Der ewige Kampf gegen Windmühlen
Das Neue Globe Theater Potsdam präsentiert eine originelle Bühnenversion von „Don Quijote“. Der Ritter ist die ewige Verkörperung des verblendeten Idealisten.
Das Neue Globe Theater Potsdam, ein regelmäßiger und beliebter Gast im Landsberger Stadttheater, hat sich mit dem Stück „Don Quijote“in ein anderes Terrain gewagt als den gewohnten Shakespeare. Die Theaterfassung von Jakob Nolte bringt den weltberühmten Roman von Miguel de Cervantes, einem Zeitgenossen Shakespeares, auf die Bühne. Das Neue Globe Theater mit seiner furchtlosen, kreativen und erfrischend humorvollen Herangehensweise an große Werke ist wie geschaffen dafür und hatte beim Landsberger Publikum großen Erfolg damit.
Und was soll das Ganze nun eigentlich, die ständigen Kämpfe gegen eingebildete Gegner, Windmühlen als Riesen, Schafe als feindliche Ritter, ein paar Landstreicher als gegnerisches Heer? Cervantes selbst beteuerte mehrfach, er wolle damit erreichen, dass seine Zeitgenossen sich von der Mode der Ritterromane im 16. und 17. Jahrhundert, ihren melodramatischen Abenteuern und fantastischen Traumwelten abwenden, die auch stets als „wahre Begebenheit“oder „Übersetzung“einer alten Schrift dargestellt wurden. Eine Parodie auf die Ritterwelt und ihre aufgeblasenen Ideale, ein Anti-Ritterroman also.
In der Inszenierung von Kai Frederic Schrickel kommen zwei Darsteller und ein Musiker zusammen, die etwas ganz Eigenes schaffen: Laurenz Wiegand, der allein schon physisch wie die ewige Verkörperung des Don Quijote wirkt und ihn wunderbar als versponnenen
Idealisten mimt; Andreas Erfurth als herrlich geerdeter Sancho Pansa, dem Gegenstück des edlen Ritters, der viele komische Momente beisteuert; und nicht zuletzt Rüdiger Krause, der mit der klassischen spanischen Gitarre Stimmung erzeugt, aber auch andere Elemente einstreut – wie die bekannte Melodie des Sandmännchens, immer wenn Quijote und Pansa sich zur Nachtruhe begeben.
Ein dickes, überdimensionales Buch ist das einzige Bühnenbild, alles andere muss sich der Zuschauer vorstellen, was jedoch einfach ist, weil Laurenz Wiegand und Andreas Erfurth so schön gestikulieren, dass automatisch Bilder entstehen. So hängt Quijote einmal am Flügel einer Windmühle und fällt hinunter. Permanent führt er Schwertkämpfe in der Luft gegen die eingebildeten Feinde. Er reitet mit staksendem Schritt auf seinem Ross Rosinante, während Sancho Pansa den wackelnden Tritt des Esels imitiert.
Für Lacher sorgte auch die wiederkehrende Szene, in der Sancho das Nachtlager bereitet – Luftmatratze aufpumpen, Feuer machen, kochen, sich die Finger verbrennen, beten und die Nachttischlampe ausknipsen. Dafür erntet Erfurth Szenenapplaus. Doch auch Wiegand bekommt mehrfach Applaus, für manchen Kampf, aber auch die ausschmückende namentliche Aufzählung der unzähligen feindlichen „Ritter“, die in Wahrheit eine Schafherde sind. Am Ende kommt Quijote zur Einsicht,
Der Mensch ist einfach frei.
dass er doch nur ein einfacher Bauer ist, und beschließt, ein „Schäfer Arkadiens“zu werden, was doch auch ganz schön und edel sei.
Und was haben wir heute davon? „Die Freiheit, Sancho, ist eine der köstlichsten Gaben, die der Himmel dem Menschen verliehen …“, fasst Don Quijote es am Ende des Stücks zusammen. Diesen Epilog gibt uns der Autor Jakob Nolte als Quintessenz mit: Der Mensch ist damals wie heute frei, zu denken und zu glauben, was er will. Gedanken schaffen Realität jenseits des scheinbar Objektiven. „Und wenn mich diese Vorstellung glücklich macht, dann stelle ich mir nicht nur vor, dass ich glücklich bin, sondern bin glücklich.“Großer Jubel und Applaus bezeugten, dass das Publikum damit etwas anfangen konnte.