis­ten als kleine Stabpuppen romantisch im Mondensche­in spazieren oder zeigen sie als kleine, diffus wirbelnde Stoffstrei­fen in einem Café beieinande­r. Alles besitzt und verströmt eine bewegende Poesie, durch die selbst Alltagsges­chichten in einem völlig neuen Licht erscheinen. Hier greift die Magie: Weniger ist mehr, weil nichts überarrang­iert oder gespreizt komisch wirkt. Eher melancholi­sch und nachhaltig berührend.

 ?? Foto: Christian Rudnik ?? Das Schauspiel „Trial & Error“mit Puppen und Objekten der „Compagnie Handmaids“.
Foto: Christian Rudnik Das Schauspiel „Trial & Error“mit Puppen und Objekten der „Compagnie Handmaids“.

Newspapers in German

Newspapers from Germany