Villa am Schondorfer Seeufer wird unter Denkmalschutz gestellt
Eines der größten Wohnhäuser in Schondorf steht jetzt unter Denkmalschutz. Ein Kleinbauernhaus wird jedoch aus der Liste der Baudenkmäler gestrichen.
Zwei Änderungen gibt es in der Baudenkmalliste für die Gemeinde Schondorf: Eine riesige Villa direkt am Ammersee ist unter Denkmalschutz gestellt worden. Ein Kleinbauernhaus an der Landsberger Straße in Oberschondorf hat dagegen seinen Status als Baudenkmal verloren.
Unterm Strich wird die „Denkmalmasse“in Schondorf jedoch deutlich vergrößert. Das Häusl an der Landsberger Straße hat gerade mal eine Grundfläche von etwas über 50 Quadratmetern. Das Landhaus am Weingartenweg direkt am Ammersee ist mit 42 Metern Länge und 14 Metern Breite zehnmal so groß und dürfte eines der größten Wohngebäude in der Gemeinde sein. Bekannt ist es in unter den Bezeichnungen „Hunger-Villa“und „Röhm-Villa“. Wegen Letzterem sprechen manche auch vom „Braunen Haus“. Das stellt allerdings eine völlig unberechtigte Schlussfolgerung dar. Die RöhmVilla hat nämlich nichts mit dem 1934 ermordeten SA-Führer Ernst Röhm zu tun.
Bauherr war vielmehr der Unternehmer Otto Röhm (1876-1939). Mit der Planung hatte er den ortsansässigen Architekten Max Joseph Gradl (1873-1934) beauftragt, errichtet wurde das Anwesen in den Jahren 1928 und 1929. Im Kurztext für die Denkmalliste wird die Villa als „langgestreckter, eingeschossiger Walmdachbau mit gartenseitiger, pfeilergestützter Eingangshalle, seeseitigem Mittelrisalit, giebelseitigen Apsiden und Terrasse“beschrieben. Der Mittelrisalit wurde 1949 um- beziehungsweise zurückgebaut. Unter Denkmalschutz wurde ebenso das nahe am Weingartenweg gelegene Verwalterhaus mit dem steilem Satteldach, der parkähnliche Garten, die Einfriedung mit Toreinfahrt und das in den 1930er-Jahren errichtete Bootshaus gestellt.
Insgesamt handelt es sich um ein recht herrschaftliches Anwesen, dessen Erbauung entsprechende Geldmittel voraussetzte. Über diese verfügte in den ansonsten wirtschaftlich schwierigen 1920er-Jahren der Unternehmer Otto Röhm. Röhm stammte aus dem württembergischen Öhringen, als Chemiker promovierte er
1901 mit einer Dissertation über „Polymerisationsprodukte der Akrylsäure“. 1907 gründete Röhm mit dem Kaufmann Otto Haas das Unternehmen Röhm & Haas in Esslingen (ab 1909 in Darmstadt). Als Röhm 1939 in Berlin starb, beschäftigte sein Unternehmen 1800 Mitarbeiter, der Umsatz betrug 22 Millionen Reichsmark.
Aus der in Philadelphia gegründeten US-Niederlassung entstand das Unternehmen „Rohm and Haas“, das als Teil des Dow Chemical-Konzerns heute 16.500 Mitarbeiter beschäftigt. Das deutsche Unternehmen Röhms ging in der Hüls AG und später im EvonikKonzern
auf, aus dem es 2019 wieder ausgegliedert wurde. Röhms Firma wurde insbesondere durch die Produktion von Acrylglas bekannt, das unter der Marke „Plexiglas“vermarktet wurde.
Lange blieb die Villa nicht im Besitz der Familie Röhm, vielmehr kaufte die Liegenschaft der Münchner Maschinenbauunternehmer Ludwig Hunger. Der größere Teil des einst mehr als 17.000 Quadratmeter großen Seegrundstücks befindet sich nach wie vor im Besitz von Nachfahren Hungers, ein kleinerer Teil an der Nordseite wurde verkauft. Bis heute wird die Villa zu dem Zweck genutzt,
zu dem sie erbaut wurde: Als Sommersitz, ganzjährig bewohnt ist nur das Verwalterhaus.
Als die Fachleute des Landesamts für Denkmalpflege die Villa im Hinblick auf eine eventuelle Denkmalwürdigkeit besichtigten, seien sie „hin und weg“gewesen, erzählt Peter M. Gradl, der wie sein Großvater Max Joseph Gradl Architekt in Schondorf ist. Sie fanden dabei eine Villa vor, die sich nicht nur nach außen hin weitgehend unverändert zeigt. Auch im Innern war ihre Raumgestaltung im in Deutschland eher seltenen Stil des Art déco erhalten geblieben.
„Mein Großvater war immer sehr modern unterwegs“, erzählt Gradl weiter. Max Joseph Gradl war nicht nur Architekt, sondern auch Maler, Gebrauchsgrafiker sowie Schrift- und Schmuckdesigner und in dieser Universalität ein typischer Künstler des Jugendstils. Später wandte er sich den Formen des Art déco zu, die Kunst, Gestaltung und Architektur bis in die 1930er-Jahre hinein prägten. Elemente des Art déco finden sich übrigens auch in der Schondorfer Seeufermauer.
Eine ganz andere Geschichte erzählt das Häuschen an der Landsberger Straße 70, das jetzt aus der Denkmalliste gestrichen wurde. Zum Baudenkmal erklärt wurde es einst, weil es sich um eines der wenigen verbliebenen Mittertennhäuser handelt. Das waren meist kleinbäuerliche Söldenhäuser, bei denen sich Wohnteil und Stall unter einem Dach befanden, getrennt durch eine mittige Tenne, von der aus auch die Wohnräume betreten wurden, weil der Wohnbereich keinen eigenen Flur hatte. Bei dem Häusl, das auf einem nur neun Meter breiten und gut 200 Quadratmeter großen Grundstück steht, war man davon ausgegangen, dass es bereits Anfang des 18. Jahrhunderts erbaut wurde.
2023 wurde dem Besitzer erlaubt, an dem Haus Elektro-, Sanitärund Spenglerarbeiten vorzunehmen. Allerdings wurde festgestellt, dass bei diesen Arbeiten der Umfang der Erlaubnis deutlich überschritten wurde, teilte das Landratsamt auf Anfrage mit. Die Bauarbeiten wurden im Oktober eingestellt. Bei einem Ortstermin riet das Landesamt für Denkmalpflege (BLfD) dazu, das Haus aus der Denkmalliste zu streichen. Das Haus war bereits vor Jahrzehnten offenbar ohne Abstimmung mit der Denkmalpflege „so stark vor allem im Inneren umgebaut und verändert worden, dass es seine Denkmaleigenschaft verloren hat“, informierte das BLfD auf Nachfrage.
So wurde die Raumaufteilung geändert, das Tragwerk des Daches erneuert und es wurden die historischen Decken entfernt. Damit habe das Gebäude seine Aussagekraft verloren. Das Gebäude sei zudem 100 Jahre jünger als bei der Denkmaleintragung vermutet. Die Baueinstellung wurde im März wieder aufgehoben.