„Rekorde sind wie eine Art Rausch“
Wer schafft die meisten Liegestütze? Wer fährt am schnellsten mit dem Rad? Immer wieder stellen Menschen neue Bestwerte auf. Aber was treibt sie zu dieser Jagd?
Markus Gretz berät Profi-Fußballspieler und andere Spitzensportler. Er ist Fachmann für Sportpsychologie. In diesem Job hat er auch oft mit Rekorden im Sport zu tun. Und er weiß: Solche Rekorde sind toll, aber eben nicht alles.
Haben Sie auch schon mal einen Rekord aufgestellt?
Markus Gretz: Da muss ich überlegen. Ich glaube nicht. Aber als Kind war ich sehr fasziniert vom Guinness-Buch der Rekorde. Das Buch gab es immer zu Weihnachten als Geschenk. Und ich habe mir begeistert all die verschiedenen Rekorde angeschaut.
Warum streben Menschen überhaupt nach Rekorden?
Gretz: In der Psychologie gehen wir ja der Frage nach, warum sich Menschen so verhalten, wie sie sich verhalten – und wie sie Dinge erleben. Mit Blick auf die Rekorde haben wir drei große Gründe ausgemacht: Zum einen geht es um Leistung und Erfolg. Man will also eine gute Leistung erbringen und in einer bestimmten Sache erfolgreich sein. Das ist ein sehr wichtiger Antrieb.
Und die anderen beiden Gründe? Gretz: Wir Menschen sind soziale
Wesen. Das heißt, wir leben nicht allein auf einer Insel, sondern in Gemeinschaften. Daher ist es uns wichtig, von anderen gemocht und respektiert zu werden. Das ist das zweite Motiv. Dann kommt noch folgendes hinzu: Wer einen tollen Rekord aufstellt, steht in der Öffentlichkeit. Man ist also berühmt – und die Menschen nehmen einen anders war. Dadurch gewinnt man Einfluss. Man könnte auch sagen, eine gewisse Macht. Das ist das dritte Motiv.
Machen Rekorde eigentlich glücklich?
Gretz: Rekorde sind schon sehr außergewöhnliche Ziele. Und wenn wir sie erreichen, haben wir zuerst einmal so ein wahnsinniges Hochgefühl. Wir sind wie in einer Art Rausch. Unser Körper schüttet dann besondere Stoffe aus. Man spricht oft von den Glückshormonen. Nach dem Rekord kann es aber schnell kritisch werden.
Wieso das?
Gretz: Weil man in eine Art Loch fallen kann. Man hat das bei Sportlern immer wieder beobachtet. Zum Beispiel, wenn sie bei den Olympischen Spielen eine Goldmedaille gewonnen haben. Da ist der Erfolg anschließend sogar ins Gegenteil umgeschlagen. Zuerst empfindet man große Freude und Euphorie und dann ist da plötzlich so eine Ziellosigkeit. Die kann einen richtig traurig oder leer machen. Das Ganze hat sogar einen eigenen Namen. Man spricht von einer Post-Olympia-Depression. Deshalb ist es für Sportler wichtig, sich auf die Zeit nach dem Rekord vorzubereiten.
Manche Menschen jagen von einem Rekord zum anderen. Können Rekorde süchtig machen?
Gretz: Das kann tatsächlich passieren. Diese Menschen wollen dieses Hochgefühl immer wieder haben. Das ist wie bei allem, was sich schön und gut anfühlt. Manchmal kann man nicht mehr ohne dieses Gefühl leben. Aber eines ist ganz wichtig: Man muss keinen Rekord aufstellen, um wertvoll zu sein. Man kann versuchen, besondere Dinge zu erreichen, sich in einer Sache besonders anstrengen. Aber es muss kein Rekord sein.