Ein Jazz-Abend wie das Wetter im April
Beim letzten Musiksalon in Dießen vor der Sommerpause hält die Formation „Klangland“mit Harald Rüschenbaum mit vielen Stimmungswechseln den Spannungsbogen aufrecht.
Zwei identische Jazzabende, der eine knapp ausverkauft, der andere sogar überbucht: Für die Formation „Klangland“strömten am Freitag- und Samstagabend die Musikfreunde in den Dießener „Unterbräu“. Das Event war wohl auch deshalb so gut besucht, weil in Michael Lutzeiers Reihe „Musiksalon“bereits jetzt das konzertfreie Halbjahr anbricht. „Denn wer geht schon bei voller Tageshelligkeit nachmittags um neun in ein Konzert“, flunkerte Lutzeier mit seiner humoristischen Ader für den Dadaismus.
Auch Harald Rüschenbaum startete gleich mit seiner persönlichen „Ader“, nämlich mit dem Einbeziehen des Publikums. Die Musiker vom „Klangland“machten wortlos den Spaß mit, ihre Hände übereinander zu reiben, und aufmunternde Blicke in die Zuschauermenge bewirkten schließlich ein allgemeines Rascheln und Rauschen im Saal. Die leise Einstimmung passte zum sanft hereintastenden Stück „Falling Grace“. Spannung erhielt das Programm durch deutliche, jedoch nie ruppige Stimmungswechsel – innerhalb der Stücke genauso wie bei deren wechselnder Auswahl, so bei „Fühlendes Wesen“.
Bei der Komposition vom Klangland-Mitglied Jonas Brinckmann stechen moderne Klaviersoli heraus, die von Maruan Sakas wunderbar leuchtend hergezaubert werden.
Einen weiteren atmosphärischen Sprung bringt das kaum bekannte „Don’t Forget the Poet“von Enrico Pieranunzi: Wie das Intro zu einer Geisterstunde entlockt Philipp Weiß seinem MoogSynthesizer sphärisch hallende Töne, zu denen Rüschenbaums Watteklöppel einen Hauch von Rhythmus liefern.
Von „träumerisch“zu „cool“perlt sich das Klavier entlang, öffnet ein Fenster für den prägnant geschrubbten Kontrabass von Peter Cudek, bis sanfte Moog- und Saxofontöne diese 25 Jahre alte Entdeckung herrlich rund zu Ende führen.
Schlagzeuger Rüschenbaum sinnt freilich schon wieder auf Mitmach-Aktivität, übt mit dem Publikum einmal ein begleitend zum Rhythmus gesungenes „Haa…“und legt zum Höhepunkt der Übung selbst eine sublimierte Jodelphrase darüber. Spielerisch wird das gut gelaunte Stück erst tänzelnd, dann schnell und schließlich druckvoll.
Im langsam heiß werdenden Saal ergibt sich nun das Einklatschen eines Bossas aus „Ocean’s
Eleven“, natürlich wieder mit Beteiligten.
Ausgehend vom Latin-Einstieg entwickelt das „Klangland“ein
Überraschungsmenü an Instrumentierungen: treibendes Drumming mit cool gestimmtem Saxofon, dann feine Motive vom Piano,
das Saxofon nun ganz warm, und rasch wieder straffe Trommelarbeit vom energiesprühenden Harald Rüschenbaum.
Der Name der Projektband verspricht also nicht zu viel, es ist wirklich eine Entdeckungsfahrt, welche die Zuhörer in diesem Klangland unternehmen. Ein weiteres Stück von Jonas Brinckmann bringt cooles Striding, extrem groovy gefasst und mit Wechseln aus zartem Besenrauschen und mutigem Trommelschlag: Das nimmt alle gleich wieder bei der Hand. Gleich darauf gibt es einen Abstecher zum Powerjazz.
Und wieder bringt die nächste Lichtung im Klangland Neues: Das zauberisch-leise „Central Park West“von John Coltrane kombiniert die Instrumente in gedämpfter Zartheit und lässt schließlich hohe, flötengleiche Moog-Töne in einem virtuosen Strudel an Dynamik gewinnen. Der Zwischenapplaus für den ebenso seltenen wie gesuchten Spezial-Synthesizer unterstreicht den Spaß, den das Publikum hier gewinnt – und den es, mit dem Einstieg von Michael Lutzeier als Saxofon-Duettpartner, noch bekrönt.
Im Dießener „Musiksalon“geht es erst am 27./28. September weiter mit Geoff Goodman und „CrissCross“. Michael Lutzeier wird sich zwischendurch aber nicht ganz rarmachen und plant für den 23. Juni einen Auftritt im Schacky-Park.