Landsberger Tagblatt

Drei Freundscha­ften auf dem Prüfstand

Das Münchner Hofspielha­us zeigt „Kunst“von Yasmina Reza. Es führt das Landsberge­r Publikum in die komplexen Abgründe menschlich­er Beziehunge­n.

- Von Bärbel Knill

Die Kontrovers­e ist so alt wie die moderne Kunst: Ist das Kunst oder kann das weg? Die Komödie „Kunst“der zeitgenöss­ischen französisc­hen Autorin Yasmina Reza von 1994 ist jetzt schon ein Klassiker mit Welterfolg. Kein Wunder, dass das Landsberge­r Stadttheat­er wieder einmal aus allen Nähten platzte, als dieses scharfzüng­ige und unterhalts­ame Stück auch noch in einer Inszenieru­ng des für seine gelungenen Inszenieru­ngen bekannten Münchner Hofspielha­uses auf dem Programm stand.

Drei Freunde, ein Bild. Serge (Leon Sandner), Dermatolog­e und mittelwohl­habend, hat sich für eine verrückte Geldsumme ein Bild eines angesagten Künstlers gekauft. Es zeigt weiße Streifen auf weißem Grund. Marc (Markus Beisl), Intellektu­eller und vermutlich weniger wohlhabend, bricht angesichts des Bildes und des Preises in Gelächter aus – in das Serge nicht einstimmt. Beide sind verletzt, ihre Freundscha­ft ist ernsthaft gestört, doch es gibt ja noch Yvan (Michael A. Grimm) – einen gemütliche­n, harmlosen und erfolglose­n Typen, der die Vermittler­rolle zwischen beiden hat und immer um Ausgleich, Frieden und Harmonie bemüht ist.

In der Folge entwickelt sich ein Disput zwischen den Freunden, der in die komplexen Abgründe und unterbewus­sten Muster der Beziehunge­n führt: Serge ist erfolgreic­h

und hofft durch den Erwerb des angesagten Kunstwerks in höhere gesellscha­ftliche Kreise aufzusteig­en. Marc verdirbt ihm das durch sein Gelächter, doch der ist selbst verletzt und eifersücht­ig, weil Serge sein Bild höher bewertet als die Freundscha­ft zu Marc; beide hacken auf Yvan herum, den sie als Schwächlin­g ohne eigene Meinung darstellen, denn Yvan versucht, es sich mit keinem zu verderben, und gibt mal dem einen, mal dem anderen recht.

Witzige, scharfzüng­ige und

tiefgründi­ge Dialoge, überzeugen­de Charaktere und Situations­komik machen die Komödie zu einem kurzweilig­en, intelligen­ten Vergnügen. Immer wieder tritt einer der drei zur Seite und offenbart dem Publikum seine wahren Gedanken – ein Stilmittel, das zuweilen an Woody-Allen-Filme erinnert, wie auch das gesamte Stück. Herrliche Slapstick-Szenen sorgen für Amüsement: Serge mit seinem umständlic­hen Ritual, vor der Berührung des Bildes weiße Handschuhe anzuziehen und eine Folie

auszulegen; vergeblich versucht Yvan, einen Handschuh anzuziehen, und schafft es einfach nicht; eine kurze Schlägerei zwischen Serge und Marc trifft natürlich Yvan am härtesten, der dazwischen­gehen will – und nun betastet er minutenlan­g wimmernd seine Verletzung und unterbrich­t damit immer wieder den Streit der anderen.

Michael A. Grimm hat mit Yvan eine Paraderoll­e – oder macht eine daraus. Allein schon sein atemberaub­end schneller Monolog zur Erklärung

seiner Verspätung war eine komödianti­sche Leistung. Grimm macht die Rolle zum Mittelpunk­t des Stücks mit seiner Schrulligk­eit, Weinerlich­keit und menschlich­en Schwäche, aber auch Wärme und Liebenswür­digkeit. Dabei ist er stets tragisch und komisch zugleich, und unglaublic­h bühnenpräs­ent. Markus Beisl und Leon Sandner sind für sich genommen ebenfalls überzeugen­d in ihren Rollen, doch neben Grimm scheinen sie ein wenig blutleer und blass; das mag aber auch an den

Rollen liegen: Marc und Serge sind die Gebildeten mit intellektu­ellem Anspruch, die sich keine Blöße geben wollen und Gefühle höchstens als Wut zulassen, während Yvan der sympathisc­he Gefühlsmen­sch ist, der auch mal Schwäche zeigt.

Alles in allem ein großer Theaterspa­ß, ein Stück zum Lachen und Nachdenken, von wunderbare­n Darsteller­n pointiert vermittelt. Das Landsberge­r Publikum honorierte die Leistung mit lang anhaltende­m Applaus für das Münchner Hofspielha­us.

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Fotos: Thorsten Jordan Markus Beisl (links) und Leon Sandner betrachten das Kunstwerk.
 ?? ?? Michael A. Grimm ( mit Markus Beisl, rechts) in seiner Paraderoll­e als Yvan.
Michael A. Grimm ( mit Markus Beisl, rechts) in seiner Paraderoll­e als Yvan.

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