Steckt im Judasfeuer Antisemitismus?
Am Karsamstag werden im Landkreis Landsberg wieder traditionelle Osterfeuer entzündet. Mancherorts wird dabei auch eine Strohpuppe verbrannt.
Am Karsamstag sammelt die Jugend in vielen Dörfern im Landkreis Landsberg tagsüber Holz, schichtet es außerhalb des Ortes zu großen Stapeln auf und entzündet in der Dämmerung ein Feuer, das weithin zu sehen ist. Je höher, umso besser. Osterfeuer werden sie genannt, im nördlichen Landkreis aber auch Judasfeuer oder Jaudusfeuer. Bei Letzteren thront oben auf dem Holzhaufen eine Strohpuppe: Judas, der symbolisch verbrannt wird. Die Puppe aus Stroh macht den Unterschied zu den Osterfeuern. Doch das Judasfeuer steht in der Kritik. Es wird mit Antisemitismus in Verbindung gebracht.
Jüngst lud der Historische Verein Landsberg zu einem Vortrag mit Dr. Andreas Rentz, vom Institut für Zeitgeschichte in München, ein. Der Historiker beleuchtete die Hintergründe und Ursprünge der Verbreitung von Judasfeuern. Seinen
Erklärungen zufolge ist die Judasverbrennung antisemitisch, auch wenn sie sich keiner stereotypischen Darstellung bediene, wie die an Ostern 2019 im polnischen Pruchnik verbrannte Judasfigur mit „jüdischen“Merkmalen wie Hakennase oder orthodoxer Haartracht.
Das Judasfeuer, bei dem eine Puppe auf dem Scheiterhaufen verbrannt wird, sei eine Sonderform des liturgischen, von Priestern und Ministranten organisierten Osterfeuers, auch Feuerweihe genannt.
„Aber was hat Judas mit Antisemitismus zu tun?“, fragte Rentz im Saal der Pfarrei Mariä Himmelfahrt. Es sei die Assoziation aufgrund der Namensähnlichkeit. Jesus wurde durch Judas gegen 30
Silberlinge an jüdische Hohepriester verraten, was schließlich den „Gottesmord“ermöglicht habe. So seien die Juden mit Gier und Verrat in Verbindung gebracht worden. Die Nazis benutzten die Judasfigur für ihre antisemitische Propaganda. Ihre Hetzschrift „Stürmer“bildete Judas mit Geldsack als Symbol für den typischen Juden ab. SA oder Hitlerjugend organisierten die Judasfeuer.
Nach den Recherchen von Andreas Rentz hat der Feuerbrauch, wie vielfach angenommen, keinen heidnisch, germanischen Ursprung. Er sei vom Altertumswissenschaftler Jacob Grimm 1835 popularisiert worden. Das älteste Osterfeuer ist 1495 belegt. Auch in Weil und Prittriching gibt es frühe Nachweise liturgischer Osterfeuer. Der älteste Beleg für ein Judasfeuer stammt vom Kastenamt Weil aus dem Jahr 1599. Im Jahr 1749 erließ Kurfürst Maximilian III. Joseph von Bayern ein Verbot der Judasfeuer. Ab 1850 begann deren Reaktivierung. Warum die Judasfeuer ausgerechnet im westlichen Oberbayern
in großem Stile wieder auftauchten, sei nicht nachvollziehbar. Rentz sieht die zunehmende Einwanderung von Ostjuden und die daraus resultierende antisemitische Bewegung als mögliche Ursache.
Im Meringer Anzeiger von 1897 findet sich eine Erwähnung der Feuer: „Es waren am Karsamstag einige Judasfeuer zu beobachten.“Heute seien die liturgischen Osterfeuer verschwunden und die Verbrennung der Judaspuppe habe lediglich einen Eventcharakter. Aber auch das Verbrennen einer Strohpuppe ohne jüdische Merkmale sieht Rentz problematisch. Weil es einen Unterschied mache, ob eine Puppe verbrannt wird oder nicht, plädierte der Vorsitzende des Historischen Vereins, Dr. Werner FeesBuchecker, für ein Osterfeuer ohne Puppe. „In vielen Orten besteht kein Bewusstsein für den Antisemitismus beim Verbrennen der Judaspuppe und sie halten wider besseres Wissen daran fest“, sagte Andreas Rentz.
Beim Landratsamt rechnet man heuer mit rund 30 Osterfeuern im Landkreis Landsberg, sagt Pressesprecher Wolfgang Müller.
Stellvertretend für ihre Kolleginnen und Kollegen der umliegenden Jugendgruppen, die das Osterfeuer in ihren Gemeinden organisieren, hat unsere Redaktion Franziska Killer aus Penzing über ihren Bezug zum Judasfeuer befragt. Die Vorsitzende des Madlund Burschenvereins zeigt sich überrascht, dass das Brauchtum mit Antisemitismus in Verbindung gebracht wird. Sie sieht in dem am Ostersamstag entzündeten Feuer keine Ressentiments gegen Menschen jüdischen Glaubens. „Ich bin seit 2017 dabei, aber davon habe ich noch nie gehört“, sagt Franziska Killer.
Die Verbrennung der gesichtslosen Strohpuppe gehöre einfach dazu, es sei seit vielen Jahren so Brauch. Am Osterfeuer kämen junge Menschen zusammen, um bei Würsten und Getränken einen schönen Abend zu verbringen. Antisemitisches Gedankengut habe dabei nichts verloren.
Das älteste Osterfeuer ist 1495 belegt, das älteste Judasfeuer 1599.